Rebekka Kricheldorf bei den Autorentheatertagen 2019 im DT

Vorhang auf, Bühne frei. Und immer schon fair.
Vorhang auf, Bühne frei. Und immer schon fair. Quelle: Pixabay

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Rebekka Kricheldorf war schon mehrfach zu Gast bei den Autorentheatertagen. Sie schreibt Komödien mit Widerhaken, in denen sie aktuelle Themen aufgreift. Ihr neues Stück erarbeitete sie als „writer in residence“ am Hanse- Wissenschaftskolleg in Delmenhorst. „Das Haus auf Monkey Island“ wurde am Staatstheater Oldenburg uraufgeführt und konnte bei den Autorentheatertagen besichtigt werden.

Ein bisschen überfrachtet mit wissenschaftlichen Erkenntnissen ist dieses Stück schon, aber Rebekka Kricheldorf hat es verstanden, den Lehrstoff geschickt in eine spannende Handlung einfließen zu lassen, sodass keine Langeweile aufkommt. Manchmal lassen „Die Physiker“ von Dürrenmatt grüßen, aber dann ist Kristina (Caroline Nagel) doch keine machtbesessene Irre, sondern die einzig Stinknormale im Team der vier Wissenschaftler*innen.

Das Quartett wurde engagiert, um Methoden zu entwickeln, die Konsument*innen dazu bringen können, künstlich hergestelltes Fleisch zu kaufen. Das In-Vitro-Fleisch wäre eine Alternative zur massenhaften Abschlachtung von Tieren und könnte einen segensreichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Doch Argumente reichen nicht aus. Verführung ist nötig, damit das sehr kostspielige Kunstprodukt gekauft wird. Das Belohnungszentrum in den Hirnen der Konsument*innen muss stimuliert werden.

Darüber sind sich die Wissenschaftler*innen schnell einig. Schließlich haben sie selbst gerade einen Job angenommen, der ihnen unwiderstehlich erschien: Sie sind auserwählt, hoch bezahlt und arbeiten auf Monkey Island in einem luxuriösen Haus, dem einzigen Gebäude auf der Trauminsel.

Doch schon bald wird ihnen dieses Haus unheimlich. Zuerst berichtet Kristina belustigt, ihre Dusche habe ihre Lieblingsballade rezitiert, aber Hannes (Thomas Birklein) ist beunruhigt, weil sein Fernseher dauernd seine Lieblingspornos ausstrahlt. Als schließlich Ann (Helen Wendt), die ihre Bulimie mühevoll überwunden hat, ihre Lieblingschips im Küchenschrank entdeckt und André, der mit seiner Drogensucht sein Leben ruiniert hat, ein Päckchen Kokain vorfindet, gerät das Team in Panik.

Das Haus kennt ihre Geheimnisse. Vielleicht sollen Menschenversuche mit ihnen gemacht werden. Kristina jedoch hat keine Geheimnisse. Sie war niemals suchtgefährdet und hat ihr Leben im Griff. Ein glückliches Naturell. Genetisch bestimmt, oder hat sie immer die richtigen Entscheidungen getroffen, und ihre Kolleg*innen sind selbst schuld an ihren verkorksten Biografien?

Rebekka Kricheldorf stellt die uralte Frage, ob menschliches Leben determiniert ist oder einen Spielraum für den freien Willen beinhaltet und lässt Hannes von Freiheit in einer fernen Zukunft nur träumen.

Mathias Kaschig hat die hintersinnige Komödie flott inszeniert, und die Schauspiele*innen erfüllen die knappen Dialoge mit Leben und lassen auch das zwischen den Zeilen Verborgene erkennen.

Thea Hoffmann-Axthelm hat ein beeindruckendes Haus auf die Bühne gestellt, in dem allerdings ein bisschen Interieur wünschenswert wäre. Dass die Wissenschaftler*innen auf dem Boden sitzen müssen, kann nicht im Sinne ihres Auftraggebers sein, der doch, um beste Arbeitsergebnisse zu erreichen, die Belohnungszentren seiner Auserwählten stimulieren wollte.

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