Klosterurlaub im Viervierteltakt – Eintauchen in die Welt des Gospelgesangs

Kloster Springiersbach
Pater Elias im Klostergarten. © 2010, Foto: Dr. Bernd Kregel

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Ist es ein mit Ungestüm hereinbrechendes Tropengewitter, das sich wie eine Urgewalt aus Blitz und Donner in mitreißender Energie entlädt? Das darüber hinaus jeden elektrisiert, der diesem sprühenden Funkenflug zu nahe kommt? So jedenfalls will es scheinen, wenn Lerato Sebele ihrem musikalischen Temperament Raum gibt und dabei ihre klanghelle Stimme mit rhythmischen Körperbewegungen unterstützt. Wie schon im Hamburger „Lion King“, bei dem sie in der Rolle der Rafiki gleich zu Beginn die ausgelassene Stimmung im Auditorium anheizte.

Ihr begeisterndes Engagement ist geblieben, nur der Ort ist ein anderer. Es ist das Karmelitenkloster Springiersbach in der Südeifel, nur wenige Kilometer entfernt von der Mosel zwischen Cochem und Traben-Trarbach. Normalerweise ein Ort der Besinnlichkeit und der Stille, der inneren Einkehr und der Kontemplation. Nur nicht in diesen Tagen mit Ausnahmecharakter, an denen die ruhigen Stellen nur noch in den Randbereichen der stattlichen Klosteranlage zu finden sind.

Musikalische Kabinettstückchen

Kloster Springiersbach
Außenfassade der Rokoko-Klosterkirche. © 2010, Foto: Dr. Bernd Kregel

Stattdessen schwungvoller und spontan mitreißender Gospelgesang, der selbst bei geschlossenen Türen und nur leicht angekippten Fenstern den Weg nach draußen findet. Klänge, die einer anderen Welt zu entstammen scheinen, zu der Lerato Sebele nun ihrem zwanzigköpfigen Chor Tür und Tor öffnen will. Es sind nicht die bekannten Stücke, wie sie von den Südstaaten-Baumwollfeldern Nordamerikas ihren Siegeszug durch die ganze Welt angetreten haben.

Vielmehr sind es vor allem die kleinen unbekannten Kostbarkeiten, die die Sängerin aus ihrer südafrikanischen Heimat mitgebracht hat. Musikalische Kabinettstückchen, durchweg dreistimmig gesetzt, die christlichen Glauben und christliches Leben auf eine unkomplizierte Weise mit geradezu entwaffnender Schlichtheit reflektieren und kommentieren. Einige auf Englisch, andere in der Zulu-Sprache, Schnalzlaute inbegriffen.

Wir-Gefühl

Und dabei bilden die Sänger – es sind in der überwiegenden Mehrzahl Sängerinnen – nicht einmal einen Chor im herkömmlichen Sinn. Was sie verbindet ist die Freude am gemeinsamen Gesang, und die hat sie aus allen Teilen Deutschlands hierher zusammen geführt, um sich auf das Experiment eines musischen Urlaubs im Kloster einzulassen. Ein Wagnis?

Noch kurz nach der Begrüßung der Gruppe durch Pater Felix, den Geistlichen Leiter des Exerzitien- und Bildungshauses „Carmel Springiersbach“, ist – man sieht es den versonnenen Gesichtern an – das Eis noch nicht gebrochen. Jeder für sich muss erst einmal ankommen am neuen Ort des Geschehens. Das weiß natürlich auch die Chorleiterin, die ohne große Vorrede sofort einen Versuch startet, bei den im Kreis um sie herum sitzenden Individuen ein gemeinsames Wir-Gefühl aufzubauen.

Gefühl der ausgelasenheit

Kloster Springiersbach
Gospel-Chor mit Lerato Sebele. © 2010, Foto: Dr. Bernd Kregel

Da erweist sich das von ihr in die Runde geworfene „Halleluja, praise celebrate rejoice in the name of the Lord“ als ein wahres Zaubermittel, das schnell ein erstes Lächeln auf den Gesichtern entstehen lässt. Ein Trend der anhält und in den nächsten Tagen zu einem Gefühl der Ausgelassenheit heranwächst, das Distanzen überwindet und im dreistimmigen Chorgesang Gemeinsamkeit schafft: „Have you heard of the city, the streets are paved with gold!“ Ein schlichter, hoffnungsvoller Text, der schon bald zur Chor-Hymne heranreift, die bei jeder Gelegenheit mit Eifer – unterstützt durch Mimik und Gestik – erschallt.

Sehr zur Freude der einheimischen Jugend und der zahlreichen Gäste im Ort, die von außen rhythmisch mitklatschen und sich bereits auf ein abschließendes Konzert in der barocken mit schmucken Rokoko-Elementen ausgestatteten Klosterkirche freuen. Anfangs als Projekt noch Besorgnis erregend, doch dann immer motivierender, anspornender, ohne dass die Freude am unbefangenen Gesang dadurch beeinträchtigt würde.

Zufriedenes Lächeln

Der Lockerung dienen auch Wanderungen in die nähere Umgebung, wobei natürlich die Mosel mit ihren kleinen Winzerorten unterhalb der hoch aufsteigenden Weinberge am meisten imponiert. Erinnert nicht auch der nun mit der Weinernte zu erwartende Gärungsprozess der Trauben an die Entwicklung, wie sie gerade im Chor stattfindet, wo sich mit der Zeit irgendwann einmal ein ausgereiftes und genießbares Ergebnis einstellt?

Noch unterbricht Lerato Sebeles Stimme ab und zu mit kritischen Anmerkungen den Gesang. Doch bei „Schlagern“ wie dem wehmütigen bis lustigen „Achiwiwiwi Buya Sithandwa“, das von einer Frau vom Lande handelt, die ungeduldig auf die Rückkehr ihres Mannes aus Johannesburg wartet, huscht nun wieder ein zufriedenes Lächeln über ihr stets hellwaches Gesicht. Gospel-Urlaub im Kloster? Kaum jemand zweifelt in diesem Stadium noch daran, dass dies die richtige Entscheidung für ihn war.

Einüben in Achtsamkeit

Kloster Springiersbach
Sonntagsmesse in der Klosterkirche Springiersbach. © 2010, Foto: Dr. Bernd Kregel

Auch der Gedankenaustausch kommt nicht zu kurz, entweder abends bei einem Moselwein im geräumigen Gewölbekeller des Klosters oder zum Sonnenuntergang bei einem Bier in der Dreibank-Sitzecke unweit der Kirchenfassade. Einige Teilnehmerinnen berichten von einschlägigen Erfahrungen, die sie bereits an anderen Orten in Deutschland mit dem Klosterurlaub gemacht haben: zum Beispiel mit dem liturgischen Gesang der Gregorianik in der Allgäuer Benediktinerabtei Ottobeuren.

Andere wiederum schwören auf Wellness-Klosterwochen im Bayerischen Wald und dabei besonders auf die Stressbewältigung durch angeleitetes Einüben in „Achtsamkeit“. Oder auf Besinnungstage in Niederaltaich an der Donau, wo Bogenschießen und Atemübungen dazu dienen sollen, sich körperlich und mental neu zu entdecken.

Optimales Mischungsverhältnis

Urlaub im Kloster demnach als Alternative zu Sonne und Strand, zu Bergen und Seen? Niemand von denen mit SKR-Klostererfahrung will dies so stehen lassen. Vielmehr sehen sie in der Mischung von Einkehr und Klosterumwelt, von Kultur und Natur, ein optimales Mischungsverhältnis mit persönlichem Gewinn für Körper, Seele und Geist.

Und natürlich, wie nun hier in Springiersbach, für die eigene Stimme. Das Konzert in der Klosterkirche steht nun unmittelbar bevor, und das Vertrauen in die stimmlichen Fähigkeiten ist bei allen enorm gewachsen. „Mögen sie nur kommen!“ meint man in den Augen der Workshop-Teilnehmer zu lesen. Und dass ein jeder von ihnen eine gehörige Portion an Erinnerung und Können mit nach Haus nimmt, daran zweifelt nun niemand mehr.

Infos Klosterurlaub:

SKR Studien-Kontakt-Reisen, Web: www.skr.de, E-Mail: info@skr.de
Karmelitenkloster Springiersbach, Web: www.karmelitenorden.de/klosterspringiersbach.html

Unterstützungshinweis:

Die Recherche wurde unterstützt von SKR-Reisen.

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