Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Made in Wedding klingt englisch, ist es aber nicht – oder auch. Dass manche Maden in Berlin-Wedding wie die Made im Speck leben, mag sein. Made in a Wedding Night* – so ein T-Shirt hätten manche Jungs und Mädels schon im 16. und 17. Jahrhundert anziehen können – wenn es denn T-Shirts gegeben hätte beziehungsweise damals jemand verstanden hätte, was gemeint ist. Bauern trugen eher derbe Kleidung, Gamaschen, Rock – derart, wie es heute nicht verstanden wird – der Adel hatte mehr Auswahl und viel mehr Begriffe für sein Outfit. Wieder so ein Wort, dass sogar in England kaum verstanden worden wäre in vergangenen Jahrhunderten. Adels-, aber auch Pilgerklamotten waren Pelerinen (Schulterumhänge, von französisch pélerine, Pilgerin) oder Esclavinen (Kapuzenmäntel für die Arbeit und Reise, ein Begriff auf dem 13.-17. Jahrhundert). Sprache ändert sich, im Moment fast so schnell wie die Welt sich verändert.
Moden und Mitte
Moden ändern sich, kommen aber wieder. Maden ändern sich auch oft und kommen, dort, wo man sie am wenigsten braucht – im Obst und in der Küche und Speisekammer – gern wieder. Der Wedding, ein Berliner Stadtteil und einst ein West-Berliner Bezirk, ändert sich auch. Einst wegen seines Altbaubestandes beliebt bei Weddingern, Studenten und Gastarbeitern, das war in den 70er und 80er Jahren bis in die 90er so, heute mit dem Etikett „Mitte“ versehen. Das bringt Renommee. Den Bezirk Mitte gibt es in Groß-Berlin seit 1920. Anfänglich bezeichnete er die Altstadt Berlins mit dem Roten Rathaus, Spree und Kupfergraben. Sechs von 20 Groß-Berliner Bezirken gehörten vor 1920 zu Berlin.
Wo ist Mitte, bitte?
2001 wurde die Zahl der Berliner Bezirke reduziert. Das neue Dutzend übernahm eingeführte Bezirke mit viel Bevölkerung und Fläche, wie Neukölln, Reinickendorf und Spandau. Aber auch alte Bezirksnamen, die – für manche Berliner missverständlich – mit neuen Inhalten gefüllt wurden. Mitte, Pankow und Lichtenberg wurden aufgeblasen. Der Prenzlauer Berg verschwand völlig, nicht abgetragen, sondern aufgegangen in Pankow.
Berlin-Mitte mit seinem Hauptstadt-, Geschichts- und Ost-Berlin-Flair übernahm Gegenden minderen Renommees. Wedding und Moabit, seit 1861 Teil Berlins, galten seit den 80ern bis heute eher als Problembezirke. Die Problembezirke gibt es seit 2001 nicht mehr, Moabit und Wedding sind Ortsteile. Arbeitslosigkeit, Kriminalität und Gegenden mit einem überdurchschnittlich hohen Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund sind geblieben.
(Mehr über Mitte im Buch: Link siehe unten.)
Belgien, Brüssel und die Brüsseler Straße in Wedding, im selben Bezirk wie Unter den Linden
Senat, Bezirk und Bund pumpen viel Geld nach Mitte, nicht nur Hartz-IV-Mittel (Bund-Länder-Förderprogramm „Aktive Stadtzentren“). Seitdem die Moabiter Turm- und die Weddinger Müllerstraße, an der einst Mühlen standen wie an der Wilmersdorfer Straße und in Pankow, zum selben Bezirk gehören wie die „Linden“, die zum Brandenburger Tor führen, verteilt man um. Mit Steuergeldern wird aufgewertet. Von Gentrifizierung wird hier nicht so viel geschrieen wie in Kreuzkölln, dafür liegt die Genter Straße in Wedding. Sie kreuzt die Brüsseler Straße im Belgischen Viertel, nach dem der Kiez auch Brüsseler genannt wird. Die nach der belgischen Hauptstadt benannte Straße hat Probleme wie Brüssel heute, was bei der Namensgebung weder berücksichtigt wurde noch vorhergesehen werden konnte. Brüssel, immer noch Stadt in einem Königreich, wurde im deutschen Kaiserreich Namensgeber.
Die bunte Brüsseler Straße beherbergt Kindereinrichtungen, ein Restaurant wie das „L‘Escargot“ und das Anti-Kriegs-Museum.
Zu den ganzen Fördergeldern, die in den Wedding fließen, gehören auch die Gelder, die Kunst und Kultur fördern. Brot und Spiele kann man mit der Berliner Tafel allein nicht bestreiten. Musik und Kunst können manchen von der schiefen Bahn abbringen und wenigstens aus der Bildungsferne in die etwas nähere Bildungsferne.
Made in Wedding: Kunst in der Koloniestraße
Die Ausstellung in der Weddinger Koloniestraße, die heute ab 17 Uhr mit einem Konzert mit Herbstliedern eröffnet werden wird, zeigt Werke aus Wedding und von woanders. Viele Weddinger sind von woanders, aus dem Alten Land oder aus Afrika. Das Afrikanische Viertel trägt seinen Namen seit Kolonialzeiten; gerade wird an Straßenumbenennungen gewerkelt. Afrikanische Straße und Kapweg am Kurt-Schumacher-Platz dürfen wohl bleiben. Die Koloniestraße, die aus irgendeinem Grunde so heißt, beherbergt mit MADE IN WEDDING Kunst-Werke aus dem ganzen Bezirk, nein, Ortsteil, von Künstlern, die alles mögliche sein mögen, heute aber meist Weddinger. Made in Wedding oder nicht.
Veranstaltungsort Made in Wedding
Made in Wedding ist in der Koloniestraße. Diese schlängelt sich beiderseits der Osloer, die man durch den U-Bahnhof kennt, parallel zur Panke; an dem Teil des Flüsschens, an dem auch das Franzosenbecken liegt. Im Nordteil wurde die Koloniestraße bis zu den Bahngleisen verlängert und heißt dort auch so: Verlängerte Koloniestraße. Bei den Gleisen lag die Mauer, da sie den Bezirksgrenzen folgte.
Der Südteil der Koloniestraße bei der Schwedenstraße ist eine breite Hauptstraße, die nördlich durch die Drontheimer verlängert wird. Die Koloniestraße hört jedoch nicht an der Osloer auf, sondern knickt ab und wird schmaler.
Berliner Falle(n)
Wer mit dem Auto zu Made in Wedding kommt, für den kann die Straßenführung schnell zur Falle werden. Denn wer zum Beispiel aus Mitte kommt (dem „echten Mitte“ sozusagen) und über Gesundbrunnen die Badstraße entlangfährt, die Panke kreuzt und glücklich rechts in die Koloniestraße abbiegt, ist alles andere als am Ziel.
Im Gegenteil, wer jetzt sorglos weiterfährt und die Hausnummer 120 sucht, landet leicht in Brandenburg.
Wer motorisiert von der Koloniestraße – von der Kreuzung Bad-/ Schweden- und Exerzierstraße kommend – in die Koloniestraße (!) möchte, muss von der Koloniestraße an der Osloer – das ist die Ampelkreuzung mit den Straßenbahnen, selten gesehen in Berlin westlich der Ex-Mauer – RECHTS ABBIEGEN und dann gleich wieder links. Von der Osloer Straße in die Koloniestraße. Tja.
Eine Galerie kommt selten allein
(Etwas einfacher ist es aus dem Prenzlauer Berg über die ehemalige Grenzübergangsbrücke Bornholmer Straße: Da fährt man einfach rechts in die Koloniestraße und findet das Ziel Made in Wedding genau vor der nächsten Ecke. Im Fast-Eckhaus 120 residiert die Galerie toolbox, Telefon 0176 81 82 60 30. Ein finnisch-deutscher Kunstraum.)
Doch damit nicht genug. Die „nächste Ecke“, wenn man die Osloer Straße im Süden hinter sich gelassen hat, ist an einer Straße, die rechts reingeht. Zwischen Café Tortuga und Bäckerei Glück. Dort abbiegend gelangt man zum Beispiel zum Hotel „Big Mama“, zu einem Spielplatz und der Grünanlage an der Panke und zum Gotenburger Steg über diesen unterschätzten Wasserlauf. Was daran so außergewöhnlich ist? Das Hotel hat die Haus-Nr. 24 – an der Koloniestraße!
Mit anderen Worten: An dieser Ecke (kurz bevor der verkehrsberuhigte Bereich verlassen wird) kann man entweder geradeaus die Koloniestraße entlangfahren oder rechts in die Koloniestraße abbiegen – ganz nach Wunsch. Nur nicht verzweifeln. Die Galerie liegt fast Ecke Soldiner.
Wem das mit der K.-straße zu verwirrend ist, fährt einfach die lange Soldiner lang, bis er zwischen Holz- und Stockholmer Straße die gewünschte Ecke findet. (Achtung: während der Ausstellung ist die Soldiner Einbahnstraße Richtung Osten, also Panke und Prinzenallee. Von der Holzstraße ist keine Zufahrt zur Soldiner möglich.) Doch wer fährt in Gretas Zeitalter noch mit dem Auto?
Made in Wedding Koloniestraße 120
Die Koloniestraße 120 fast Ecke Soldiner Straße mit der Galerie Made in Wedding liegt im Soldiner Kiez. Die Postleitzahl ist 13359. Der Sektor war französisch.
Erreichbar zu Fuß vom U-Bahnhof Osloer Straße U8/ U9. Näher von der Straßenbahnhaltestelle Drontheimer Straße der Tram-Linien M13 und 50 (eine östlich des U-Bahnhofs Osloer).
Noch näher von der Bushaltestelle des Busses 150 Ritterlandweg/Soldiner Str.
Die nächstgelegene Bushaltestelle scheint die des 255ers Soldiner Straße/ Koloniestr. zu sein. Während der Ausstellung ist ein Aussteigen in Galerienähe nur von der Osloer Straße kommend möglich. Der 255er kommt sonst vom S-Bahnhof Wollankstraße (u.a. S1, S26) und biegt in die Soldiner ein, muss die Kreuzung Soldiner/ Koloniestraße im Oktober 2019 jedoch weiträumig umfahren.
Die Bilderausstellung der Kinderkunstwerkstatt Seepferdchen „Meine Sonne ist erdbeerblau“ wird bis zum 8. November 2019 bei made in Wedding zu sehen sein; montags bis freitags 10-18 Uhr.
* gezeugt in einer Hochzeitsnacht
Die Homepage des „Ausstellungsraums für Kiezkunst und Workshops“ lautet http://made-in-wedding.de/de/ .