Völklingen, Deutschland (Kulturexpresso). „Die Urban Art Biennale in der Völklinger Hütte ist eine Erfolgsgeschichte, seit wir sie 2011 ins Leben riefen, eigentlich als einmaliges Ereignis gedacht“, teilt Generaldirektor Prof. Dr. Meinrad M. Grewenig mit. „Als sich sehr versierte, meist junge, englischsprachige 60.000 Kenner der Szene aus aller Welt zeigten, beschlossen wir die Fortführung“, lässt er uns weiter wissen.
Mittlerweile besuchten mehr als 400.000 Besucher die Biennalen und auch die Fünfte scheint in der Völklinger Hütte, die UNESCO-Weltkulturerbe ist, gut zu laufen.
„Urban Art ist die Kunst des 21. Jahrhunderts, fährt er auf der Pressekonferenz mit anschließender Führung fort, „wer sich dem verschließt, ist an der Zeit vorbeigegangen.“ In der Tat zeigen sich während der Führung durch den Kurator Frank Krämer auf dem großen Industriegelände äußerst kreative Kunstwerke von hoher Qualität von 100 Künstlern aus 4 Kontinenten wie Cope2 (USA), Dran (Frankreich), Frau Isa (Österreich), Liu Bolin (China), Katre (F), Mambo (USA/Chile), Mentalgassi (D), Tec (Argentinien), Aya Rarek (Ägypten). Was einst als Graffity-Sprühdosenkunst auf Häuserwänden startete, ist spätestens seit Banksys millionenschwerem „kaputten“ Kunstwerks, ein Bild vom Mädchen mit dem Ballon wurde auf einer Versteigerung in London geschreddert, auch den Konservativsten ein Begriff geworden. Längst ist diese Art von Stadtkunst etabliert und gesellschaftsfähig.
Die Künster haben sich auch im Laufe der Jahre qualitativ weiterentwickelt, wie sich zum Beispiel an einer Variation des „Le déjeuner sur l’herbe“ von Monet von Jean Faucheur zeigt. Der Pionier der ungenehmigten Kunstintervention im öffentlichen Raum Frankreichs kombiniert mit Spraydose auf bedrucktem Papier die Techniken des Graffiti und des Pointilismus.
Auch einige wenige Frauen werden ausgestellt, darunter Miss Van, die sich Ihren Platz in der Männerdomäne gesichert hat. Vanessa Alice Bensimon wird als eine der besten female painters der internationalen Graffitiszene bezeichnet. Sie hat sich über Street Art zu Atelierpraxis hin entwickelt.
Ein breites qualitativ hochwertiges Spektrum von Motiven ist zu sehen: Comic-Interpretationen, Sozialkritik von des Norwegers „Pøbel“ (norw. für Hooligan), der mit seinem „Portrait of a pipe-smoking fisherman“ auf den Untergang der Fischerkultur hinweisen will. Durch die Privatisierung der Fischrechte sind Lebensgrundlagen vernichtet worden.
Bei „Mardi Noir“, Jean Baudrillar, dreht sich vieles um „Signalethique“ (die Wissenschaft der Signalgebung). Die falsche Übersetzung Signalethik trifft jedoch eher den Kern seiner Botschaft. Wie eine Ansammlung verwitterter alter Plakate soll sein Werk auf die Vergänglichkeit von Autoritäten hinweisen.
Der Berliner „Rocco und seine Brüder“ sind mit Interventionen in der Berliner U-Bahn bekannt worden. Eine Installation aus Glasfenstern (geklaut in der Berliner U-bahn) die die Bildsprache dieser mit der Bildsprache von Kathedralen verbindet „Only God Forgives“.
Die Vielfältigkeit dieser phantastischen Kunstwerke zu entdecken erfordert viel Zeit – über das ganze Industriegelände sind sie verstreut zu finden.
Die international Bewegung des „Style Writing“ (Graffiti Writing) hat auch die arabische Welt erobert. Die arabische Schrift-Kalligraphie bietet mehr Möglichkeiten im Graffity-Style als die lateinische Schrift, da sie in allen arabisch-sprechenden Ländern verstanden wird. Auch hier zeigt die Biennale-Werke z.B. des Beiruter Libanesen Ghabel Awila. Dieser studierte Grafikdesign und klassische arabische Kalligraphie und verschrieb sich dieser Kunstform. Geometrische Konstruktion und ausdrucksstarke Handschrift machen traditionell die Basis des Writing aus – was einen Zusammenhang mit Urban Art bildet.
„Ein Schwerpunkt sind der Libanon und Ägypten“, erklärt der Kurator Frank Krämer beim Rundgang, „als Hinweis auf die am 18. Mai 2019 beginnende Ausstellung „PharaonenGold“ über 3000 Jahre altägyptische Hochkultur.
Am Ende fügt der “Bananensprayer” Thomas Baumgärtel noch ein hochaktuelles Werk mit “Brexit. Stay with us“ bei. In dem sprühte er Queen Elisabeth II eine Bananenkrone auf und staffierte sie mit einem blauen Auge aus. Schau’n wir mal, ob wir alle mit einem blauen Auge davon kommen in Bezug auf den Brexit.
Bei der Biennale-Eröffnung am 14. April 2019 wird neben Urban-Art-Tanzperformances von OSMOSIS der madrilenische Urban-Art-Künstler SpY die stillgelegten Schornsteine des Industriekulturerbes, die ehedem die gesamte Umgebung vergifteten, in einer pyrotechnischen Performance rosaroten Rauch spucken lassen, als Zeichen für….? Alles rosarote Wolken?
„Unlimited“ heißt die Biennale, weil sie in unendlich vielen Kunst-Kooperationen agiert, wie „Le Mur“ (Paris) und „Fluctuart“ – das neueste auf der Seine schwimmende UrbanArt-Projekt in Paris sowie dem Urban-Art-Museum Mausa Vauban im elsässischen Neuf-Brisach in der Weltkulturerbe-Festung Vauban sowie „The House“ in Berlin sowie weiteren begleitenden Partnerprojekten z. B. im Europäischen Kulturpark Bliesbruck-Reinheim.
Die 5. Urban Art Biennale Unlimited ist noch bis zum 3. November 2019 zu sehen.