„Das Heilige und das Nackte – Eine Kulturgeschichte“ von Markus Hofer

"Das Heilige und das Nackte. Eine Kulturgeschichte von Markus Hofer. © Tyrolia

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Von Markus Hofer liegt aus dem Tyrolia-Verlag, Innsbruck und Wien, das 192 Seiten umfassende Buch „Das Heilige und das Nackte“ vor. Schon das Titelbild wirkt haarig, sittsam-süß und bisweilen entrückt, nicht verrückt, denn wir wissen, daß das Bild nicht aus heutiger Zeit stammt, in der alle die Aufgabe der verrückten Tante beziehungsweise des verrückten Großvaters nicht nur in Berlin und Wien zu übernehmen scheinen, sondern auch in Innsbruck und Oer-Erkenschwick. Hätten sie alle nur geschwiegen.

Das Inhaltsverzeichnis ist beredt und zeugt von einem Autor, der Hirn mit Humor zu verbinden weiß, wenn er „Am Anfang war die Syphilis“, „Männer und Mykener“ oder „Vom Feigenblatt zur Unterhose“ titelt. Doch es geht nicht nur um Hosenmaler und Hexenverfolgung, sondern auch um „Den betrunkenen Noah“ und „Lot und seine Töchter“. Der 1957 in Dornbirn geborene Markus Hofer muß es wissen, er studierte Philosophie, Theologie, Germanistik und Kunstgeschichte. Außerdem war er langjähriger Leiter des Männerbüros der Katholischen Kirche Vorarlberg. Das teilt der Tyrolia-Verlag mit und auch, daß Hofer, der die Bücher „Die zweite Halbzeit entscheidet. Strategien für Männer ab 40“ und „Die Vierzehn Nothelfer. Das himmlische Versicherungspaket“ schrieb, „seit 2014 … an der Fachstelle Glaubensästhetik in Feldkirch tätig“ sei und „an Konzepten, die Kirchenräume als Orte des Rückzugs und der Besinnung erlebbar“ zu machen, arbeite. Das läuft wohl weniger gut. Immer noch wenden sich Männer und Frauen in Scharen von der auch Kinderfickerkirche genannten Veranstaltung ab.

Vielleicht sollten Hofers Glaubensbrüder und -schwestern dessen Kulturgeschichte über „Das Heilige und das Nackte“ lesen, das man als Spiel von Verhüllung und Enthüllung interpretieren könne. Wohl wahr, „heilig ist heilig – und nackt ist nackt“ heißt es in einer Tyrolia-Pressemitteilung zum vorliegenden Werk, „doch der Versuch, Sexualität aus der Religion und dem religiösen Erleben zu verbannen“, scheitere „unweigerlich“. „Zu stark“ sei „die Sexualität als sich Wege bahnende Kraft. Und dabei“ habe „das Moralisierende noch nie viel genützt, sondern … die Sache erst interessant“ gemacht. Wie mit der Moral so ist es auch mit den Moneten. Reichtum und Religion gehen Hand in Hand, ja, ohne Religion kein Reichtum beziehungsweise erst die opferkultige Religion segnete die überbordende Produktivität des Stammeskultur. Schließlich ging es immer darum, denen, die etwas schufen, wegzunehmen und anderen, gerne Heroen und Göttern und in Wahrheit anderen Herren zu geben. Gut, wenn die Schöpfer von etwas Reichtum das auch noch gerne tun. Hier und heute wird fast allen alles genommen, dafür ein Lohn gezahlt, wobei der Profit der Kapitalisten dem Hohn spricht. Was sollen die Pfaffen der Kinderficker-Kirche zum Profit, zum Mehrwert, zur entfremdeten Reichtumproduktion auch groß sagen außer Amen?!

Auch Hofer geht keinen Weg der Kapitalgeschichte, sondern der Kulturgeschichte und schwebt auf Wolke Sieben. Das scheint er zu schätzen und die meisten seiner Leser auch. Hofer fragt nicht nach Ursprung und Wesen des modernen Kapitalfetischismus, sondern: „Gab es das Goldene Zeitalter der Unschuld und ist Scham eine gesellschaftliche Erfindung? Welchen Zweck erfüllte Kleidung und war die Tempelprostitution nur ein Mythos? Wie war das mit den unbekleideten Männern des Michelangelo und wie mit der Ekstase der heiligen Theresa? Seine Antworten sind nicht die nackte Wahrheit, sondern ein Abbild der Erscheinungen. Das ist immerhin gelungen.

Bibliographische Angaben

Markus Hofer, Das Heilige und das Nackte, Eine Kulturgeschichte, 192 Seiten, 70 farbige Abbildunge, Format: 17 x 24 cm, gebunden, Verlag: Tyolia, Innsbruck, Wien, 1. Auflage, 2022, ISBN 978-3-7022-4052-3, Preis: 28 EUR (Österreich), auch als E-Buch erhältlich, ISBN 978-3-7022-4048-6, Preis: 23,99 EUR

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