Eine Lanze brechen. Schützenfeste – Sportfeste oder Volksfeste?

Bild einer Schützenhalle in Niedersachsen im Sonnenschein. Hier wurde 2024 kein Schützenfest gefeiert, obwohl der Verein sein 100. Jubiläum feierte. Das Haus nebenan war Baustelle, doch hätten Bauherr und Bauleitung Rücksicht genommen und den Bauzaun verlegt. Schützenfeste wurden hier wie vielerorts früher einmal im Jahr gefeiert und waren die wichtigsten Dorffeste. Mancherorts die einzigen. Die Anschrift ist nicht Schützenstraße, aber in Lüneburg gibt es einen Schützenplatz. Die Rechte der Schützen werden nicht beschnitten, doch obwohl Schützenfeste Sportfeste sind, werden mancherorts Schützen schief angesehen. Besonders in Uniform.
Eine Sporthalle in Norddeutschland, eine Schützenhalle. © copyright Photo/ BU 2024 Andreas Hagemoser, Aufnahmeort Lüneburg, -datum 23. Oktober '24

Bleckede/ Lüneburg/ Tespe, Deutschland (Kulturexpresso). Der Landkreis Lüneburg reicht im Norden bis an die Elbe. An der Elbe liegen Tespe und stromaufwärts Bleckede. (Gesprochen Bleekede.*) In Bleckede fand am letzten Juli-Wochenende ein großes Schützenfest statt. Vielleicht das größte in der Region. In dem niedersächsischen Ort an der Elbe im Landkreis Lüneburg gibt es einen Schützenweg und einen Schützenplatz. In Boizenburg eine Schützenstraße und einen -platz. „Der letzte Rest vom Schützenfest“ – auch sprachlich hat sich das Schützenfest als Institution verewigt. Dieselben Kreise, die jetzt lautstark nach Waffenlieferungen schreien, haben seit Jahren Schützenfeste schlechtgemacht. Dabei geht es um etwas ganz anderes. Es geht um Sport und die Gesellschaft. Es geht um Geselligkeit und „soziale Kontakte“. Leute, die zum Schützenfest gehen, als Rechte darzustellen, ist dumm. Falsch. Und: Es ist eine Verallgemeinerung.

Ahistorisches Denken führt zu Irrtümern und Abhängigkeit. Leute, die die Geschichte nicht kennen, sind reihenweise die ersten Opfer von Manipulation, auch Medien-. Deutsche Panzer in die Ukraine zu schicken, war schon 1941 eine schlechte Idee. („Ukraine“ ist hier keine Staatsbezeichnung, wie Sie sicher aus der Geschichte wissen.)

Die Geschichte der Schützenfeste reicht lange zurück. Sie hat sich auch in Straßennamen niedergeschlagen und verewigt. In vielen Orten Deutschlands, Berlin, Lüneburg und Meersburg sind nur drei von hunderten Beispielen in Deutschland, gibt es eine Schützenstraße und/ oder einen Schützenplatz. Das fängt bei Aa wie Aachen an und hört bei W wie Würselen nicht auf, sondern erst bei Z wie Zeitz, Zirndorf, Zweibrücken, Zwickau und Zwiesel.

Auch in der Schweiz

Das gilt ja übrigens auch für die Schweiz: eine Schützenstraße ist für viele die Anschrift, so in Aadorf und Winterthur. Da es in der Schweiz vier Staatssprachen gibt und nicht alle 4 über das ‚ß‘ verfügen, schreibt man sie nur Schützenstrasse. Im Deutschen, in der Bundesrepublik und in der Republik Österreich, in die richtige Schreibweise „Schützenstraße“. Für Teile Begiens und Luxemburgs sowie Liechtenstein und Südtirol mögen Sie selbst die Rechtschreibung recherchieren.

Wer schreibt, der bleibt. Was geschrieben steht, bleibt. Am Anfang war das Wort.

Sprache und Geschichte kennen, achten und beachten

Wenn es etwas in die Sprache hinein geschafft hat, dann ist das schon was. Wenn eine Institution in Sprichwörtern und Redensarten vertreten ist, ist sie wichtig und in aller Munde. Dinge, die so gut wie obsolet erscheinen, also veraltet, wie das Scheckheft oder das Trittbrett, muss man dann wenigstens kennen, um zu verstehen, was mit aktuellen Ausdrücken wie ’scheckheftgepflegt‘ und ‚Trittbrettfahrer‘ gemeint ist. Nämlich kein Wedeln mit dem Heft über den Autolack und keine waghalsigen Mitfahrer, die bei Wind und Wetter auf dem Trittbrett eines Wagens balancieren und sich verzweifelt an der Dachreling festklammern.

Man muss wissen, worum es sich handelt, um die Tiefe zu verstehen.

Anglizismen

Das Schlimme an Anglizismen ist nicht, dass sie unseren Stolz verletzen. Fast jede Sprache hat Fremdwörter und die deutschen Wörter ‚Angst‘, ‚Glockenspiel‘ und ‚Kindergarten‘ sowie viele viele weitere haben es in die englische Sprache „geschafft“, die der Deutschen sowieso recht ähnlich ist. Jeder Russe weiß, was ein ‚Schlagbaum‘ ist, obwohl er es auf der zweiten Silbe betont. Das ‚Taxi‘ ist international und ‚wasi‘ mit einem Halbvokal am Ende – nicht ‚wassi‘ – ist chinesisch für ‚Gas‘.

Das Schlimme an Angliszismen ist also, dass sie Wörter verdrängen, die in der Muttersprache Herz und Seele erreichen. Worte, die tief gefühlt werden können.

Den Unterschied zwischen Wörtern und Worten zum Beispiel kann das Englische nicht abbilden.

Genauso wenig vermag das Englische zwischen ‚aber‘ und ’sondern‘ zu unterscheiden. Die Kraft der Unterscheidung ist aber nicht nur eine Tugend, sondern eine wichtige Kraft. Sie kann überlebenswichtig sein.

Nachgeplapperte englische Wörter werden kaum oder gar nicht verstanden. Zumindest bleibt das Verständnis, wenn nicht gleichzeitige profunde Fremdsprachenkenntnisse des Englischen vorhanden sind, an der Oberfläche.

Das Schützenfest ist in Sprache und Literatur verankert

Dass das Schützenfest sich in Sprache, Literatur und Ortnamen wiederfindet, beweist, dass es seinen Platz in der deutschen und mitteleuropäischen Gesellschaft hatte und hat. Da bringt es nur Schaden, wenn es „weggedisst“ werden soll oder ein Opfer der „Cancel culture“, einer Unkultur in den „social media“, den unsozialen „Medien“. (Es gab mal eine Zeit, in der keine Zeitung „Medium“ genannt wurde; ein Medium war ausschließlich eine Person mit spirituellen, spiritistischen oder übernatürlichen Fähigkeiten, die zum Beispiel in Trance gehen kann. Oder ein Ausdruck in der Physik und Chemie.)

Dass sich so ein Fest wandeln kann genau wie die Vereine, steht außer Frage. Ich glaube, dass heute niemand mehr an etwas anderes denkt als das Ziel, wenn er eine Zielscheibe vor sich sieht. Schießen ist ein Konzentrationssport und olympisch. Das ebenfalls bei olympischen Spielen ausgetragene Bogenschießen ist hochmeditativ. Es gibt zum Beispiel das bekannte Buch „Zen in der Kunst des Bogenschießens“.

Alle heutigen Schützen in die rechte Ecke zu stellen, ist falsch. Schlimmer noch ist es, alle Feiernden bei einem Schützenfest, oft ein ganzes Dorf mit Gästen aus Nachbarorten, über einen Kamm zu scheren und als verachtenswerte Mitglieder der Gesellschaft zu betrachten.

Die angeblichen Besserwisser, deren politische Einstellung „alternativlos und die einzig richtige“ (ein Widerspruch in sich) ist und die dann auf andere herabsehen, statt ihnen mit Respekt zu begegnen, sind allein deswegen schon so toll nicht.

Das Schützenfest kommt unter die Räder, obwohl die Regierung das Land zurzeit militarisiert und angeblich die Schützen Relikte einer militärischen Vergangenheit sind

Ach, wieviel wird doch unternommen, um die Vergangenheit aus dem Gedächtnis des Volkes zu tilgen. Bronzen werden zurückgegeben, die dort keiner haben will. Straßen werden umbenannt – Beispiel Berlin-Wedding, Afrikanisches Viertel – weil sie auf Kolonialismus hinweisen und Kolonialismus böse ist. Soll jetzt auch noch die Schützenstraße umbenannt werden? In Boizenburg/ Elbe residiert der Sportschützenverein am Schützenplatz, östlich herum verläuft die Schützenstraße in einem Bogen in den Stadtpark zur Lügenbrücke. Soll die Schützenstraße jetzt umbenannt werden? Wo kommen wir da hin? Und die Schützenstraße in Zeitz? Die Schützenstraße in Zweibrücken? In Zwiesel?

Auf Gran Canaria beispielsweise käme niemand auf die Idee, die Kolombusstatue in der Hauptstadt zu entfernen wie ein Saddam-Hussein-Standbild, obwohl Colon, wie er auf spanisch heißt, Amerika noch nicht einmal entdeckt hat. Die Spanier sind stolz und der Gold- und Silberraub aus Mexiko und anderen heutigen Staaten wird anders betrachtet als bei den deutschen die Vergangenheit. Jetzt werden Schützen, in Vereinen organisierte Sportler, pauschal als Rechte bezeichnet. Schützenvereine verzichten mancherorts auf den Umzug durch den Ort, auf das Abholen des Königs mit Musik. Die Fanfarenzüge werden fast überflüssig. Warum? Hinter den Vorhängen bewegt sich was, die Schützen werden herabwürdigend angesehen.

Noch in den 70ern waren die Schützenfeste die größten Feste im Dorf. Heute verzichten sogar Vereine, die 1924 gegründet wurden und dementsprechend dieses Jahr, ’24, eine große Sause zum Jubiläum hätten feiern müssen, ganz auf das Schützenfest. Falsche Parolen und Aufhetzung von Gutmenschen gaben dem Schützenfest den Rest. In England werden Traditionen gepflegt und wir sollen sie hier dafür bewundern. Bei RTL und auch beim ZDF gibt e eigene Spezialisten für die „Royals“, wie sie liebevoll genannt wurden. Als die „Queen“ starb, starb auch das Fernsehprogramm. Auf mindestens vier Sendern wurden fast den ganzen Tag nur die Beerdigung gezeigt. Hervorgehoben wurde die Kleidung der Anwesenden, die verschiedenen Uniformen.

Widersprüche allenthalben

Wenn heute ein Schütze aus einem Verein durch sein Dorf geht, wird es mitunter scheel (schief) angeschaut. Warum sind wir auf UNSERE Traditionen nicht stolz?

Die Regierung fördert den Sport. Manche Gesetze könnten wohl gar nicht von der Mehrheit unbemerkt zum Schaden des Volkes beschlossen werden, gäbe es nicht OLYMPIA und die Fußball-WM und -EM. Schützenfest ist ein Sportfest, doch wer es besucht, wird von manchen schon als „rechts“ eingestuft. Das ist doch nicht rechtens? Wo sind die Rechte der Schützen und der Festbesucher?

Auch die Regierung spaltet und beklagt sich dann über mangelnden gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wer hat angeblich schuld? Rechte.

Die Regierung will mehr Menschen in Uniform, doch wenn Sportler, Schützen, ihre Vereinsuniform anzieht ist das vielen nicht recht. Gewehre seien angeblich schlimm. Warum, wenn sie doch Sportgeräte sind? Oder schickt Scholz mit „Unterstützung“ der „Grünen“ und Teilen der FDP deswegen Gewehre und größere Kaliber in die Ukraine, weil er sie hier nicht haben will?

Widersprüche allenthalben. Doch zu viele glauben noch an das Verkündete und machen mit.

Weltrekord: Schützenfest in Niedersachsen

Wer immer noch daran zweifelt, dass Schützenfeste wie die in Lüneburg und Bleckede was Gutes sind, aber stolz ist auf Rekorde, der schaue sich eben mal an, was in Hannover los ist seit 500 Jahren. Lüneburg hat mehrere Schützenfeste. Lüneburg hat seit den Eingemeindungen der 70er Jahre Ortsteile wie Lüneburg-Ochtmissen, Häcklingen und Lüneburg-Rettmer. Bleckede das größte der Region. Doch in Bleckede wird nicht das größte Deutschlands gefeiert. Bleckede hat noch nicht einmal das größte niedersächsische. Bleckede hin oder her – die Landeshauptstadt Niedersachsens steht sie locker in die Tasche. Weltrekord!

Vielleicht sollte man die Rechte der Schützen stärken – oder sie einfach nur in Ruhe lassen?

Es geht immer um die Rechte aller. Die Rechte der Ausländer – wie der Deutschen. Respekt!

*Das ‚c‘ ist ein Dehnungs-c so wie in Hamburg-Wandsbeck, dass jetzt in Wandsbek umbenannt wurde, damit Ausländer und Deutsche aus anderen Landesteilen es nicht falsch aussprechen.

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