„Es tönen die Lieder, der Frühling kommt wieder“ – Gerhild Karpf singt einen Nachmittag lang im Café Adele

Gerhild Herrmann zu erleben, ist immer ein Geschenk (Berlin, 05.12.2015). © Foto: Andreas Hagemoser

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Gerhild Herrmann heißt jetzt Karpf. Frühling, das heißt Veränderung. Das Café öffnet. Am 20. März, einem Sonntag, ist Frühlingsanfang. Die Metereologen logen. Wenn’s nach ihnen geht, beginnt der Frühling am 1. März. Beim heutigen Schwarzweißdenken haben die Zwischentöne wie Frühling und Herbst aber sowieso keine Chance mehr. Ist es immer Januar warm, sprechen alle vom Sommer, friert es im Frühherbst, behaupten die meisten fälschlicherweise, der Winter sei da. Und wenn im September die Lebkuchen bei Aldi liegen, reden alle von Weihnachten. Fast alle.

Im Cafe Adele trat Gerhild Herrmann vor etwa einem Jahr auf, sie nannte es „Privatkonzert“. Die Bude war voll. Diesmal geht es um einen Wiedereröffnung, so, wie es manche Eiscafés tun. Das Café Adele am Berliner Bundesplatz öffnet wieder seine Pforten. Das wird gefeiert.

Sicher ist: Der Frühling wird kommen, solange Rachel Carsons Prophezeiung vom „Stummen Frühling“ durch Pestizide u.ä. nicht eingetroffen ist.

Gerhild Herrmann singt. Das tut sie seit drei Jahren. Vorher sang sie auch, aber weniger on stage. Nun hat Gerhild Herrmann aufgehört zu singen; Gerhild ist noch da und „Gerhild singt“, aber seit Ende Februar singt Gerhild Karpf. Inzwischen hat das selbst ihre E-Mail-Adresse gemerkt. Zum Glück heißt sie nicht Petra, Susanne oder Doreen, sondern ist unverwechselbar. Das wird diesen Wechsel erleichtern.

Auch sonst ist sie am Durchstarten. Sie hat ein Repertoire von mehreren hundert Liedern.

Eines davon ist ein altes Volkslied, das ihre Tochter auswählte: „Es tönen die Lieder, der Frühling kommt wieder“. In besonderen Fällen geht sie auch auf Gästewünsche ein; Geburtstag, neue Arbeit gefunden, neue Liebe…

Das Cafe ist nicht nach der Sängerin benannt und geschmackvoll eingerichtet mit Vintagemöbeln und -kram, der wohl auch käuflich zu erwerben ist. Gebrauchte Einrichtung, frischer Kaffee, handverlesen Leckeres – eine Genusskombination. Kultur pur bei blauem Himmel und Sonnenschein in der Hauptstadt. Kaiserwetter an der Kaiserallee. Ach nee, die heißt ja jetzt Bundesallee nach der Bundesrepublik Deutschland. Von der Bundesrepublik hört man seit Mitte der Neunziger immer weniger, auch auf den Briefmarken heißt es jetzt „Deutschland“ und wenn Fußballer feiern noch kürzer Schland. Veränderung allerorten. Zum Glück überleben Vintagewörter wie „Haupt“ in Zusammensetzungen wie „Oberhaupt“ oder „Scheck“ in „scheckheftgepflegt“. Auch wenn Mexiko und Österreich Bundesrepubliken sind, denkt doch bei „bundesweit“ jeder an die BRD der jetzigen Berliner Republik mit ihrer Bundesstadt Bonn.

Im Bereich Kino ist der „Bundesstart“ unmissverständlich. Heute starten zum Beispiel „Annemin Yarasi – My Mothers Wound“ (Premiere: siehe unten!), „Der Wert des Menschen“, „POWER TO CHANGE“ (wie passend) – die Energierebellion“, „Kungfu-Panda 3“, „Die Bestimmung – Allegiant“, „LOLO – DREI IST EINER ZUVIEL!“, der eindrucksvolle „Auferstanden“ und der oscarprämierte „Raum“ – Brie Larson beste Hauptdarstellerin. Bundesweit. Auch am Zoo in der Nähe der Bundesallee.

Viel Spaß nachmittags am Bundesplatz beim Kulturgenuss in entspannter Atmosphäre! Nach Feierabend kann hier jeder Friedfertige kommen. Und so heißt es wieder: Wo man Lieder singt, da lasse dich ruhig nieder.

Um 19 Uhr ist hier lange Schluss. Wer bis 18.18 Uhr bleibt, schafft es mit der U-Bahn-Linie 9 entspannt über den Bahnhof Zoologischer Garten in den Zoopalast zur Deutschlandpremiere um 19 Uhr (Einlass: 18.30) von „Annemin Yarasi – My Mothers Wound“ von Regisseur Ozan Aciktan, einem Drama: Der Waise Salih (Bora Akkas) arbeitet auf einem serbischen Bauernhof und kennt nicht einmal seinen Namen. Im Laufe des Films entpuppt sich bei mehreren Wendungen die Wahrheit.

Anwesenheit von Mitgliedern aus Cast und Crew im Zoo-Palast möglich.

* * *

Am Donnerstag, den 17. März 2016, 16 bis 19 Uhr: Frühlings- und Gute-Laune-Lieder für Erwachsene und Kinder, Café Adèle, Bundesallee 142, 12161 Berlin-Friedenau (Nähe S-Bahnhof Bundesplatz Ringbahn oder U-Bhf. U9). Eintritt frei, um angemessene Spenden wird gebeten.

Anzeige

Vorheriger ArtikelDie Geschichte des FC Bayern München in Bildern – Annotation zum Buch „Mythos FC Bayern München“ von Ulrich Kühne-Hellmessen
Nächster ArtikelFamilienleben auf einem Wohnschiff – „Vier Zimmer, Küche, Boot“ von Uta Eisenhardt