Berlin-Kreuzberg, Deutschland (Kulturexpresso). Ilou Hanke ist eine Künstlerin, die nicht nur in Kreuzberg einen Namen hat. Die gebürtige Hessin ist obendrein Lehrerin, unter anderem für Qigong (sprich: Tchi-gung). Das macht sie schon seit vielen Jahren, hat dabei eigene Methoden und einen eigenen Stil entwickelt. Das gilt auch für ihre Kunst. Recycling, ein Wort, das in der Bundesrepublik erst nicht verstanden wurde, dann als chic galt und jetzt inzwischen, wie alle Wörter, die dem Verfall durch richtigen und falschen Gebrauch preisgegeben sind, eher für Müllentsorgung steht, was es ja eben eher nicht ist oder nur zum Teil.
Recycling ist zunächst einmal semantisch das Wiedereintreten in einen Kreis oder das nochmalige umrunden desselben. Wer mit dem Riesenrad mehrere Runden dreht, cycelt (kreist) erst und recycelt dann. Auf alten Postkarten gibt es das Motiv eines Mannes von der Wiege bis zum Grab über eine Brücke: Unten angedeutet: der Rückweg. Das Leben – ein Kreislauf. Jocelyn B. Smiths König-der-Löwen-Lied „Der ewige Kreis“ heißt auf englisch „Circle of Life“ (Lebenskreislauf). Nebennotiz: Der quasi Kreuzberger Chor Different Voices of Berlin führte das Lied als erster Chor auf, unter anderem in der Kreuzberger Heilig-Kreuz-Kirche. An der Brahma-Kumaris-Universität wird gelehrt, dass die Seele des Menschen gegebenenfalls mehrfach reinkarniert; also wiederverkörpert wird. Auch das ein Wiederdurchlaufen eines Kreislaufs. Nicht nur diese Universität, auch Wirtschaftswissenschaftler weltweit finden in der Geschichte Kreisläufe, die sich wiederholen.
Recyling ist also überall. Die Sonne zieht ihren Kreis, der Mond, sogar die Erde, die so scheinbar still unter unseren Füßen ruht, wenn man nicht am Mehringdamm entlanggeht und die U-Bahn unter einem rumpelt. Doch zurück zur Kreuzbergstraße, die gegenüber der Bergmannstraße vom Mehringdamm (U6, U7) abgeht. Die Straße liegt tatsächlich zu Füßen des Kreuzberges mit seinem Viktoriapark. Fast zu Füßen des Wasserfalls: Reds Deli. Ein kleiner, aber feiner Ein-Mann-Betrieb mit Liebe zur Kunst.
HUMUS – Vergänglichkeit in Kreuzberg
Für das Kichererbsenpüree Hummus, das manchmal aus Favabohnen hergestellt wird und sich durch den sich ausbreitenden Vegetarismus zunehmender Beliebtheit erfreut, sind Charlottenburg und Kreuzberg gute Adressen. Hier geht es aber um HUMUS. Eigentlich die fein zersetzte Substanz eines Kulturbodens, wie Wikipedia weiß, ist es hier der Name für die Ausstellung in Reds Deli.
Sowohl im straßenseitigen Gastraum als auch im wunderbaren Hinterzimmer – in dem vielleicht auch Hummus serviert wird, wer weiß? – hängt seit Freitag HUMUS – Vergänglichkeit. Die Künstlerin Ilou Hanke klärt in einem Interview auf, wie das zu verstehen ist.
„Nichts geht verloren.“ Ilou Hanke verwendete fertige und unvollendete Bilder anderer Künstler, die diese oder deren Erben zur Verfügung stellten. „Die Ausstellung ist eine Hommage an Wolfgang Wirsig (1948-2006)“. Hanke fügt hinzu, wo nötig, und lässt, wo es richtig erscheint. Dabei hilft ihr ihre Feinfühligkeit und Intuition.
Dabei fragt sie sich: „ Was lasse ich von dem Bild? Was mache ich neu? Und was bleibt erhalten?“
Die Trilogie im ersten Gastraum bildet nur einen Vorgeschmack. Hinten entdeckt man die wahren Schätze. An der erst als letztes einsehbaren Wand hängen zwei Bilder. Das linke zeigt ein Frauenporträt. Vielleicht inspiriert von Wolfgang Wirsigs Frau oder Tochter? Ilou Hanke „rahmte“ es neu farbig. Bunt, hell, leicht, fröhlich, aber nicht übertrieben.
Malteser Motiv: Häuser und Treppe auf der Insel Malta
Daneben, links von der Zimmerecke, ein Bild, das eine Straßenszene auf Malta zeigt.
Die Treppe auf dem Gemälde gibt es wirklich. Vielleicht entdeckt man sie in La Valletta, wenn man die Mittelmeerinsel mit den Jahrtausende alten Tempeln mit runden Grundrissen besucht. Kleiner als Sizilien, ist Malta doch ein eigener Staat und hat inzwischen den Euro mit einem Malteserkreuz. Soviel zum Geld: umtauschen entfällt.
Ilou Hanke fügte aus einer anderen Collage etwas hinzu und passte auf dem Malteser Bild nur die Farben an.
Apropos Farben: Auf der rechten Seite des Hinterzimmers sieht man Bilder, bei denen die Künstlerin mit Acrylfarbe gearbeitet hat. Daran ist sie aber nicht gebunden, sondern verfährt fallweise angemessen.
Genau wie mit den Veränderungen im Rahmen von HUMUS – Vergänglichkeit. Im Deutschunterricht am Gymnasium gab es in den 80er Jahren in einer Stadt in Niedersachsen bei einer Klassenarbeit auf die Frage, wie lang denn der Aufsatz oder die Klausur werden soll, folgende kluge Antwort: „So lang wie nötig, so kurz wie möglich.“
So ähnlich könnte man es mit den Bildern sehen, die die Vergänglichkeit durch ihren Arbeitsprozess zeigen: Wie sollte verändert werden? So viel wie nötig. Das so wenig wie möglich gebietet schon die Sparsamkeit mit den Farben und der Respekt vor dem Erstkünstler.
Vergänglich sind wir (unsere Körper) sowieso
(ewig ist nur das Unzerstörbare, das A-tom, das In-dividuum, der Kern, die Seele)
Eine neue Sparsamkeit passt auch in die neue Zeit, die Greta aus Schweden initiierte. Ilou Hanke ist willens und bereit, sich im privaten Bereich vorbildlich zu verhalten, was zum Beispiel Flugreisen und anderes umweltrelevantes Handeln angeht.
Denn sonst sind alle Menschen bald Humus. Vergänglich sind wir – oder unsere Körper – sowieso.
q.e.d.
Ausstellung HUMUS – Vergänglichkeit
Ausstellungsort: Galerie Redsdeli
Speisenmeisterei
REDSdeli
Restaurant | Bar | Galerie
Kreuzbergstraße 10,
Berlin
Website:
www.redsdeli.com
Ausstellung (Link zur Unter-Website der Art Kreuzberg):
Ilou Hanke, Malerei
Vernissage: Freitag, 6. September 2019, 19 Uhr
Ausstellungszeit: auch während der Art Kreuzberg im September ’19 (6., 7. +8.9.)
Die Künstlerin Ilou Hanke findet man auf Facebook (Ilou H. Hanke).