Der Apokalypse trotzen – Annotation zum Roman „Diese ganzen belanglosen Wunder“ von Leona Stahlmann

"Diese ganzen belanglosen Wunder" von Leona Stahlmann. © DTV

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Unser Planet ist dem Ende geweiht. In dieser Gewissheit hat Leona Stahlmann ihren Roman angesiedelt und lässt darin anfangs Mutter Leda und Kind Zeno durch das salzige Wasser einer Marschlandschaft staksen. Fieser Wind weht, die Nahrungsmittel sind knapp, ein paar Hühner komplettieren der beiden Heim. Während die depressive Leda in ihrem Schlafzimmer die Wände anstarrt, schleicht sich Zeno in die Vorstadtsiedlung und starrt den Singles in die Wohnzimmer. Deren Hauptbeschäftigung ist das Inspizieren ihrer Dating Apps. Daneben bewundern sie gern ihre blendend weißen Zähne im Spiegel. Zeno hackt sich in die Apps und spielt mit den traurigen Singles ein kindlich voyeuristisches Spiel. Als seine Mutter verschwindet, kümmert er sich um die heimischen Hühner und verkauft Originalmarschsalz an Touristen, um zu Überleben. Eine Tarotkartenlegerin trifft Zeno im Internet. Sie blendet die neusten Katastrophen-Nachrichten beim Chat mit Zeno aus und lässt sich vom naseweisen und frühreifen Kind in ein neuartiges Wundersucherkollektiv verführen. Weitere Erwachsenen verfallen dem meinungsstarken Zeno und bilden eine glückssuchende Notgemeinschaft desillusionierte Erdenbürger. Sie interpretieren Begriffe wie Natur, Wille und Überleben neu und träumen sich mit ihrem kindlichen Idol Zeno an der Spitze, auf abenteuerlichen Pfaden in eine Welt, in der alles was ihre traurigen vorherigen Existenzen ausmachte, nur noch Staub ist. Kinder an die Macht ist keine Erfindung von Stahlmann. Was überzeugt, sind ihre spektakulär schönen Sätze und die poetische Spirale, in der sich ihr dystopischer Roman bewegt.

Bibliographische Angaben

Leona Stahlmann, Diese ganzen belanglosen Wunder, Roman, 400 Seiten, Verlag: DTV, München, 1. Auflage, 20.7.2022, ISBN: 978-3-423-44618-1, Preis: 16,99 EUR (Deutschland)

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