Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Der deutsche Herbst wird vierzig und weiter kleckern die Bücher zur RAF-Thematik auf die Ladentheken der deutschen Buchhandlungen. In „Die blinden Flecken der RAF“ hält sich Kraushaar wohltuend an die Fakten und unterlässt semiliterarische Mutmaßungen und putzige Thesen, wie das Siemens, Gleichauf oder Peters in den letzten Monaten taten. Er konzentriert sich auf einige Punkte, die er systematisch beleuchtet: RAF und die Frauen, RAF und die Anwälte. Akribisch wird die Figur des Horst Mahler untersucht und der Ort der staatlichen Vergeltung, die JVA Stammheim seziert. Das RAF-Ende wird ebenso betont wie das Große Schweigen. Das Schweigen der RAF, das Schweigen von Otto Schily und Daniel Cohn-Bendit. Das Schweigen des Verfassungsschutzes und das Schweigen der Sicherheitsbehörden zu der wesentlichen Frage, wer alles in der Selbstmordnacht im Herbst 1977 live beim Selbstmord der Gefangenen zugeschaltet war. Kraushaar präsentiert die neueten Forschungsergebnisse zur Vorgeschichte der RAF, beschäftigt sich eingehend mit dem gesteuertem RAF-Bild der deutschen Öffentlichkeit, seziert die Vorgeschichte der RAF in der 68er Bewegung und der künstlerischen Avantgarde, lässt und das Bild der RAF in den Medien an uns Revue passieren. Er schreibt die RAF-Geschichte nicht neu, versucht aber, und das gelingt recht gut, ein paar ungeklärte Punkte aufzuzeigen. Ein anregendes Buch ist es allemal geworden.
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Wolfgang Kraushaar, Die blinden Flecken der RAF, 423 Seiten, Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2017, ISBN: 3-608-98140-7, Preis: 25 Euro (D)