Im Klischee ertrunkenes Agentenkino – Bolschoi-Ballerina zwischen Folter und Fotze

Red Sparrow.
Agentin 00Sex. Jennifer Lawrence in einer Szene des klebrigen Agentenfilm "Red Sparrow". © Twentieth Century Fox

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Selten so einen Sermon gehört. Ein unsägliches Geschwätz übers Geheimdienstliche, Gesellschaftliche und Geschlechtliche („magische Muschis“) im Allgemeinen und das Russische im Besonderen geistert durch einen Agentenstreifen wie Luis Trenker durch die Berge. Beides muss ich hier und heute nicht mehr haben.

Während das Sehen, Hören und Lesen von Trenkers Traktaten über die Berge möglicherweise bei Horst Seehofer Gefühle von Heimat entfachen und auch Flachlandtiroler feucht werden lassen, endet das Rüberholen russischer Agentenromantik in der Agitprop-Gosse Hollywoods.

Die Geschichte, die auf dem Buch “Operation Red Sparrow” des Autors Jason Matthews, der rund drei Jahrzehnte für die CIA arbeitete, beruht, ist in Sekunden erzählt. In Moskau verletzt sich die russische Primaballerina Dominika Egorova (gespielt von Jennifer Lawrence) auf der Bühne des Bolschoi-Theaters und kann fortan nicht mehr vortanzen, obwohl sie fürsorglich für Mutti, die unheilbar kränkelt, Geld verdienen möchte. Ihr wenig guter aber geiler Onkel Ivan ist, hurra, Vizedirektor des russischen Geheimdienstes SWR und großzügig. Dominika darf weiter Geld verdienen. Ivans Nichte lässt sich zur Domse umerziehen. Brust raus, Beine breit. Darauf reduziert sich das Sparrow-Programm einer griesgraugrämigen Puffmutter Oberstin hinter den Sieben Bergen des Urals. An dieser Stelle wäre eine Reminiszẹnz an Trenker richtig und wichtig gewesen. Oder auch nicht, wie so vieles an diesem Film über Schneewittchen Domse, den bösen Ivan und Vereinigte-Staaten-von-Amerika-Nate, der es nötig hat.

Fix und fertig sowie flott verpackt soll die einstige Bolschoi-Ballerina nämlich den CIA-Agenten Nate Nash (gespielt von Joel Edgerton) ins Bett und um Geheimnisse bringen. Befohlen, befolgt.

Red Sparrow
Jennifer Lawrence und Joel Edgerton in einer Szene des Films „Red Sparrow“ von Regisseur Francis Lawrence. © Twentieth Century Fox

Die Liebesgrüße aus Moskau kommen in Ungarn an und Agentin 00 Sex sowie die selten dämliche Handlung nehmen Fahrt auf. Die Geschichte, die einer sämigen Graupensuppe gleicht, schwankt nun zwischen Buda und Best, zwischen Folter und Fotze, bevor am Ende Lady Langbein übrig bleibt, um Richtung Russland zu entschweben.

Vielleicht holt Regisseur Francis Lawrence noch das Beste aus dem von Justin Haythe geschriebenen Drehbuch raus, doch das reicht nicht, um einer Geschichte voller absurder Anläufe, die im ewig Gestrigen ertrinken, zu retten.

Ohne Ton wie „Spione“ von Fritz Lang könnte man das, was wie gemacht für US-Amerikaner und EU-Unterschichten scheint, in Lichtspielhäusern noch ertragen. Die Dialoge sind selten dämlich und in kleinbritischer James-Bond-Manier, wie der ganze Sermon.

Wenn schon Bond-Verschnitt, dann Bond-Parodie. Wir empfehlen „00 Schneider – Jagd auf Nihil Baxter“ von und mit Helge Schneider, der mehrere Rollen spielte und mit Christoph Schlingensief Regie führte. Dialoge: vom Feinsten.

Filmografische Angaben

Originaltitel: Red Sparrow
Deutscher Titel: Red Sparrow
Land: Vereinigte Staaten von Amerika
Jahr: 2018
Regie: Francis Lawrence
Buch: Justin Haythe  basierend auf Jason Matthews‘ Buch „Operation Red Sparrow“
Musik: James Newton Howard
Kamera: Jo Willems
Schnitt: Alan Edward Bell
Darsteller: Jennifer Lawrence, Joel Edgerton, Matthias Schoenaerts, Charlotte Rampling, Mary-Louise Parker, Jeremy Irons, Joely Richardson, Ciarán Hinds, Thekla Reuten, Hugh Quarshie, Sakina Jaffrey, Douglas Hodge und Bill Camp
Produzenten: Peter Chernin, Steven Zaillian, Jenno Topping und David Ready
FSK: ab 16 Jahre

Anmerkung:

Vorstehender Beitrag von Ole Bolle wurde unter dem Titel Eine Bolschoi-Ballerina und ein CIA-Agent in einer Badeanstalt in Budapest oder Vorsicht vor dem Bond-Verschnitt „Red Sparrow“ im WELTEXPRESS am 30.3.2018 erstveröffentlicht.

Anzeige

Vorheriger ArtikelFotoreportage: Die Leiden der Eis-Rebellin in der Tragikkomödie „I, Tonya“
Nächster ArtikelFotoreportage zum Gothik-Gruselthriller „The Limehouse Golem“