Lüneburg, Deutschland (Kulturexpresso). Eine Reise ins 16. Jahrhundert! Der historische Christmarkt auf dem Johann-Sebastian-Bach-Platz an der Lüneburger Michaeliskirche in Lüneburg findet am 2. und 3.12.2023 statt. Dieser Platz ist nicht einfach nur nach dem berühmten Musiker und Komponisten benannt, wie in anderen Orten, wo Bach nie war. In Lüneburg ist es so, daß Johann Sebastian Bach vor etwa 200 Jahren selbst dort im Chor sang. Die Schule* stand ungefähr auf den Treppen vom Vorplatz, wenn man auf den Turm guckt hinten links vor der Kirche. Nur wenige Orte, so zum Beispiel Ohrdruf (nomen est omen), haben die Ehre, diese Bezeichnung mit einem historischen Hintergrund zu führen (vergleiche die Bachstraße in Berlin). (*Partikularschule, siehe den Artikel von Dirk Fithalm anlässlich eines Bachkonzerts, besonders den Abschnitt nach der 1. Zwischenüberschrift, „Bach im Barock: Ohrdurf und Lüneburg“.)
Der Christmarkt ist ein Renaissancemarkt. Ohne Pommes Frites mit Ketschup.
Der Christmarkt ist kein Weihnachtsmarkt, sondern aus der Renaissance, eben eine Reise ins 16. Jahrhundert
Eine Reise ins 16. Jahrhundert n.Chr. ist – in Mitteleuropa – eine Reise in die Renaissance. Wörtlich: Wiedergeburt.
In der Renaissance gab es viele Erzeugnisse nicht, die wir heute von gewöhnlichen Weihnachtsmärkten kennen (oder aus dem Leben). Und auch Pflanzen:
1. Pommes Frites und Kartoffelgerichte wurden auf der Reise ins 16. Jahrhundert nicht gesehen
Die Kartoffel fand ihren Weg erst später aus Amerika ins in schlechten Erntejahren hungergeplagte Europa. Der preußische König Friedrich II. leistete seinen Beitrag.
Eine Christmarktbesucherin fragte uns, warum es hier denn keine zünftigen Bauerngerichte wie Bratkartoffeln mit Speck gäbe. Die obige Auskunft gab uns der Chef des Arbeitskreises Lüneburger Altstadt e.V. (ALA). Er ergänzte, daß auch
2. Zuckerzeug
und allerlei Raffinadezuckerprodukte, die heute die sogenannten Supermärkte überschwemmen, nicht beim Kaufmann zu finden waren. Der erste Zucker war der Rohrzucker und der war extrem teuer, so daß ihn sich nur Reiche leisten konnten, die es in der Hansestadt Lüneburg, wegen des weißen Goldes – des SALZES – durchaus gab.
Zucker gab es, wenn es ihn gab, in der Apotheke. Also gab es auch keine Zuckerprodukte und natürlich keine industriellen (19. Jahrhdt.).
3. Eine Reise ins 16. Jahrhundert – Kein Kets(ch)up!
Ketsap ist eine südostasiatische Würzsauce u.a. auf Fischbasis, die englische Seefahrer und Händler später nach Europa brachten. Hier wurden neue Rezepte geschaffen, die zum Teil auch
4. Tomaten
verwendeten. Die Tomate (tomatl) ist wie Schokolatl ein mexikanisches Erzeugnis, wie sich an der Wortherkunft aus der Aztekensprache Nahuatl erkennen läßt (Wortbedeutung: „dickes Wasser“). Die MAYA kultivierten schon vor Christi Geburt Tomaten. Ähnlich wie die Kartoffl kam die Tomate erst weit nach 1492 nach Mitteleuropa. (Im 16. und 17. Jahrhundert fand sich die Goldapfel genannte Frucht, eigentlich eine Beere, in Gärten der Reichen – als (rare) Zierpflanze. Da man dachte, die Früchte seien nicht essbar. Erst im 17. Jahrhundert wurde der Irrtum allmählich erkannt.)
Eine Reise ins 16. Jahrhundert: Einige Erzeugnisse, die auf dem historischen Christmarkt angeboten werden
Zum ersten Mal hatten die jungen Zaunreiterinnen einen Stand auf dem Renaissance-Christmarkt. Zaunreiterinnen sind Hagazusa (Besenreiterinnen, fälschlich Hexen). Das waren meist kräuterkundige, weise Frauen. An ihrem Debüt-Stand bereiteten sie nicht nur alkoholfreien Obstpunsch zu, sondern bieten auch Schicksalsauskunft durch Loszug, handhergestellte Bücher mit gefärbtem Papier zu ein- bis zweistelligen Preisen und weiteres „Hexenwerk“ an, das sonst nur auf Mittelaltermärkten feilgeboten wird.
Derlei Märkte wurden allerdings von den jungen Debütantinnen Feline und Briana noch nicht besucht. Sie feierten an der Michaeliskirche Premiere und waren laut Eigenauskunft die große Attraktion (Zaunreiterinnen, „freifliegende Hexen“, zaunreiterinnen@t-online.de).
Ein Überblick über die Reise ins 16. Jahrhundert: Statt Glühwein gibt es Kinderpunsch und Würzwein. Handgemachte Lebkuchen für zwei Euro das Stück, stabile Kerzenständer auf Buchenholzunterlage und aus geschmiedetem Eisen, vielerlei Holzdekorationen, Teelichthalter aus Holz von einem Dannenberger Anbieter aus dem Wendland, Käse, Speck und Früchtebrot aus Tirol, Schmucksteine und Geschmeide, Hüftgold, Räucherware, Buchteln und Met.
Altstadt-Retter: ALA wacht
Alles wird dar- und feilgeboten – von Menschen in historischer Kleidung. Der Besucher, der vom Sande über die Grapengießerstraße die Straße auf der Altstadt betritt, wird von einer Stadtwache in ebenfalls historischen Kleidern empfangen. Mehr oder weniger nachdrücklich und glaubhaft wird ein freiwilliger Taler eingefordert. Dieser kommt dem Arbeitskreis Lüneburger Altstadt ALA zugute, der damit historische Fenster und Türen sowie Straßenlaternen bezahlt. Der ALA wurde vor 50 Jahren gegründet und verhinderte, daß die Altstadt abgerissen und ein riesiger, schon geplanter Parkplatz gebaut wurde.
Um Gelder zu ergattern, veranstaltete der ALA später den Christmarkt mit anfänglich nur sieben Ständen. Diese besetzen heute den ganzen Platz und erstrecken sich bis zur Straße am Iflock Ecke Auf dem Meere. Es gibt wärmende Kohlebecken und Feuerstellen. Auf der Kohle wird auch die Bratwurst gegart, die hier nur mit Senf serviert wird (Grund siehe oben). Sie kostet nur 3 Euro statt 5 vor dem Lüneburger Rathaus.
Was ist der Lüneburger Christmarkt? Preiswert, einfach, effektiv und ohne Zeitmaschine: Eine Reise ins 16. Jahrhundert, die Eindruck macht!
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