115 Jahre KaDeWe – große Sause zum Jubiläum des Rekordkaufhauses mit 7 Etagen

Ein Blick aufs erleuchtete KaDeWe bei Nacht. © KaDeWe, Foto: Kristen Pelou

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). 115 Jahre KaDeWe – so schnell geht das. Das Kaufhaus des Westens, dessen Symbol das Schiff ist, kamen doch viele Waren aus Übersee, wurde 1907 eröffnet. Erschaffer Adolf Jandorf landete mit seiner Verschwörung einen Coup: Bis zur Eröffnung, der wahren Grand Opening ganz am Anfang, blieb das Vorhaben geheim und seine Beteiligung. Und das aus gutem Grund.

Die Kaufhauskönige – einer gründete das KaDeWe

Die Warenhauskönige dieser Zeit – einer Epoche, in der Deutschland florierte und als 1871 aus Preußen und dem Rest entstandenes Deutsches Reich neuerdings sogar Kolonien besaß, weshalb Kolonialwaren wie Kaffee, Kakao und Bananen auf der Tagesordnung und dem Einkaufszettel der Bürger standen – waren Wertheim, Hermann Tietz und Adolf Jandorf. Sie alle besaßen in der Reichshauptstadt mehrere Warenhäuser, was besser ist als Kaufhäuser. Ein Kaufhaus verhält sich zum Warenhaus etwa so wie Kuchen zur Torte.

Merken kann man sich das nach dem Alphabet, wer dort weiter gekommen ist, ist wertvoller. Oben stehen die drei übrigens sämtlich jüdischen Unternehmer in umgekehrt alphabetischer Reihenfolge. Jandorf war unter den dreien derjenige, der das preiswerteste Sortiment anbot. Dass er damit soweit kam, letztlich sogar das Kaufhaus des Westens zu gründen, obwohl die Waren billig waren, kann man vielleicht mit den Brüdern Albrecht von heute vergleichen. Mit Aldi Süd und Nord gehören beide zu den zehn reichsten Deutschen, obwohl in der zweiten Silbe das Wort Discount steckt.

Wer sich näher für den Einzelhändler Jandorf interessiert, dem sei Nils Busch-Petersens kleine Biographie mit etwa 80 Seiten empfohlen, erschienen in der Reihe „Jüdische Miniaturen“. Der Verfasser ist selbst im Handel tätig und stand der berufsständischen Organisation vor. Er weiß, wovon er schreibt und hat auch gute historische Kenntnisse, auch stadthistorische. Er weiß zu berichten, dass in der Leipziger Straße alle drei Könige (nicht die heiligen aus dem Morgenland) vertreten waren mit ihren Waren. Dazu zählte vielleicht auch Gold, Weihrauch und Myrrhe. Für das Gold war Wertheim zuständig, Tietz‘ Hertie vielleicht für den Weihrauch. Zwischen Leipziger Platz und Spittelmarkt konnte man fußläufig oder per Pferdestraßenbahn die Preise in den drei Häusern vergleichen.

Einzig Jandorfs Name ist heute fast unbekannt. Die Marke „KaDeWe“ glänzt dagegen wie Anfang der 20. Jahrhunderts. Es waren goldene Zeiten und es ist schade, dass wir von der Weiterentwicklung der Wirtschaft nie erfahren werden, denn der Krieg, den man damals Weltkrieg nannte, machte alles kaputt.

Warum Warenhäuser? Der Welterfolg hat einen Grund, sonst gäbe es heute immer noch überall nur kleine Läden

Wie schaffte es Adolf Jandorf, noch im Kaiserreich etwas zu gründen, was schon jetzt länger Bestand hat als das „tausendjährige Reich“, obwohl es viel früher gegründet wurde; was war das Erfolgsrezept, das zu „115 Jahre KaDeWe“ führen konnte?

Buchautor und Biograph Busch-Petersen weiß, wie die Warenhäuser es schafften, ihre Vorteile auszuspielen: Alles unter einem Dach! Kurzwaren, Weißwaren, Schuhwerk, Räucherwerk und Rauchwaren, Lebensmittel alias Kolonialwaren, Spirituosen und Konfitüre, Konfekt und Konfektionsware, Bekleidung und Uhren und Schmuck und und und …

Alteingesessene Einzelhändler, die im roten Rathaus Berlins durchaus eine starke Lobby hatten, drängten auf höhere Steuern für Warenhäuser, da sie angeblich den Handel kaputtmachten. Das belastete die Bilanz und schmälerte die Handelsspanne, hielt aber den Siegeszug des Konzepts „Warenhaus“ nicht auf. Die Berliner Käufer stimmten mit den Füßen ab; die kleinen Geschäften blieben aber. (Wie so oft: Die Schwarzmaler behielten unrecht, ihr Gebaren war lediglich zweckorientiert. Die Lobby malte den Untergang aller kleinen Läden an die Wand, wenn die Waren- und Kaufhäuser sich ausbreiteten.)

Das Kaufhaus des Westens setzte dem ganzen die Krone auf – 115 Jahre KaDeWe sind das Ergebnis eines wohldurchdachten Coups. Und Jandorf blieb dabei im Hintergrund, denn damals dachten die Berliner bei seinem Namen an Kaufhäuser mit günstiger Ware. Das KaDeWe sollte etwas anderes werden. Damit die Berliner und sonstigen Kunden aus Brandenburg und der Welt, die wussten, was Jandorf sonst verkauft, nicht auf eine falsche Fährte gelockt würden und entweder gar nicht gekommen wären oder mit falschen Erwartungen; kurz, damit das richtige Publikum angelockt würde, blieb bis zur Eröffnung Jandorfs Name geheim und wurde auch dann nicht an die große Glocke gehängt.

Ein guter Standort hilft immer. Kaufhäuserbeispiel Lüneburg

115 Jahre KaDeWe beweisen, wie Weitblick wohl auch das Wehwehweh überdauert. Viele Kaufhäuser in Deutschland, u.a. von Karl Kerber und Karstadt wurden an vielen Standorten geschlossen. Wirtschaftlichkeit und Weitblick bezüglich des Standorts helfen da weiter. Vielerorts bildet das Kaufhaus sogar einen Anker in der Innenstadt, nicht nur einen Arbeitgeber, sondern einen wichtigen Bezugsort, der nicht nur Versorgung bietet.

Beispiel Lüneburg: Das Kaufhaus Kerber in den Grapengießerstraße ist seit Jahrzehnten geschlossen, eine Aufteilung in kleinere Einheiten war nur ein letztes Aufbäumen. Kerber hatte etwa ein Dutzend Standorte in Norddeutschland und war nach heutigen Maßstäben „nicht groß genug“.

Karstadt hatte genug Filialen, um beim Einkauf bessere Margen für eine größere Handelsspanne auszuhandeln. Doch trotzdem musste das Sorgenkind vielerorts schließen – nicht in Lüneburg, denn der Standort am Marktplatz ist nicht nur nach wie vor profitabel, sondern liegt im wahrsten Sinne des Wortes mitten in der Stadt. Vom Sande mit allen Bussen geht fast jeder durch die Bäckerstraße zum Markt und Lüneburg wiederum ist für das gesamte Umland in alle Himmelsrichtungen in jeder Hinsicht das Zentrum. Auch für die Versorgung.

Konnte Jandorf in die Zukunft schauen? Auf 115 Jahre KaDeWe?

Ähnliche Weitsicht ließ Jandorf walten. Sein erstes Haus am Berliner Spittelmarkt geriet hinter den Eisernen Vorhang. Das KaDeWe ist nicht nur nah an Bus, U-, S- und Fernbahn, sondern im Westen, wo Wohlstand herrschte. Das galt für Charlottenburg und den Westen -und das KaDeWe blieb im Westen. Ab August 1961 noch vor Kennedys Besuch wurden Zoo, Gedächtniskirche und Kudamm sogar zum Zentrum West-Berlins, zur City-West. Am Kurfürstendamm wurde ein neuer U-Bahnhof eröffnet mit der ganz neuen Linie G (1966) – heute U9 – mit der man das neue Zentrum erreichen konnte, ohne unterirdisch durch die alte Stadtmitte zu müssen, die nun hinter der Mauer, dem Eisernen Vorhang, lag.

Zudem wurde mit dem KaDeWe etwas einzigartiges geschaffen. 2022-Sprech: „mit Alleinstellungsmerkmal“. So in die Zukunft zu schauen – besser hätte man es nicht machen können.

Wie geht es weiter in der Welt?

Ob das Haus auch die jüngsten und zukünftigen, teils künstlich geschaffenen Herausforderungen stemmen können wird, das kann und wird nur die Zukunft zeigen.

Wenig währende Währungen, Energiekrisen und Antivirusprogramme haben schon ganz andere Branchen und ganze Länder in die Knie gezwungen oder ihnen den Garaus gemacht. Der Ku’damm ist voll von geschlossenen Geschäften und Gaststätten. Dabei ist der Höhepunkt der Krisen noch gar nicht erreicht. Ein Dominoeffekt dürfte nicht nur zum Verzicht auf Dominosteine führen.

Wir wünschen uns, der Welt und dem Kaufhaus, dass es nicht bei 115 Jahre KaDeWe bleibe.

115 Jahre KaDeWe - was das an Luxus bedeutet, zeigt dieser in weiß und gold gehaltene Stand eines Pariser Luxusdesigners.
Christian Dior, ein beeindruckender Stand im KaDeWe. © KaDeWe, Foto: Kristen Pelau, Aufnahme: Berlin, 16.11.2022

Das große Charlottenburg, reichste Stadt Preußens, Standort des KaDeWe

Adolf Jandorf hat über die Jahre in besten Lagen etwa ein Dutzend Warenhäuser eröffnet, darunter in der Wilmersdorfer Ecke Pestalozzistraße, was unter anderem Namen und nach dem Krieg wiederaufgebaut bis heute existiert. Die Wilmersdorfer Straße lag in der Stadt Charlottenburg, der reichsten Preußens. Groß-Berlin wurde erst 1920 gegründet. 1907 war die Welt noch in Ordnung und Jandorf bewies den richtigen Riecher für gute Standorte allein in Charlottenburg mehrfach. Die Stadt rund um das Königsschloss, in dem Kaiser Wilhelm mehrfach nächtigte, lag im Westen und war in vielen Bereichen erfolgreich.

Das riesige Jugendstil-Rathaus, das bis an die Berliner Straße – heute Otto-Suhr-Allee – heranreichte und dessen starker Turm 1943 sogar einem direkten Bombentreffer standhielt, wurde pünktlich zum 200jährigen Jubiläum der Stadt 1905 nach Plänen der Architekten Heinrich Reinhardt und Georg Süßenguth fertig. Seit 1899 wurde daran gewerkelt. Das erforderte viel Geld, eine gute Planung und Bauleiter für eine gute Durchführung. Damals funktionierte Deutschland noch.

Sogar dem Kaiser bot die Stadt, die der Industrie diktieren konnte, sich nur an ihrem Rande anzusiedeln, Paroli. Das zwei Jahre vor dem KaDeWe errichtete Rathaus ist ein Meisterwerk. Geplant war ein 88 Meter hoher Turm. Da dieser die in Sichtweite befindliche Kuppel des Charlottenburger Schlosses mit der goldenen Fortuna obenauf erheblich überragen würde, versuchte der preußische König und in Personalunion deutsche Kaiser, ein Veto einzulegen, das ihm nicht zustand. Der Turm wurde unbeirrt gebaut. Die Stadtherren kuschten nicht vor dem Reichsherrn, sondern bewiesen Zivilcourage.

Wilhelm grollte wie einst Bismarck nach der Absetzung als Reichskanzler und zog Konsequenzen. Er fuhr nun fortan einen Umweg über Schloß- und Bismarckstraße zum Knie (heute Ernst-Reuter-Platz), statt auf dem direkten Weg am Rathaus vorbei zu seiner nächstgelegenen Residenz, dem Berliner Schloss.

115 Jahre KaDeWe – aber warum Kaufhaus „des Westens“?

Das alles ist gut zu wissen, um den Namen des Kaufhauses des Westens zu verstehen. Denn das Kaufhaus lag ja NICHT im Westen Berlins, sondern in Bestlage der Stadt Charlottenburg. Dabei berücksichtigte Jandorf die Lage direkt am Untergrundbahnhof Wittenbergplatz mit den Linien 1, 2 und 3, mehreren Straßenbahnen und Omnibuslinien. Er wusste, was er tat und hatte ein Händchen dafür.

„Der Westen“ war zu dieser Zeit ein feststehender Begriff. Es gab sogar eine wichtige Tageszeitung desselben Namens, die 1945 mit dem Deutschen Reich unterging. Während heute eine gewisse Wertegemeinschaft damit gemeint ist, die in West- und Mitteleuropa und westlich davon in Nordamerika angesiedelt ist – geographisch eine wenig taugliche Bezeichnung, da ja u.a. auch Japan, die Republik Korea und die Republik China auf Taiwan dazugehören – war im Deutschen Reich und vor allem im Berliner Raum etwas ganz anderes gemeint. Zwar verband sich mit dem „Westen“ oder dem „Neuen Westen“ auch ein Verständnis von Fortschritt und Reichtum. Sogar die Luft war im Westen besser, aber das ist ja bei der vorherrschenden Windrichtung auch kein Wunder.

Nein, auch in der Kunst usw. war der „Neue Westen“ ein Begriff. Der „Westen“ mit dem in der Stadt Charlottenburg gelegenen Kurfürstendamm war „in“, hip, in Mode. Hier waren die Cafés, wo man gern hinging, hier gab es viele auch internationale Zeitungen. Handel und Wandel. Die Nationalsozialisten bekamen hier in den 30er Jahren nicht so schnell ein Bein an die Erde wie anderswo.

Der 1. Oktober, ein Tag, der Eurasien veränderte

Doch 1919 und 1920 hatten in der Reichshauptstadt und im ganzen Deutschen Reich erstmal die SPD und ihre Verbündeten das Sagen. Groß-Berlin war ihr Projekt. Man konnte die Charlottenburger Steuereinnahmen nach Berlin kanalisieren und vieles mehr. Im Gegensatz zu City of London und Greater London handelte es sich bei Groß-Berlin um eine Stadt. Gründung am 1. Oktober 1920. 29 Jahre später wurde übrigens das kommunistische China in Peking ausgerufen, der Geburtstag ist eine Gemeinsamkeit. Allerdings hat sich der Name Groß-Berlin nicht gehalten (im Gegensatz zur Bezeichnung „Volksrepublik China“), obwohl er immer noch korrekt ist und auch das geschichtliche Verständnis befördert. Wer heute einen Stadtplan kauft, erwirbt einen Plan von „Berlin“. Wenn die Stadt ganz darauf ist, zeigt er de facto Groß-Berlin.

Feier aus Anlass 115 Jahre KaDeWe mit Tanz im 7. Stockunter dem Dach des Kaufhauses.
Tanz auf dem Dach des KaDeWe über dem Breitscheidplatz. © KaDeWe, Foto: Franziska Krug, Aufnahme: Berlin, 16.11.2022

115 Jahre KaDeWe – Jubiläum diesmal nicht in Buchform gewürdigt

Zum 200jährigen Bestehen der Stadt Charlottenburg erschien ein Werk, das man getrost ein Standardwerk nennen kann. Es erschien pünktlich zum Stadtjubiläum 1905 und ist zweibändig. Gewissermaßen für je 100 Jahre ein Band, obwohl das inhaltlich natürlich nicht so abgebildet ist. Das KaDeWe sucht man dort umsonst. Es entstand zwar in Charlottenburg, wurde aber erst zwei Jahre später fertig.

Zum Charlottenburg-Schöneberg-„Widerspruch“ weiter unten. Das Rätsel lösen wir dort auf.

115 Jahre KaDeWe ist zwar eine runde Zahl. Immerhin durch 5 teilbar. Aber doch nicht so rund, dass eine Monographie erschiene. Allerdings gab es zum Hundertsten ein 168 Seiten starkes und 23 cm hohes Leinen-„Büchlein“. Herr Busch-Petersen schrieb übrigens auch das Vorwort zu Antonia Meiners‘ vergriffenem Buch „100 Jahre KaDeWe“. Wann das erschien, kann sich jeder selbst ausrechnen (1907 + 100 oder 2022 – 15).

Liegt das KaDeWe nun in Schöneberg oder Charlottenburg?

Das KaDeWe wurde, wie gesagt, 1907 in der Stadt Charlottenburg gegründet, einer Industrie- und Residenzstadt mit in der Spitze 345.000 Einwohnern. 1920 wurde sie eingemeindet und mit Berlin, Schöneberg, Wilmersdorf, Spandau, Lichtenberg und anderen Städten und Gemeinden zu Groß-Berlin geformt. So wie Indien im Commonwealth als „Juwel der Krone“ bezeichnet wird, könnte man die Stadt Charlottenburg, die dann mit der Zeit berlinerischer wurde, als „Juwel Groß-Berlins“ bezeichnen. Als Charlottenburger Bürger konnte man stolz sein. Die Selbstverwaltung war vorbildlich und ist bis heute in Deutschland unerreicht geblieben. Wer sich mit den Einzelheiten beschäftigt, kann regelrecht ins Schwärmen kommen.

So war zum Beispiel die große Hauptbibliothek in der Wilmersdorfer Straße 166-67 (Ecke Brauhausstraße) für alle zugänglich und ab früh morgens bis etwa 22 Uhr geöffnet. Das war in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich und trug stark zur Bildung bei. (Internet gab es ja nicht.) Der Besuch von Büchereien war sonst eher beschränkt, so brauchte man dazu häufig Empfehlungsschreiben. Leider ist das Gebäude wie viele andere Charlottenburger Häuser und Villen 1943/44 zerbombt worden. Nicht nur aus architektonischer Sicht ein großer Verlust.

Doch zunächst verlor Charlottenburg die Eigenständigkeit. Das war ein Einschnitt. Besser wurde es in Charlottenburg dadurch nicht.

Eine Torte, mit der 115 Jahre KaDeWe gefeiert wurden. Das KaDeWe ist das größte Kaufhaus Deutschlands, auf jeden Falls Berlins.
Eine tolle Torte zu 115 Jahre KaDeWe. © KaDeWe, Foto: Isa Foltin, Aufnahme: Berlin, 16.11.2022

115 Jahre KaDeWe – 31 Jahre in Charlottenburg, der Rest in Berlin-Schöneberg

Charlottenburg existierte also von 1705-1920 als Stadt. Eine barocke Gründung, wo der König selbst der Bürgermeister war und ein rechtwinkliges Straßenmuster wie in Neu-Amsterdam/ New York ein Symbol war. Seit 1920-2001 gab es den Bezirk Charlottenburg, einer von 20, durch DDR-Neugründungen zur Zeit der Teilung der Stadt und Mauer einer von 23. Seit 2001 ist Charlottenburg ein Ortsteil im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf.

Und das KadeWe? Da man jetzt schon 115 Jahre KaDeWe feiert, ist das Ganze mit der Weimarer Republik und dem Dritten Reich etwas komplizierter. Auch wenn das Kaufhaus am Anfang in Charlottenburg war, egal ob in der Stadt oder später im Stadtbezirk Berlins gleichen Namens. Denn Reichskanzler Hitler beeinflusste nicht nur das Deutsche Reich und seine Bewohner. Er hatte auch ein besonderes Augenmerk auf die Reichshauptstadt. Zum einen wurden ab 1933 viele Straßen umbenannt, so auch in Charlottenburg. Zum Beispiel in der Altstadt einige Straßen, die die Wilmersdorfer kreuzten.

Doch auch die Aufteilung der gerade 1920 erst neu zugeschnittenen Bezirke wurde verändert. So wechselte Eichkamp zwischen Wilmersdorf und Charlottenburg.

Die 1936 inzwischen ehemalige Stadt Charlottenburg wurde beschnitten. Die Lützowstraße und der Lützowplatz erinnern an das Dorf Lietze, das 1720 der Stadt Charlottenburg zugeschlagen wurde. Die Stadt Ch. reichte also bis zum Landwehrkanal und grenzte im Osten an die Stadt Berlin – bis 1920. Dann wurde Berlin in 6 Bezirke aufgeteilt, die dann zu Groß-Berlin gehörten zusammen mit 14 weiteren, von denen einer, der wichtigste, Charlottenburg war. Das drückt sich auch in der Ordnungsnummer aus. Während Wedding, Mitte, Kreuzberg und Tiergarten und zwei weitere Bezirke, die Teile Berlins, die Ordnungsnummern 1-6 (von Groß-Berlin) erhielten, wurde Charlottenburg gleich die nächste Nummer, die 7 zugewiesen. Dafür gibt es keinen geographischen Grund, das war ein inhaltlicher.

Charlottenburg ist nicht mehr so groß, wie es war

Die Stadt Charlottenburg war aufgrund ihrer Größe und Einwohnerzahl auch in Stadtviertel aufgeteilt gewesen. Östlich des Wittenbergplatzes und südlich des eben erwähnten Kanals lag das Kielganviertel. Es reichte bis zum Nollendorfplatz noch östlich der Urania. An der „Nolle“ trafen Berlin, Schöneberg und Charlottenburg zusammen. (Vergleiche Kästners Roman „Emil und die Detektive“.) Leicht zu merken und gut zu sehen ist das an der U-Bahn, von der es dort 3 Linien gibt.

Die aus Berlin vom Schlesischen Tor kommende häßliche Hochbahn musste nämlich in Charlottenburg im Untergrund verschwinden. Das war zwar teurer, aber das zahlten die Charlottenburger Stadtväter gern, damit der Stahl keinen Schatten warf und einen krassen Gegensatz zu den Villen des Kielganviertels bildete, die bis zum Bombenkrieg der 40er Jahre noch standen. Vereinzelt findet man noch alte Bauwerke in der Nähe, so das Cafe Einstein in der Kurfürstenstraße oder das benachbarte Standesamt Tiergarten. Der Gesamtcharakter ist aber durch die Neubauten auf den Trümmern gewichen. Die autogerechte Stadt der 60er besorgte an der Urania den Rest. Da in der Innenstadt bis zu 80% der Häuser zerstört waren, ist verständlich, dass zum Beispiel das Hotelviertel nördlich des KaDeWe die ersten 40 Jahre ganz anders aussah.

1938 verlor dann Charlottenburg das Kielganviertel mit Nollendorfplatz und sogar den Wittenbergplatz mit seinem mittig gelegenen Bahnhof der U-Bahn-Linien 1, 2 und 3. Im Nationalsozialismus wurde die Grenze zwischen Schöneberg und Charlottenburg, die ja keine Städte mehr, sondern nur noch Bezirke waren, neu festgelegt. Die neue Grenze ist die Nürnberger Straße, die den Tauentzien dort kreuzt, wo der berüchtigte Raserunfall stattfand, seitdem rasen in der Stadt als Mord gelten kann. Auch die an der Nürnberger liegende Reichsbank, in dessen Tresorkeller man später Wein trinken konnte, liegt nun in Schöneberg, da auf der Ostseite der Straße.

Kurz etwas über die Stadt Schöneberg, Berlin-Schöneberg und den Bezirk, in dem das KadeWe heute liegt

Schöneberg konnte sein lang ersehntes Stadtrecht übrigens nur kurze Zeit genießen. Am 1. April 1898 gegründet – kein Scherz – war es mit der Eigenverwaltung durch den Zweckverband Groß-Berlin 1912 teilweise und mit der neuen Stadt Berlin endgültig Schluss. Die Stadt hieß nur 14 Jahre lang Schöneberg. Dafür hat Berlin-Schöneberg nun das KaDeWe. Aber noch keine hundert Jahre.

Den damaligen Reichtum Schönebergs zeigt das Rathaus. Nach Aufteilung der Stadt 1945 in vier Sektoren lag das rote im sowjetischen Sektor. West-Berlin wurde Untermieter im Schöneberger Rathaus, das fortan dem Bezirk und dem „Freien Berlin“ diente. Die Freiheitsglocke erinnert daran. John F. Kennedy hielt denn auch in Schöneberg als US-Präsident seine berühmte Rede „… ich bin ein Berliner“.

Groß-Berlin – Vereinigung von Berlin, Charlottenburg, Schöneberg usw. – zweitgrößte Stadt der Welt

Nur um zu verdeutlichen, was da im letzten Jahrzehnt des Kaiserreiches und im ersten der Weimarer Republik geschaffen wurde – beide hören übrigens auf denselben Namen „Deutsches Reich“ – hier zwei Vergleiche: Bei Gründung war Groß-Berlin nach Los Angeles nach Ausdehnung die größte Stadt der Welt. Die größte wurde übrigens 1781 gegründet am 4. September und ist damit 76 Jahre jünger als Charlottenburg, was ja schon keine alte deutsche Stadt ist. Sogar die anderen Städte, aus denen Groß-Berlin gezimmert wurde, wie Spandau (älter als Berlin) und Köpenick bringen es eher auf 800 Jahre im Gegensatz zu Charlottenburg, das 2022 gerade mal seinen 317. Geburtstag feierte. „Die Engel“, was L.A. bedeutet, sind übrigens Partnerstadt. Am KaDeWe-nahen Los-Angeles-Platz steht ein Pfahl mit Entfernungsangabe. Mit 3,9 Millionen Einwohnern ist La La Land (= L.A.) in den Vereinigten Staaten an 2. Stelle noch vor Chicago. (NYC = Nr.1.)

Nach Einwohnern war Groß-Berlin die Nummer 3 auf der Welt nach London und New York City. Es gab 3,8 Millionen Berliner. Bis 1942 wurden es mehr als 4.444.000 Menschen, fast viereinhalb Millionen. Auf Charlottenburg entfielen von der Steigerung etwa 45.000 (von 300.000 auf 345.000). (Größter Gesamtzuwachs Groß-Berlins knapp 700.000.)

Weitere Einzelheiten hier.

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