Der Alternativweltgeschichtenerzähler – Zum Roman „Die Anomalie“ von Hervé Le Tellier

"Die Anomalie" von Hervé Le Tellier. © Rowohlt

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Angekündigt als heißer Scheiss des Spätsommers war „Die Anomalie“ schon auf den ersten Seiten eine literarische Enttäuschung.

Das Buch beginnt wie ein reißerischer Thriller um den bösen Killer Blake. Nach wenigen Seiten schlüpfen wir in die Haut des von der Kritik verkannten und von allen guten Frauen verlassenen Dichtergenies Miesel (der von nun an den Ton vorgibt). Fieser Bald-Grieselgreis, der es nicht mehr lange machen darf.

Als wir es uns in dessen Mies-Körper gemütlich machen wollen, folgt David. Und so geht es munter weiter, bis wir knapp ein Dutzend Biografien angeschnuffelt haben.

Wer nicht die reißerische Verlagsankündigung las, wird sich nun denken, was soll das Ganze? Nach knapp 100 Seiten dürfte es auch der Letzte verstanden haben: etwas Merkwürdiges ist passiert. Ein Flugzeug landet drei Monate nach seiner Ruckelllandung abermals auf einem New Yorker Flughafen. Drin die gleichen Personen und Dinge wie drei Monate zuvor. Was folgt ist ein Frank-Schätzing-Roman für Fortgeschrittene, mit vielen verwirrten Wissenschaftlern, Befehle ausführenden Bullen und Geheimagentinnen, schmallippigen Militärs und strangen DoppelgängerInnen.

Auf E.T. habe ich leider erfolglos gewartet. Dafür gibt’s en Passant die Welterklärung über die Antwort: 42 (Douglas Adams). Viele Lese-Menschen werden das bestimmt super finden, ist ja eigentlich ein tolles Thema. Für mich war es nicht mehr als ein schlecht gemixter Mischmasch aus Allem und Nischt, ein aufgekochter Brainfuck aus der Alternativweltenecke ohne literarischen Sound und halbwegs ironischem Überbau. Was für ein Scheiß im Spätsommer!

Bibliographische Angaben

Hervé Le Tellier, Die Anomalie, 352 Seiten, Übersetzer: Romy Ritte und Jürgen Ritte, Verlag: Rowohlt Buchverlag, Hamburg, 1. Auflage, 17.8.2021, ISBN: 978-3-498-00258-9, Preis: 22 EUR (Deutschland)

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