Carmen auf kubanisch. Erst Bizet, dann Hammerstein, jetzt Carmen La Cubana: Premiere in Berlin

Während das Publikum gespannt auf den Beginn wartet, lässt eine Riesen-Flagge keinen Zweifel daran, wo CARMEN diesmal spielt. © Foto/BU : Andreas Hagemoser, 2018

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Carmen kennt jeder, Carmen La Cubana ist neu. 1875 bezog Bizet Stellung und schuf die meistgespielte Oper der Welt. Möglich wurde das, weil Prosper Merimée 1845 die Figur „Carmen“ erschuf. Das Buch ist ein Bestseller; die Oper noch erfolgreicher als das Buch. Jeder kennt die Melodien wahrscheinlich bereits aus der Kindheit, und sei es mit verballhorntem Text.

Carmen La Cubana – das erste Musical aus Kuba

„Mit Carmen la Cubana kommt 2018 das erste Musical aus Kuba nach Deutschland, England, in die Schweiz und nach Asien“, besagt die Pressemitteilung vom 25. September diesen Jahres. Veranstalter BB-Promotion kann Kuba, das wissen wir spätestens seit der begeisternden Tanzveranstaltung „Ballet revolucion“ zur Jahreswende. Sowohl unter den Events im Admiralspalast als auch unter den Ballett- und Tanzaufführungen ein herausragendes Ereignis, das lange in Erinnerung bleibt. Zu bereuen bleibt nur, dass man nicht zweimal die Gelegenheit ergriff, das farbenfrohe, bewegte Feuerwerk zu genießen.

Eine sensationelle Augenweide! Das kubanische ,Ballet Revolución‘ macht aus modernem Tanz, Ballett und Street Dance einen bildschönen, bewegten Mehrwert

Diesmal sind Tänzer und Sänger vom Golf von Mexiko zu uns gekommen, wo Sonne, Klima und Völkermischmasch den einzigartigen Zauber Kubas begünstigte. Die Rhythmen, die nicht zuletzt 1999 durch den Dokumentar-Film „Buenavista Social Club“ von Wim Wenders auch wieder ins europäische Bewusstsein gekommen sind, ließen die Kubaner den Sozialismus und den damit verbundenen jahrzehntelangen Mangel überleben und aushalten. Im Fokus war der Kulturverein „Club Social“ des Stadtviertels Buena Vista der Hauptstadt Havanna. Einst von der Sowjetunion unterstützt und im Auge des Sturms, als die Welt unter Kennedy und Chrustschow so nah am atomaren Abgrund stand wie noch nie, blieb die Zuckerrohrinsel jahrzehntelang isoliert und vom Welthandel weitestgehend ausgeschlossen. Bescheidenen Tourismus gab es auf der karibischen Großinsel, die anderes bietet als das benachbarte Jamaica.

Doch Cuba, wie sich Land und Insel auf spanisch und englisch schreiben, ist mehr als ein Riesenfreilichtmuseum US-amerikanischer Autos aus den 50er Jahren, die immer wieder repariert werden mussten.

Kuba bietet mehr und kann noch überraschen. Irgendwo zwischen den Lähmungen lauerte die Ewigkeitskraft der Musik. Einer wiedererkennbaren Musik.

Diese mit „Westlichem“ zu kombinieren (tatsächlich liegen Frankreich und Europa östlich von hier über den Atlantik), hat seinen ganz eigenen Reiz.

Der Pressetext weiß über das neue Musical: „Es ist die atemberaubende Neuinterpretation des legendären Carmen-Stoffs und der vertrauten Melodien Georges Bizets.“

Die Macher von Carmen La Cubana

„Der international anerkannte Opern- und Musical-Regisseur Christopher Renshaw (u.a. The King and I, AIDA am Sydney Opera House) sowie der Grammy- und Tony-Award ausgezeichnete Arrangeur Alex Lacamoire (u.a. Hamilton, The Greatest Showman) verlegen die Handlung nach Kuba am Vorabend der Revolution.“

„Opulente, farbenprächtige Tableaus und dichte Szenen führen von einer Zigarrenfabrik im ländlichen Südosten der Insel in das lebendige Treiben der Bars und Clubs Havannas.“ Ausgerechnet die Schicksalszeit Kubas wird ausgewählt. Sowohl Stadt und Land bieten den Hintergrund des von Carmen La Cubana. Das Bühnenbild spiegelt die Karibikinsel mit seinem Flair wunderbar wider.
Dass Kuba nicht nur aus der Hauptstadt besteht, nach der die Havanna-Zigarre benannt ist, sondern auch aus dem großen Land, deren Landwirtschaft den Tabak dazu, Zuckerrohr und vieles mehr hervorbringt, wird dadurch nebenbei ins Gedächtnis gerufen, was sehr angenehm ist.

Santiago de Cuba, nicht zu verwechseln mit Santiago de Chile, und Santa Clara, in der die Waffen sprachen und in der Revolution alles klar machten, gibt es eben auch in diesem riesigen Land. Die Insel erstreckt sich vom Atlantik im Osten bis zum Golf von Mexiko im Westen.

Die DDR war kleiner als es Kuba ist.

Weiter zum Musical Carmen la Cubana: „Eine 14-köpfige Latin-Big-Band gibt dieser ‚Carmen‘ musikalisch ihre einzigartige kubanische Note. In drei Jahren Entwicklungszeit entstand ein Stück Musiktheater, das mit karibischen Rhythmen, leidenschaftlichem Gesang und temperamentvollem Tanz auf künstlerisch höchstem Niveau überzeugt.“

Das können wir bestätigen. Besonders die Szenen mit viel Volk, die lebendiger noch sind als bei Anatevka mit großem Ensemble, würde man gern mehr sehen. Aus heutiger Sicht ein Anachronismus die Liebesschwüre der sitzengelassenen Verlobten, die erst einen Brief der Mutter bringt und später mit dem Hinweis auf ihre Krankheit José überredet, mitzukommen.

Dabei ist die hübsche, jedoch nicht aufgedonnerte Marilú mit einer weißen Bluse gekleidet. Noch mehr Unschuld geht nicht.

Carmen und Romeos Julia

Alle applaudieren Carmen (Luna Manzanares). Im Berliner Admiralspalast. © Foto/BU : Andreas Hagemoser, 2018

Doch wir wissen, wie es mit der „rassigen“, wunderschönen Carmen ausgeht. Sie überlebt nicht.

Auch kann José sie nicht vergessen, kehrt zu ihr zurück und wird von Eifersucht zerfressen und überwältigt. Er tötet er sie, dann sich selbst.

Carmen hatte sich einem berühmten Boxer zugewendet.Die Figur des El Nino, der am Ende gegen seinen sportlichen Konkurrenten Kid Cowboy in den Ring steigt, ist ein schöner Seitenverweis des Musicals. Gerade Ringer und Boxer konnten sich auf den Weltsportbühnen wie WM und Olympischen Spielen immer wieder beweisen und Bronze, Silber und Gold holen.

Unangenehm die Einsprengsel englischer Wörter und Ausdrücke, die die Atmosphäre von 1958/59 kaputtmachen.
Bei „Asta-la-vista, Baby“ denkt jeder an Arnold Schwarzenegger in „Terminator“ – und nicht an Kuba.

Insgesamt tut das dem Ganzen jedoch keinen Abbruch und man kann sich an den wirbelnden Großszenen nicht sattsehen und -hören.

Carmen La Cubana ist nicht die erste Weiterentwicklung von Bizet

1943 eroberte Oscar Hammersteins Carmen Jones als Afroamerikanerin den Broadway. Wer weiß, ob die Figur noch bis Tahiti vordringt. Die Weltmusicalgeschichte ist nicht zu Ende.

Premiere von Carmen La Cubana

Der Tag der deutschen Einheit hinterließ Spuren. Nicht nur durch den teils böigen Wind und örtlichem Sturm. Der Feiertag hat vieles durcheinandergebracht. So findet die Premiere am Tag nach dem Feiertag der Wiedervereinigung statt, einen Steinwurf vom Tränenpalast am S- und Fernbahnhof Friedrichstraße entfernt. Am 2. Oktober gab es bereits eine Preview, sozusagen eine zweite Generalprobe. Im Vorpremierenpublikum viele Damen spanisch chic in schwarz und dunkelrot gekleidet – das Publikum geht mit, der Saal ist schon vor der Premiere voll.

Nach der Weltpremiere und einer erfolgreichen Saison 2016 am Pariser Théâtre du Châtelet ist Carmen la Cubana erstmals vom 2.10. (Previews; Premiere am 4.10.) bis 14.10.2018 im Admiralspalast in Berlin zu erleben.

Premiere von Carmen La Cubana am Donnerstag, den 4. Oktober 2018 um 19.30 Uhr im Admiralspalast,
Friedrichstraße 101, 10117 Berlin.

Eintrittspreis ab 26,-
50% Ermäßigung für Jugendliche bis einschließlich 14 Jahre

Carmen La Cubana – bis Sonntag 14.10.2018 im Berliner Admiralspalast

Hauptdarstellerinnen: Luna Manzanares (Carmen) und Albita Rodríguez (La Señora)

Co-Arrangeur: Edgar Vero
Musical-Director: Hector Martignon

Die Gastronomie des Admiralspalasts bietet während der Pausen und vor den Aufführungen von Carmen La Cubana für 7,50 Euro einen alkoholischen Cocktail an: Cuba Libre.

www.carmen-la-cubana.de

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