90 Jahre Posaunenchor Büchen – Auftritt am Volkstrauertag

Drei Häuser des Architekten Heinrich Straumer in Berlin-Frohnau.
Drei Straumer-Häuser in Frohnau: An der Buche. Bildmitte: Die Buche. © 2018, BU/ Foto: Andreas Hagemoser

Büchen/ Lüneburg, Deutschland, (Kulturexpresso). 90 Jahre Posaunenchor Büchen 1933-2023 – wenn das kein Grund zum Feiern ist! Der nächste Auftritt ist am Sonntag, den 19.11.23 am Weltkriegsdenkmal Hellberg um 11.15 Uhr im Rahmen einer Andacht am Volkstrauertag mit dem Pastor. Der Zeitpunkt ist leicht erklärt: Nach dem Gottesdienst in der Büchener Kirche. Eine Andacht am Trauertag gibt es auch um 9 Uhr in Witzeeze und nach der Andacht am Hellberg um 12:30 Uhr in Fitzen. Solche Denkmale und Gedenksteine gibt es fast überall in Deutschland. Das Deutsche Reich lag ja in der Mitte Europas und Eroberer kamen weder daran vorbei noch drum herum. Als Napoleon nach Moskau wollte, musste er erstmal durch Westdeutschland, dann Charlottenburg und Berlin besetzen, weiter von West nach Ost.

Im Russlandfeldzug des 6. Koalitionskriegs kämpften Frankreich und 14 Verbündete gegen Russland und Schweden. Russland gewann. Der russische Sieg führte zu Napoleons Ende (Abdankung). Auf dem Rückweg wurde wieder in Deutschland gekämpft (in Preußen etc.).

Heute erinnern wir uns meist nicht an die Befreiungskriege, sondern an die verwandten Väter, Onkel und Großväter, die im Ersten und Zweiten Weltkrieg fielen. Der endete in Europa in Schleswig-Holstein, wo es noch Truppen gab. In den letzten Kämpfen vor der Kapitulation stießen die Engländer nach Norden auf den Bahnhof Büchen vor. Da sieht man mal, wie wichtig der war (und ist). Immerhin verbindet die Strecke Hamburg-Berlin die zwei größten deutschen Städte. Das war auch damals so: Berlin war am größten, dann Hamburg, dann Breslau. Zudem gab es ja noch die wichtige, schon am 16. Oktober 1851 eröffnete Linie Lüneburg-Lübeck zum Ostseehafen.

Warum finden die Andachten in Witzeeze und am Hellberg statt?

Am 26.April 1945 bombardierten die Briten den Büchener Bahnhof. Witzeeze, der Ort südlich von Büchen, wurde am Morgen des 1. Mai genommen. Dann kamen die britischen Truppen in den Wald am Hellberg. Beim schweren Gefecht um den Bahnhof starben nicht nur viele Menschen, sondern wurden auch viele Häuser zerstört. Am Nachmittag wurde Pötrau, am Abend der Büchener Bahnhof eingenommen. Fast 170 deutsche Soldaten überlebten und gingen in Kriegsgefangenschaft. Kleinere Kämpfe gab es nördlich davon, in Müssen und Siebeneichen, auch ein letztes Panzergefecht bei Sahms. Am 2. Mai gelangten die Briten über Siebeneichen nach Roseburg, woraufhin die Reichsregierung aus dem etwa 70 Kilometer weiter nördlich entfernten Raum Eutin/ Plön nach Flensburg floh. Am 3. Mai marschierten die Briten im 30 Kilometer westlich gelegenen Hamburg ein. Wichtige Nachschublinien waren ja unterbrochen worden. Am 4. Mai: Kapitulation aller deutschen Truppen im Westen und Norden.

90 Jahre Posaunenchor Büchen

Ein Chor oder Orchester möchte als Ensemble naturgemäß auch auftreten. Man will die zeitintensive Arbeit – Übung macht den Meister – gekrönt sehen. Dafür braucht man aber auch Auftrittsmöglichkeiten. Räume, die die meiste Zeit leerstehen, bieten die Kirchen. Deshalb gibt es bei Chören naturgemäß ein gutes Verhältnis zur Kirche. Eine Hand wäscht die andere. Denglisch: Eine Win-win-Situation. Mehr dazu im letzten Absatz.

Das Gründungsjahr 1933 ist aus dem Geschichtsbuch in Erinnerung als das Jahr, in dem die „Weimarer Republik“ eigentlich endet, das Deutsche Reich aber nicht.

90 Jahre Posaunenchor Büchen bedeutet, dass er auch in 50er Jahren wirkte. Aus unserer begrenzten Sicht war das die Hochzeit des Ensembles.

Jeder ankommende Zug mit Spätaussiedlern wurden vom Posaunenchor begrüßt. Zu jeder Tages- und Nachtzeit!

Die Freundlichkeit der Büchener und vieler ehrenamtlicher Helfer wurde von den von weither und für immer Ankommenden immer wieder hervorgehoben.

Zurecht weist ein Gedenkstein am Bahnhof neben der Wartehalle auf diese Episode hin.

Die Inschrift lautet: „Büchen – Tor zur Freiheit 1955-1959“.

Zum Beitragsbild mit der Buche, die nicht in Büchen steht, sondern in Berlin

Das Bild zeigt eine Buche. Der Name der heutigen 6617-Einwohner-Gemeinde Büchen geht auf die Ersterwähnung 1230 zurück. 2030 werden die Büchener also groß feiern wollen – eine 800-Jahr-Feier.

Zum Vergleich: Lüneburg wurde 956 erwähnt, 1956 1000 Jahre alt und dieses Jahr 1067. Lüneburg ist 38 Straßenkilometer entfernt, das sind 44 Autominuten. Mit der Bahn sind es nur 23 Minuten. Das liegt daran, dass der Weg durch die Ostheide und das Elbvorland in Niedersachsen beiderseits des Elbe-Seiten-Kanals östlich der Ilmenau recht sumpfig ist und manchmal überschwemmt. Jedenfalls gibt es nur wenige Straßen. Aber einen Bahndamm über Echem. Büchens Alter ist eher mit Oem zu vergleichen, einem Lüneburger Stadtteil, der 1974 eingemeindet wurde. 1205 gegründet, gab es 2005 eine 800-Jahr-Feier.

Im Jahr 800 verlief der Limes Saxoniae, der Sachsenwall, bei Büchen. Genauer: in der Nähe des Dorfes, das heute Büchen-Dorf genannt wird.

Boken gleich Büchen bedeutet Buche

Beim Groß-Hamburg-Gesetz 1937 schuf man ja aus mehreren Dörfern – Pötrau südlich der Steinau, Nüssau nördlich und Büchen an der Delvenau, in die die Steinau mündet – das neue Büchen. Heute erinnert daran fast nur noch, dass es drei verschiedene Ortsfeuerwehren in den ehemaligen drei Dörfern gibt. In den 60ern Jahren, wie Archivar und Ortschronist Dr. Heinz Bohlmann jüngst vortrug, versuchten Lokalpolitiker, die Feuerwehren zu vereinen – ergebnislos. Man stieß zurecht auf starken Widerstand.

Das „Problem“ war Büchen-Bahnhof. Die Siedlung am Kreuzungsbahnhof war inzwischen größer als Büchen selbst. So wurden die drei bzw. vier genannten Siedlungskerne zwangsvereinigt. Büchen-Bahnhof wurde Büchen genannt, Büchen hieß fortan Büchen-Dorf – bis heute. In einer Wetterapp steht nur „Dorf“. So entstand 1937 ein Bezeichnungsdurcheinander.

Das heutige Büchen – „Büchen-Dorf“ – in dem die Kirche steht und die Priesterkate von 1649 und durch das die Straße nach Gudow verläuft, wurde wie gesagt 1230 erstmals erwähnt. Das Ratzeburger Register der Zehnten führt es auf – es ging, wie immer, um Geld.

Diese Ersterwähnung geschah unter dem Namen BOKEN. Ob das althochdeutsch oder niederdeutsch ist, wissen wir nicht, denn wir sind keine Germanisten. Es bedeutet jedenfalls Buche.

Deshalb das Bild von einer Buche in der kalten Jahreszeit.

90 Jahre Posaunenchor Büchen – schön und gut, aber was ist ein Posaunenchor?

Ein Ensemble aus Blechblasinstrumenten. Der Posaunenchor heißt so, weil er früher nur aus Posaunen bestand. Saunen gibt es in Deutschland vielleicht 20.000-30.000, davon über 10.000 öffentliche, die weltweit höchste Zahl, ein Rekord. Posaunenchöre gibt es fast 7000 allein im Dachverband des Evangelischen Posaunendienstes in Deutschland (EPiD). Der Verein vertritt etwa 100.000 Musiker (Bläser). Hätten Sie das gedacht?

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