Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Das Wattenmeer ist vor allem ein Deutsches Meer, auch wenn es über die Deutsche Bucht der heute Nordsee genannten Schelfmeers am Arsch des Atlantiks hinausragt und nicht nur die Bundesrepublik sondern auch Dänemark und Holland betrifft. Der Teil vom Gezeitenmeer, der gleich hinter dem Deich beginnt und bis zu den Inseln reicht, steckt zwar voller Leben, weswegen er als Lebensraum und Kinderstube für viele Fische besonders geschützt gehört, ist aber nicht „Natur pur“. Leider. Er ist nicht nur „Ursprünglichkeit“ und „Ruhe“ sondern Industriegebiet und viel befahren von der Berufs- und Freizeitschifffahrt. Schade.
Romantisch ist der touristische Teil der Nordsee selten, es sei denn, einsame alte Fischer auf ihren Kuttern und Segler auf ihren klassischen Yachten ziehen am Auge des Betrachters, der dafür auch noch oftmals zur Kasse gebeten wird, vorbei. Zu sehen sind Segelyachten und Fischkutter aber auch Leuchttürme und Vögel. Die Bilder sind im Kalender für das kommende Jahr von Nico Krauss mit dem Titel Wattenmeer schon Momentaufnahmen „scheinbarer Unendlichkeit“ und Krauss ist ein feiner Fotograf, der die Faszination des Wattenmeeres festhalten versteht, doch der Mensch greift nach wie vor ein, baggert und buddelt, bewirtschaftet und bagatellisiert sein Tun. Bah.
Das Wattenmeer ist schlicht und ergreifend nicht nur von ökologischer sondern auch von ökonomischer Bedeutung. Der Kalender zeigt den schönen Schein. Der Kalender ist einseitig. Warum nicht, aber die Wahrheit ist auch eine andere. Wie wäre es mit einem kritischen Kalender zum Wattenmeer von Nico Krauss? Kann er das? Will er das? Wohl eher nicht, denn das verkauft sich schlechter als das Schöne.
Bibliographische Angaben
Nico Krauss, Wattenmeer 2016, Weltnaturerbe, Format: 67,5 x 47,2 cm, Spiralbindung, Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 1. Auflage 2015, ISBN: 978-3-667-10084-9, Preise: 29,90 Euro (D), 29,90 Euro (A)