Böllerverbote – hie Brandschutz, da Landfriedensbruchverhinderung

Lüneburger Rathaus
Das Rathaus der tausendjährigen Salzstadt Lüneburg. © 2016, Foto/BU: Andreas Hagemoser

Berlin, Lüneburg, Deutschland (Kuturexpresso). Böllerverbote sind ein Schlagwort – immer diese schlagenden Wörter: Vorschlag, Schlagsahne, -wort – für Verbote jeglichen Feuerwerks. Jegliches Feuerwerk zu verbieten, das sollte man in Asien mal versuchen! Vor allem im bevölkerungsreichen Ostasien, ob nun in Hongkong, China, Singapur oder auf Taiwan. Obwohl heute fast überall Wahlen stattfinden, übrigens selbstverständlich auch in der Russischen Föderation, gibt es in Asien viele Herrscher, die mit harter Hand regieren. Feuerwerk zu verbieten haben sie nicht nötig. Die Demokratie stammt aus Griechenland, wie das Wort schon sagt. ‚Politik‘ stammt von ‚Polis‘. Dass die ‚Police‘, verzeih‘, die Polizei, einschreiten solle, wenn jemand Feuerwerk abbrennt, ist schon eine sehr abwegige Frage. Ausnahmen bestätigen die Regel.

In unserer Kindheit war Feuerwerk zwischen 18 Uhr an Silvester und 1 oder 2 Uhr nachts erlaubt. Gehalten hat sich unseres Wissens schon damals niemand daran. Nie ist es uns zu Augen oder zu Ohren gekommen, dass diese Einschränkung „durchgesetzt“ wurde.

Heutzutage ist ein Verbot von Böllern in die Presse gekommen. Das ist schon ein schlechtes Zeichen. Vergangenes Jahr machten Bilder die Runde, auch in der „Tagesschau“ (die einer linker Kollege übrigens „Die Macht um Acht“ nennt) und wurden immer wieder wiederholt. Gruppen von Männern „griffen“ Polizei- und gar Feuerwehrfahrzeuge „an“. Dann kam ein Gewerkschaftssprecher der Polizei mit einer Forderung zu Wort, einer Maximalforderung: Feuerwerk am besten ganz verbieten. Nur noch an bestimmten Orten oder ein organisiertes (bezahltes?!) Volksfeuerwerk. Brot und Spiele ohne Brot, Sie wissen schon.

Immerhin hatte der Sprecher etwas im Sinn. Er forderte etwas Erstrebenswertes: nämlich dass kein Beamter und keine Beamtin verletzt werde oder zumindest keiner Gefahr ausgesetzt werde, die aus seiner Sicht vermeidbar wäre. Der Einwand, dass nicht alle Beamte seien, ist zwar relevant. Die deutsche Polizei heute ist nicht die gleiche wie 1995 oder 1984. Darum geht es aber an dieser Stelle nicht.

Brandschutz in alten Städten mit historischer Bausubstanz: Beispiel Lüneburg

Am Lüneburger Rathaus, am Marktplatz und an anderen Orten in der Innenstadt – das ist in diesem Fall fast gleichzusetzen mit Altstadt – hängen an Absperrgittern aufgehängte, abwischbare Transparente, die darauf hinweisen, dass Feuerwerk „in der gesamten Innenstadt und am Kalkberg“ verboten seien. Die Absperrgitter sperren übrigens nicht die Straße, sondern werden bloß für die plakatähnlichen Hinweise mit deutlicher Schrift auf weißem Grund verwendet.

Der Berg, der einst mehrere hundert Meter hoch war und auf dem eine Burg stand, wie der Straßenname „Unter der Burg“ bis heute für jeden tradiert, ist heute Naturschutzgebiet. Er ist nur noch 56 Meter hoch, der Gipsabbau wurde jedoch Anfang des 20. Jahrhunderts eingestellt. Ein Gipsofen und Schilder, die die Bahngeleise zeigen, am Fuß des Berges weisen auf die Geschichte des Bergbaus hin. Der Berg liegt stadtnah zwischen Sülzwiesen, Neuem Tor und Stadtwall. Die Michaeliskirche, in der Johann Sebastian Bach sang, ist auch nur einen Steinwurf entfernt.

Der Kalkberg ist einer der höchsten Erhebungen des norddeutschen Tieflandes und bietet sowohl wegen seiner seltenen Bodenbeschaffenheit und seines Gesteins als auch wegen der Warmlagen in der Höhe an der Südseite sowie seiner Feuchtlagen in Spalten und Höhlungen einer seltenen Flora und Fauna Platz.

Das Feuerwerksverbot am Kalkberg ist sinnvoll. Es hat nicht nur Sinn, weil die Tiere sonst durchdrehen würden, nein; eine Müllentsorgung wäre schlicht unmöglich.

In der Altstadt der tausendjährigen Salzstadt mit ihren verwinkelten Dächern und Höfen wäre es durchaus denkbar, dass eine Feuerwerksrakete unbeobachteterweise im Gerümpel oder Altpapier landen könnte. Ein Feuerwehreinsatz – nicht umsonst sind sich die beiden Wörter sehr ähnlich – könnte zu spät kommen, jeder Schaden wäre ein unersetzlicher Verlust. Eine Feuerwache müsste dann stattfinden, eine Brandwache. Doch wozu? Feuer könnte selbst, wenn es Beobachtungstürme gäbe, ausbrechen, ohne gleich bemerkt zu werden.

Es ist also nicht nur ein Böllerverbot, sondern ein Feuerwerksverbot.

Versuchte Landfriedensbruchverhinderung: Beispiel Berlin

In wenigen Teilen Berlins wurde örtlich ein Böllerverbot ausgerufen. Privat ist sowieso nur Feuerwerk der Klassen F1 und F2 erlaubt. Es geht aber, zumindest angeblich, vor allem darum, den Beschuss von Einsatzfahrzeugen zu verhindern. Man kann natürlich Böller verbieten und damit auch braven Bürgern den Spaß nehmen. Man könnte aber auch das Gesetz einfach stärker durchsetzen, wenn solcher Landfriedensbruch passiert. Und es ist ja bekannt und kein Geheimnis, wer solchen kriminellen Unsinn verzapfte. Da sollte man ansetzen und hätte es schon lange tun sollen, bevor nun die Ausgabe über den Kopf wächst.

Nach den Massenbelästigungen und -vergewaltigungen in Köln kann man natürlich im Folgejahr einfach die Domplatte sperren. Hatte die Domplatte etwas getan?

Nach Messerattacken verschiedenen Ausgangs, also zumindest versuchter Totschlag, oft Mord, wurden Messer verboten. Es ist aber nicht das Messer böse, sondern die Handlung eines einzelnen Menschen. Jeder Mensch ist anders. Menschen sind schuld, nicht Messer.

Genauso ist es mit Böllern oder Silvesterraketen. Bestimmt gibt es irgendeinen Kriminalroman, in dem Bleigießen von einem üblen Verbrecher missbraucht wird, um in einer kriminellen Handlung Opfer zu quälen. Sollte man deshalb das Bleigießen verbieten? Nein. Natürlich nicht.

Böllerverbote. Fazit und Kommentar

Wem die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland oder Österreich bekanntlich und ggf. nachweislich egal ist, oder sogar im Weg, bei dem sollte man sich nicht wundern, wenn er alles nutzt, um sie zu schädigen.

Wenn viele dieser Leute in Neukölln wohnen und Böller gegen Feuerwehrautos schleudern oder schießen, sind nicht die Böller schuld. Verbrecher müssen dingfest gemacht werden. Das geschah lange nicht konsequent genug. Warum? Tja, warum?

Etwaige Feuerwerksverbote sollte man beim Namen nennen. Schon die Wortwahl kommt ja nicht von uns. Wer Böller sagt, aber Feuerwerk meint, obwohl er derlei einfache, eher vulgäre Wörter sonst vermutlich kaum benutzt, erweckt den Eindruck, dass ja nur die krachmachenden Dinger ohne Lichteffekte verboten werden sollen; nicht aber Silvesterraketen, Vulkane und Batterien, die wunderschöne Leuchtkugeln oder anderes mit Lichteffekten in die Luft feuern.

In alten deutschen und mitteleuropäischen Städten sowie in Altstädten anderswo kann ein örtliches Verbot Sinn haben. Kaum jemand wird etwas dagegen haben. Dass eine Imbissbude oder Kneipe in einer Innenstadt dann vielleicht ein paar Besucher weniger hat (Bier, Böller, Bratwurst), ist hinnehmbar, da das zu schützende Gut wertvoll. Es sind in Deutschland sowieso nur noch die Reste der Städte vorhanden nach dem Phosphor- und Sprengbombenhagel der zweiten Hälfte des Zweiten Weltkriegs, die vor der Zivilbevölkerung keineswegs halt machten.

Warum ist Lüneburg so besonders? Wegen seines Stadtbilds. Die Hansestadt ist die einzige erhalten gebliebene Stadt der norddeutschen Backsteingotik. Und wodurch wurden die anderen zerstört? Durch die Bomben der Bombenflugzeuge. Sogar Lüneburg war mehrfach Ziel gewesen und hatte einfach nur Glück. Oder weniger Industrie. Die Städte wurden aber nicht durch Silvesterraketen zerstört.

Böllerverbote: Zusammenfassung des Kommentars

„Böllerverbot“ benennt etwas Größeres. Hat man keinen Mut, die Wahrheit zu sagen oder geht es wieder nur darum, Stimmung im Volk zu machen aus scheinbar guten Gründen, um ein konkretes Verbotsziel zu erreichen?

Örtlich sind wir für Böllerverbote, ja sogar Feuerwerks-. Begrenzt und begründet an wohlüberlegten Orten. Ein „in die Diskussion gebrachtes“ landesweites Verbot sollte argwöhnisch beäugt werden. Wehren muss man sich am Anfang (römisches Sprichwort).

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