Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Am 23. November 2016 fand im Theater am Kurfürstendamm Berlin die Premiere einer bittersüßen Kommödie rund um die jüdische Karrierefrau Ruth in New York (NY), deren Leben durch ihren 87-jährigen Vater, der aus Australien zu ihr zieht, durcheinandergewirbelt wird, statt. Die Produktion der Hamburger Kammerspiele in Zusammenarbeit mit dem Theater am Kurfürstendamm bietet ein märchenhaften Happyend: der hochbetagte Vater gründet ein Klopse-Restaurant zusammen mit seiner polnischen Geliebten und zwar als Familienbetrieb und mit durchschlagendem Erfolg.
Ulrike Folkerts spielt brilliant und dynamisch die tragende Rolle – aus jeder Pore springt ihr freudestrahlende Energie. Sie hat sich sehr gefreut, endlich auf einer Theaterbühne zu stehen nach all diesen Filmkommissarsrollen. Ihre Mitspieler agieren ebenfalls lachmuskelstrapazierend. Mit dem Filmtitel „Chuzpe – Klopse braucht der Mensch“ wurde dieses bewegende Buch der australisch-amerikanischen Jüdin Lilly Brett schon einmal verfilmt. Das Buch wurde für die Bühne von Dieter Berner bearbeitet.
Die Geschichte hat autobiografische Züge – ihre Eltern entkamen lebend einem KZ und Lilly wurde in einem Auffanglager für displaced persons in Feldafing, Deutschland geboren. So will das Lachen, zu dem der ständige turbulente Wortwitz und die überbordende Situationskomik verleiten, nicht richtig losbrechen, wenn Ruths Anwaltsfreundin sie ermahnt, nicht ständig über ihre im KZ umgekommene Mutter nachzudenken. Ihre Mutter wurde im KZ ermordet.
Die Bühne ist karg und erinnert an eine Hoch-U-Bahn-Station in NY, was eine gewisse Tristesse widergibt. Der sprichwörtliche jüdische Witz wird von Edek, ihrem Vater (Joachim Bliese) excellent wiedergegeben.
Der Begriff Chuzpe stammt aus dem Hebräisch (chuzpá) und bedeutet „kühne, gewitzte Eigenart“. Balls, das sind sowohl die Meatballs (Fleischklopse) als auch „Eier haben“ (Stärke haben). In der Tat durchzieht diese Chuzpe das ganze Stück wie ein roter Faden. Das Bühnenstück ist zudem ein Lehrstück über den Umgang mit alten Menschen, die von ihren Familien am liebsten in Seniorenheimen „entsorgt“ werden, so Lilly Brett. Ihr Vater lebe in Australien und sie mache sich ständig Sorgen um ihn.
„Chuzpe – You Gotta Have Balls“ ist ein durch und durch sehenswertes Stück und ein Geniestreich des vom Abriss durch eine ausländische Geldmafia bedrohten Kudamm-Theaters.