Annotation zum Buch „Später kommen, früher gehen“, Gesammelte Dichtungen von Carsten Friedrichs

"Später kommen, früher gehen", ausgewählte Songtexte von Carsten Friedrichs. © Ventil

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Carsten Friedrichs, der früherer Superpunk und heutige Liga der gewöhnlichen Gentlemen-Sänger und Songtexter, ist ein wahrer Tausendsassa. Es war im Sommer 22, als er endlich seine Gesammelten Werke vorlegte.

Groß war die Freude der Menschen zwischen Meppen und Mailand, jede & jeder wollten (und wollen noch immer) sofort dieses Buch haben – das ich uns frühen und späten Lyrikerinnen ans Herz legen möchte.

Carsten ist ein wahres Mildschwein der seine Klassiker beherrscht und sprachlich die Funken sprühen lässt. Sein Coronasong „2020 Das Erotische Jahr“ haut uns gleich zu Anfang bretthart um, wenn dann Ernst Jandl auf eine so smarte Art gehuldigt wird, dass uns die Löcher aus dem Käse fallen, bleibt uns der unendliche Schmerz seines „Alle Ampeln auf Gelb“, wo er dem zu frühe erfrorenem Gen. Eiffe ein Denkmal baut. Besonders wirkmächtig für mich fats alle Andreas Dorau Songtexte, als gelernten Ossi liebe ich natürlich „Ossi mit Schwan“.

»Songtexte schreiben ist schwierig. Sie bestehen aus drei Säulen: Thema, Sprache und Standpunkt. Carsten Friedrichs erklimmt alle drei Säulen mit spielerischer Leichtigkeit. Daher sollten Sie dieses Buch kaufen.« Sagt Andreas Dorau und dem ist nichts hinzuzufügen, außer vielleicht dieser wunderbare Song aus Friedrichs Feder zum Thema:

Ein heißer Sommer am Isarstrand
Den besuchte ein Mann aus Ostdeutschland
Er stand am Kiosk an den Bistrotischen
Und hatte nur vor, sich etwas zu erfrischen
„Ick will eene Cola“ so sagte er
Das bekamen zwei Bayern zu Gehör
Warum genau das ist nicht mehr bekannt
Aber sie hassten Menschen aus Ostdeutschland

Und leise und schön fließt die Isar daher
Die Sonne scheint auf Mensch und Getier
Über den Wipfeln weht eine kühle Brise
Und Sonnenanbeter tummeln sich auf der Wiese

„Wir sollten wieder eine Mauer aufbaun“ sagte der Eine
Und fing an zu haun
Der andere nun, und das ist wirklich infam
Ging runter zur Isar, schnappt sich einen Schwan
Mit diesem Schwan schlugen sie auf ihn ein
Wie gern würd er jetzt wieder in Brandenburg sein
Der Ostdeutsche rief in höchster Not
„Lass los den Schwan, sonst geht der noch tot“

Und leise und schön fließt die Isar daher
Die Sonne scheint auf Mensch und Getier
Über den Wipfeln weht eine kühle Brise
Und Sonnenanbeter tummeln sich auf der Wiese

Zur Vernunft kam nun der Grobian
Zumindest der Vogel endlich entkam
Sie schlugen den Ostdeutschen noch mit nem Grill
An der Ufern der Isar wurde es still
Die Schurken kamen vor’s Amtsgericht
Denn so behandelt man doch Schwäne nicht
Und ist ein Akzent auch schwer zu ertragen
Gehört es sich nicht mit Schwänen zu schlagen

Über den Wipfeln weht eine kühle Brise
Und Sonnenanbeter tummeln sich auf der Wiese
Und leise und schön fließt die Isar daher
Die Sonne scheint auf Mensch und Getier
Über den Wipfeln weht eine kühle Brise
Und Sonnenanbeter tummeln sich auf der Wiese

Bibliographische Angaben

Carsten Friedrichs, Später kommen, früher gehen, Ausgewählte Songtexte Taschenbuch, 216 Seiten, Verlag: Ventil, Mainz, 1. Auflage 11.7.2022, ISBN: 978-3-95575-184-5, Preis: 17 EUR (Deutschland)

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