Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Olivia Colman. Schon wieder Großbritannien! Ein Wechselbad der Gefühle. Werden wir, die „Festlandeuropäer“, die nicht auf einer Insel wohnen – Helgoland, Rügen und die Mainau jetzt mal außen vor – bald alleingelassen? Läuft alles nach Plan? Oder werden Engländer und Deutsche verlieren und mit ihnen Luxemburger und Franzosen? Werden die Schotten bald noch mehr sparen müssen, obwohl sie in der EU hatten bleiben wollen?
Auch im Film ist England zurzeit Thema. Auch Schottland. Mit „Mary, Queen of Scots“ – deutscher Titel „Maria Stuart, Königin von Schottland“ – mit Saoirse Ronan in der Hauptrolle und Margot Robbie als Königin von England haben wir endlich ein Werk der Kunst, das die neuen Forschungsergebnisse berückichtigt. Alle Theaterstücke und Spielfilme bisher gingen teilweise von falschen Voraussetzungen aus. Obendrein verfolgen wir nach Maria Stuarts Tod 1587 den Beginn der Phase, in der es nur noch eine Königin beziehungsweise einen König für England und Schottand gab, dann für Großbritannien (die ganze große Insel) und heute für das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland. Margot Robbie verkörpert Marys Gegenspielerin Elisabeth I. Heute regiert Elisabeth II.
Dazwischen gab es viele andere, zum Beispiel Queen Victoria, die das 19. Jahrhundert beherrschte und leider die Trennung des hannoverschen Throns vom britischen markiert. Nach welfischem Thronfolgerecht durfte keine Frau den Thron im Kurfürstentum Lüneburg-Braunschweig und dann im Königreich Hannover besteigen. Im Ersten Weltkrieg rächte sich diese Regelung, die Frauen außen vor ließ, bitter und zerstörte das Deutsche Reich fast vollends. Unter einem Monarchen hätten sich Hannover und Großbritannien nie bekämpfen können.
Olivia Colman – zum erstenmal nominiert, sofort gewonnen
Olivia Colman wurde als Beste Darstellerin nominiert. Sie spielte Königin Anne (Queen Anne) in Giorgos Lanthimos‘ „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“, so der deutsche Titel. Anne Stuart wurde 1665 geboren. Der Film aus dem Jahr 2018 beschäftigte sich mit der letzten britischen Königin des Hauses Stuart. Der Familienname ist uns aus dem 16. Jahrhundert sehr gewärtig. Queen Anne starb am 1. August 1714. Sie war seit 1702 bis zu ihrem Tode Königin von Irland und gleichzeitig Königin der Königreiche England und Schottland. Als diese beiden 1707 vereinigt wurden, bestieg sie als erste den Thron des Königreiches Großbritannien.
Zur Erinnerung: Im Barock passierte in Preußen zeitgleich Folgendes: Kurfürst Friedrich II. von Brandenburg krönte erst sich und dann seine Frau Sophie Charlotte, Tochter des Kurfürsten von Lüneburg-Braunschweig, zum 1. König in Preußen. Das geschah in Preußen, einem Herzogtum an der Ostsee, einem Territorium, das später als Ostpreußen bekannt wurde. Genauer in Königsberg in Preußen, meist Königsberg i. Pr. abgekürzt. Die Bezeichnung Ostpreußen ist also in gewissen Sinne irreführend. Sophie Charlotte starb 1705. König Friedrich I. gründete ihr zu Ehren die Stadt Charlottenburg und starb selbst 1713 noch vor Königin Anne von Großbritannien.
Im Film ist Königin Anne durch die spanischen Erbfolgekriege belastet und leidet selbst stark unter der Gicht. Ihr engste Beraterin und Vertraute ist Sarah Churchill, Herzogin von Marlborough (1660-1744), dargestellt von Rachel Weisz. Churchill führt Abigail Masham, eine verarmte Cousine (Emma Stone), bei Hofe ein, die letztlich mit einigen Schachzügen und Intrigen sogar ihre Gönnerin Sarah Churchill aussticht. Zurück bleiben drei unglückliche Frauen.
Echte Überraschung bei der Oscarverleihung – Olivia Colman spielte dabei nicht
Bei den Academy Awards ist meist entscheidend, gegen welche Konkurrenz man antritt. In den wichtigen personenbezogenen Kategorien gibt es meist 5 Alternativen. Der beste Film dagegen wird unter 8 Streifen ausgewählt.
Wer waren die vier Konkurentinnen von Olivia Colman? Glenn Close („THE WIFE“) wurde im Vorfeld bisweilen als Favoritin genannt, da sie schon oft nominiert wurde, aber nie eine Trophäe erhielt.
Hier im Überblick die Nichtgewinnerinnen in der Kategorie „Beste weibliche Hauptrolle“ („Beste Hauptdarstellerin“):
Yalitza Aparicio in „Roma“, der Film wurde als bester fremdsprachiger gekürt und Regisseur Cuaron räumte zwei weitere Oscars ab.
Glenn Close – „Die Frau des Nobelpreisträgers (The Wife)“;
Lady Gaga – „A Star Is Born“ – Hier ging Filmpartner Bradley Cooper leer aus und Lady Gaga gewann einen musikalischen Preis für den „Besten Filmsong“.
Melissa McCarthy – „Can You Ever Forgive Me?“ McCarthy ist eine tolle Schauspielerin, der Film blieb aber unter den Erwartungen; er spielte an den Kassen nur wenig mehr (etwa eine Million Dollar mehr) ein, als ausgegeben wurde.
Statistik: Wer gewann 2019 häufiger im Verhältnis zu den Nominierungen?
Es war klar, dass „Roma“, der in Venedig bereits einen Goldenen Löwen gewann, Preise einheimsen würde. Trotz 10 Nominierungen wurden es aber nur die 3 oben genannten.
Der zweite Top-Favorit war „The Favourite“: ebenfalls 10mal nominiert, aber nur 1 Oscar! Auch deswegen war Olivia Colman überglücklich, bedankte sich ausführlich, musste immer wieder den Fokus finden. Sie war eine echte und ehrlich glückliche Oscar-Gewinnerin.
Andere Filme wie „Green Book – Eine besondere Freundschaft“ hatten ein besseres Nominierungs-Gewinn-Verhältnis: 5: 3.
Am erfolgreichsten war „Bohemian Rhapsody“, ebenfalls 5mal, also halb so oft wie „Roma“ und „The Favourite“ nominiert, aber sogar 4mal gewonnen.
„A Star Is Born“ wurde 8mal nominiert, aber nur für das beste Filmlied ausgezeichnet. Auch „Vice“ brachte es nur auf ein Verhältnis von 8:1.
In diesem Licht können sich die Macher von „The Favourite“ immerhin rühmen, einen der beiden meistnominierten Filme der Oscar-Saison 2019 gemacht zu haben.
Filmografie des Filmes, in dem Olivia Colman die oscar-prämierte Hauptrolle spielt
Originaltitel: „The Favourite“
Deutscher Titel: „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“
Produktionsland: Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirand, Irland, USA
Originalsprache: Englisch
Erscheinungsjahr: 2018
Filmlänge: 120 Minuten
Altersfreigabe: FSK 12
Besetzung (Cast)
Olivia Colman: Queen Anne
Rachel Weisz: Sarah Churchill
Emma Stone: Abigail Masham
Nicholas Hoult: Robert Harley
Joe Alwyn: Samuel Masham
Mark Gatiss: Marlborough
James Smith: Godolphin
Jeanny Rainsford: Mae
Stab
Regie: Giorgos Lanthimos
Drehbuch: Deborah Davis, Tony McNamara
Produktion: Ceci Dempsey, Ed Guiney, Giorgos Lanthimos, Lee Magiday
Kamera: Robbie Ryan
Schnitt: Yorgos Mavropsaridis