Erster Spatenstich für Kant-Museum in Lüneburg

Lüneburger Rathaus
Das Rathaus der tausendjährigen Salzstadt Lüneburg. © 2016, Foto/BU: Andreas Hagemoser

Lüneburg, Deutschland (Kulturexpresso). Erster Spatenstich für Kant-Museum in niedersächsischen Lüneburg! Dem großen ostpreußischen Philosophen Immanuel Kant aus Königsberg sind alle Kantstraßen Deutschlands und der Nachbarländer gewidmet. In der Hauptstadt gibt es sogar mehrere, doch das ist für Berlin nichts besonders, wo es in verschiedenen Bezirken allein 6mal eine Berliner Straße gibt. Auch in Potsdam gibt es eine Kantstraße und wenn man einen beliebigen Buchstaben des Alphabets nimmt, zum Beispiel den auf K wie Kant folgenden L, findet man fast in jeder Stadt eine. In Lübeck, Lüneburg, Lünen usw. Auch im Ausland gibt es solche.

In K wie Kaliningrad zum Beispiel, in der Oblast Kaliningrad. Uliza Kanta heißt sie und ist auf der Ostrov Immanuila Kanta, übersetzt Kantinsel, im Fluss Pregel. Der deutsche Name der Insel ist Kneiphof und sie bietet inmitten von Grünflächen auch Platz für eine Großkirche, einen Dom, ein Museum und eine Skulptura, nämlich ein Standbild Peter I.

Die Kirche, ein gotischer Dom, heißt jetzt Kafedralniyj Ssabor. Das Grab Immanuel Kants ist dort. Das Museum, Sie können es sich denken, ist ein Kantmuseum, namens ‚Musej imeni Immanuila Kanta‘, zu deutsch Museum benannt nach I. Kant oder kurz Immanuel-Kant-Museum.

Falls Sie noch nicht wissen, wo wir uns befinden, verrate ich Ihnen den eigentlichen Namen der Kathedrale: Königsberger Dom. Ja, es geht um die Stadt Königsberg i.Pr., was in Preußen bedeutet.

Ostpreußen? Preußen?

Preußen war (seit 1525) ein Herzogtum an der Ostsee mit dem Kurischen Haff, erreichbar vom Meer her über die Hafenstadt Memel, die, 1253 gegründet, 2053 800jähriges Jubiläum feiert, 2028 775 wird und heute Klaipeda heißt und in Litauen liegt.

Aber der Reihe nach: Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg war in Personalunion, wie das damals so üblich war, Herzog von Preußen. Er lebte in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und noch ein gutes Dutzend Jahre ins 18. hinein. Sein Vorgänger im Amt war Friedrich Wilhelm, den man nach der Schlacht von Fehrbellin 1675 den „großen Kurfürsten“ nannte.

1678 brannten die Schweden im Krieg die Stadt Memel nieder, wovon es sich lange nicht erholte.

Friedrich III., Kurfürst von Brandenburg, Herzog von Preußen (ein Herzogtum an der Ostsee!)

Friedrich hatte 1679 geheiratet, liebte seine Frau und war sehr traurig, als diese starb, weshalb er in das Köpenicker Schloss, wo er nur drei Jahre mit ihr glücklich leben konnte, fortan nicht zurückwollte. Danach heiratete er 1684 erneut, Sophie Charlotte von Lüneburg-Braunschweig-Hannover, die Tochter des dortigen Kurfürsten. Kur-Fürsten sind in der Zeit des Heiligen Römischen Reiches die, die den Kaiser wählen. 1688 starb der Große Kurfürst und sein Sohn übernahm seine Ämter als Friedrich III. Bis 1692 musste er mit seinen Halbgeschwistern darum kämpfen, dass er Alleinerbe wurde und blieb, wie das jahrhundertelang üblich gewesen war, um die Einheit Brandenburg und Preußens zu bewahren.

Sachsen und Hannover wurden Königreiche, Friedrich strebte das auch seit 1696 vermehrt an. Der Kaiser (Leopold) war erst abgeneigt; seit dem Tode Karls II. am 1. November 1700, des letzten Habsburger Königs von Spanien, suchte Leopold in der Erbfolge Verbündete und gestattete am 16. November 1700 nach Geheimverhandlungen unter Auflagen die Königswürde. 2 Millionen Dukaten gingen an Leopold I., 20.000 Taler an die Jesuiten. König von Brandenburg durfte Friedrich sich nicht nennen, so zog er in die Hauptstadt Preußens, Königsberg i. Pr. (in Preußen) und krönte sich dort selbst am 18. Januar 1701, dann seine Frau Sophie

Charlotte, Herzogin von Lüneburg und Braunschweig

residierte erst in Caputh und tauschte es dann gegen ein Gelände westlich Lietzow, wo sie eine Burg baute, die ein Schloss war. 1695 war Baubeginn, 1699 war es fertig. Die Lietzenburg. 1701, immer noch im Barock, wurde sie, die Tochter des Kurfürsten von Lüneburg-Braunschweig, die erste Königin in Preußen. Vier Jahre später feierte sie mit ihrer Mutter Karneval in Celle, holte sich eine Lungenentzündung und starb, als es kalt war; am 1. Februar 1705 in Hannover.

Friedrich I. trauerte wieder und beschloss: Ich umbenenne das Schloss

( Charlottenburg ) und gründe eine Stadt, die einen Bürgermeister hat.

Mich, den König.

Welche Stadt hatte schon den König als Bürgermeister? Charlottenburg.

Kant aus Königsberg in Preußen, jetzt Kaliningrad

Kant war da noch nicht geboren. Aber das geschah später immerhin in Königsberg i.Pr., wo Friedrich und Charlotte (sich) die Krone aufsetzten. Friedrich sorgte dafür, dass Preußen, als Napoleon das Heilige Römische Reich deutsche Nation zerstörte, als Königreich dastand und nicht als nichts. Der doppelte Witwer starb 1713. Sein Nachfolger, der sparsame Friedrich Wilhelm I., ward Soldatenkönig genannt, liebte lange Kerls und führte dabei gar keinen Krieg.

Unter seiner Regentschaft wurde am 22.4.1724 Immanuel Kant geboren, in der Stadt, in der er am 12. Februar 1804 starb. Im Königreich Preußen. Als Napoleon stark war, weshalb das Reich zerbrach und es keine Kurfürsten mehr gab ab 1806. Friedrich Wilhelm III. hatte ohne Not mit Frankreich Krieg angefangen und floh dann vor Napoleons Mannen immer weiter nach Osten (Flucht ging nicht immer nach Westen!), um in der nördlichsten Stadt Preußens von Januar 1807 bis Januar 1808 zu residieren. Memel war also Hauptstadt Preußens, Berlin war besetzt, vor der Nachbar- und Residenz-Stadt Charlottenburg gab es eine riesige, soldatische Franzosensiedlung.

Kant wurde 79 Jahre alt und musste diese Fisimatenten nicht mehr miterleben. Hätte es Luise nicht gegeben und den Frieden von Tilsit, wäre Preußen verschwunden und Memel nicht Hauptstadt und Residenz gewesen.

Tilsit – die Stadt mit dem Käse – liegt zwischen Königsberg – der Stadt mit den Klopsen – und Memel noch im Gebiet Königsberg/ Kaliningrad, hat 38.000 Einwohner und einen neuen Namen, ist heute auf russischem Boden in der Enklave und direkt an der litauischen Grenze, da (das ehem.) Ostpreußen dreigeteilt ist.

Erster Spatenstich für Kant-Museum in Lüneburg – warum in Lüneburg?

Weil es ein ostpreußisches Museum in Lüneburg gibt. Zunächst das Ostpreußische Jagdmuseum in der Salzstraße nähe Vierorten, knapp an der Abbruchkante, die durch die Ausspülung des weißen Goldes, des Salzes, hier entstand, weil das Natriumchlorid im Boden örtlich fehlte. Später wurde an der Ritterstraße zwischen Racker-/ Gummastr. und Rote – (Bushaltestelle Wallstraße) neben der Zweigstelle der Bundesbank ein Neubau eröffnet.

– Und natürlich, weil die Bundesregierung es beschlossen hat. Das pflegen Regierungen zu tun, bis sie abgewählt werden: etwas beschließen. Auf der Website der Regierung der Bundesrepublik Deutschland fand sich unter „Aktuelles“ folgender Link: bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/spatenstich-zum-kant-jubilaeum-2024-kulturstaatsministerin-claudia-roth-neues-kant-museum-macht-grundprinzipien-der-aufklaerung-erfahrbar–2152394.pdf. Daraus wurde:

Spatenstich zum Kant-Jubiläum 2024 – Kulturstaatsministerin Claudia Roth: „Neues Kant-Museum macht Grundprinzipien der Aufklärung erfahrbar“ (bundesregierung.de) . Am 12.11.’23 (12+11=23!) fanden sich unter https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/ etwa 3240 Einträge, jeweils 10 werden auf einer Seite angezeigt. Man hätte also 325 Sites aufrufen müssen, um sie alle zu durchforsten. (Dies ist Mitteilung 384 des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung (BPA).)

Aus Anlass des 300. Geburtstages von Immanuel Kant 2024: Am 8.12.2022 erster Spatenstich für das erste Kant-Museum Deutschlands in Lüneburg. Entstehen wird es als Erweiterungsbau des Ostpreußischen Landesmuseums mit 500 Quadratmetern Nutzfläche.

Erster Spatenstich für Kant-Museum in Lüneburg – warum Kant? Weil er Ostpreuße war?

Ja. Und weil es in der alten Salzstadt ein Ostpreußenmuseum gibt (nicht umsonst), von dem das Kant-Museum ein Erweiterungsbau werden soll. In Lüneburg wohnten seit 1944 und 1945 vermehrt ostpreußische Flüchtlinge. Wie in alle Gemeinden, die nach dem Waffenstillstand und der Kapitulation (einen Friedensvertrag gab es ja 1945 nicht mit dem Großdeutschen Reich) knapp westlich der sowjetischen Besatzungszone lagen, fluteten nach Lüneburg Ostpreußen, Schlesier und Pommern. Büchen ist ebenfalls ein Beispiel von starkem Zuzug aus Ostpreußen, das Gastwirtsehepaar, das ab den 50er Jahren die Gaststätte im örtlichen Kino betrieb, in nur eines von vielen Beispielen dafür. In Büchen verdoppelte sich die Bevölkerung durch die Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten nach dem Krieg. (In den 30er Jahren gut 1500 Leute, 2007: 5516, heute 6617).

Lüneburg in Nordostniedersachsen liegt 36 Kilometer und 38 Autominuten von Büchen entfernt, mit dem Zug 24 Minuten an reiner Fahrtzeit wegen der guten Verbindung, die nördlich weiter nach Mölln und Lübeck führt. In alle in diesem Satz genannten Gemeinden gelangten Flüchtlinge. Die Umgestaltung in Bundesländer erfolgte erst später, wir sprechen hier von den beiden nördlichsten West-Bundesländern, die eine Grenze mit der SBZ hatten.

Vom Norden Deutschlands in den Norden ist es kürzer als anderswohin

Naturgemäß waren die Fluchtbewegungen, da die Flucht oft zu Fuß mit Bollerwagen und mit dem Pferd erfolgte, vorzugsweise auf dem kürzesten Weg. Zwar flohen viele Ostpreußen auch über die Ostsee – vergleiche das Buch „Sie kamen übers Meer“ und die größte Schiffskatastrophe nach Christi – und gelangten auch deshalb nach Schleswig-Holstein, entscheidend ist aber dennoch die Lage. Flüchtlinge aus Schlesien kamen weiter südlich an, aus Posen und der brandenburgischen Neumark (östlich der Oder) eher in der Mitte, Pommern zog es in den Westteil Pommerns und nach Mecklenburg oder weiter nach Westen. Ein Beispiel von einem Fluchtziel oder Zwischenziel ist Demmin. Ein Film gibt Aufschluss.

Memel war die nördlichste Stadt Deutschlands und hatte etwa 200.000 Einwohner. Heute heißt die Hafenstadt Klaipeda, liegt immer noch an der Danje (die Memel fließt weiter südlich) und viele Deutsche wohnen dort nicht. Kein Wunder, dass viele Ostpreußen, die nach Westen flüchteten, im Norden blieben. Naheliegend. Bahnstrecken und -höfe wurden bombardiert und von Fliegern beschossen, Züge waren noch unpünktlicher als heute, gegen Kriegsende fuhren fast gar keine mehr. Das gleiche galt für Straßenbahnen und ähnliches. Königsberg hatte eine Straßenbahn.

In Ostpreußen verbot die Obrigkeit übrigens Anfang 1945 die Flucht. So etwas kommt immer wieder vor. Noch sind wir nicht im Paradies.

Erster Spatenstich für Kant-Museum in Lüneburg – Editionsgeschichte

Der Spatenstich ist etwas Symbolisches. Er fand im Dezember 2022 statt. Man glaubt immer, Journalisten seien gut informiert. Manchmal sind wir es. Wann, ist schon eine zweite Frage. Tatsächlich erfuhren wir umgehend von der Aktivität mit dem Spaten und verfassten am 12. Dezember ’22 einen Entwurf mit bereits fast 600 Wörtern (von letztlich dreimal so vielen, 1871). Dann ruhte der Text wie viele Bauarbeiten im Winter. (Unter 5° Celsius ist auf dem Bau Pause, deshalb gab es seit 1959 Schlechtwettergeld, das unter Kohl 1996 zum Winterausfallgeld wurde.) Bis zum 13. November ’23. Passiert viel, gehen Nachrichten unter, manches rutscht durch. Bildschirme und LED-Licht machen blind, da übersieht man schon mal etwas. Pressearbeit ist Stress-Arbeit.

Vor dem Richtfest und wenigstens vor der Eröffnung sollte die Nachricht mit dem Spatenstich noch raus. Da manches in Lüneburg schneller geht als zum Beispiel in Berlin, drängt die Zeit. Da Preußen heute Ostpreußen genannt wird und die teils naheliegenden Gründe für die Flucht aus Ostpreußen ausgerechnet nach Schleswig-Holstein (S-H) und das angrenzende Niedersachsen (Nds.) – u.a. Lüneburger Heide, Altes Land – nicht mehr jedem geläufig sind, schien uns der eine Satz, den Ntv brachte, zu kurz und vor allem erläuterungswert.

Heimatvertriebene nicht vergessen

Die Provinz Schleswig-Holstein und das unter den Briten neugeschaffene Land nahmen – an der Bevölkerungszahl gemessen – die zweitmeisten Flüchtlinge und Heimatvertriebenen aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches auf. (Nach Mecklenburg-Vorpommern, siehe Demmin.) Es gab eigene Parteien, sogar im Bundestag. Auch in Büchen zum Beispiel, wie Dr. Heinz Bohlmann jüngst vortrug. In den 60ern hatte dort die Vertriebenenpartei mit der FDP und der SPD das Sagen. Man wollte Unterzentrum werden und plante und beschloss u.a. ein großes Neubaugebiet. Die CDU war dagegen. Die Landesregierung in Kiel machte dann gegen den und trotz des Beschlusses einen Strich durch die Rechnung.

Die Ostpreußenbrücke vor dem ICC in Berlin, der Ostpreußenring in Lübeck (S.-H.), Lüneburg, Hanstedt, Uelzen und Kutenholz – alle im Nordosten Niedersachsens – erinnern als Straßennamen an die Herkunft der Opfer der Vertreibung.

Kutenholz? Liegt zwischen Bremervörde und Horneburg und hat immerhin eine Festhalle!

Fazit

Ergebnis: Erster Spatenstich für Kant-Museum in Lüneburg. Denn:

Das heutige Deutschland hatte noch kein Kant-Museum, es ist das erste. Russland war uns da voraus.

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