Die bitteren Tränen des Rainer Werner Fassbinder – Zum Film „Peter von Kant“ von Francois Ozon

Denis Ménochet und Isabelle Adjani in einer Szene des Films "Peter von Kant". © C. Bethuel / FOZ, BU: Stefan Pribnow

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Mit dem Spielfilm „Peter von Kant“ des französischen Regisseurs Francois Ozon wurde die 72. Berlinale am gestrigen Donnerstag eröffnet. „Peter von Kant ist eine moderne Fassung des Film „Die bitteren Tränen der Petra“ von Kant Rainer Werner Fassbinder.

Konnte die Berlinale 2020 die Corona-Pandemie noch abpassen und als eines der letzten Festivals noch als Präsenzveranstaltung stattfinden. So greifen die Berlinale-Macher den Staffelstab wieder auf, nachdem die 71. Berlinale im Grunde genommen ausfiel. Dennoch gilt sie als 72. Berlinale und erstes Festival, das jetzt wieder als solches stattfindet. Die strengen Kontaktbeschränkungen und Corona-Sicherheitsmaßnahmen werden dieses Festival prägen. So finden diese Filmfestspielel daher nicht ohne Kritik und Zwiespalt satt. Dennoch muss man den Leitern Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek zugute halten, dass sie den Mut aufgebracht haben daran festzuhalten und es durchzuziehen. Und da auf dem Festival das Augenmerk nicht hautsächlich auf Coronaviren sondern auf Filmen liegen soll, weist der erste Fingerzeig jetzt auf dem Eröffnungsfilm.

Francois Ozons moderne Fassung von Rainer Werner Fassbinder „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ mit dem dementsprechenden Filmtitel „Peter von Kant“ ist hier ein dankbarer und sehenswerter Kandidat. Ozons Film ist Drama mit Augenzwinkern und weiß als Neuauflage sowie als eigenes filmische Werk zu überzeugen. Die Geschichte von Peter von Kant ist im Kern dieselbe von Fassbinders Film von 1972, nur das die Hauptfigur diesmal männlich ist und sofort klar wird das die Figur Peter von Kant nur ein Synonym für Rainer Werner Fassbinder ist. Peter von Kant ist daher ein Konglomerat aus Neuauflage und biografischem Film über Fassbinder. Hier lernt der Filmregisseur Peter von Kant (Denis Ménochet), als er Besuch von der Schauspielerin bzw. Filmdiva Sidonie (Isabelle Adjani) erhält, die den jungen Mann Amir (Khalil Gharbia) mitbringt, eben diesen kennen. Und sofort wird erkenn- und spürbar das sich Peter von Kant in Amir verliebt hat. Peter von Kant nimmt sich als dominante Person Amirs an und schon bald leben die beiden zusammen und Peter hat Amir denn auch unmittelbar in seinem nächsten Film die Hauptrolle spielen lassen und ihn damit als Schauspieler zum Ruhm katapultiert. Doch schnell bekommt diese Liebesbeziehung Brüche und endet damit, dass Amir Peter verlässt und diesen mit seinem Liebeskummer und Leid sich selbst überlässt.

Schon zu Beginn wird klar das Kant/Fassbinder ein selbstverliebter, eitler, künstlerisch radikaler und besessener Mensch ist. Die Bewunderung und Prägung, die von Fassbinder ausgeht ist deutlich zu spüren und doch ist Ozon klug genug hier keine Heldenverehrung einzustimmen und die Person Fassbinder durchaus kritisch zu sehen mit all ihren Licht- und Schattenseiten. Die Liebe von Ozon zu seiner Figur zieht sich durch den ganzen Film und Ozan zeichnet ihn als deutlich ambivalenten Charakter, der als dominant wie unterwürfig, manipulativ und aufbrausend genauso wie sensibel und leidend porträtiert wird. Besonders gegen Ende wird im dies vorgehalten, wo ihm bescheinigt wird ein großer Regisseur genauso wie ein Scheißkerl zu sein. Hier verdankt Ozon auch viel seinem Hauptdarsteller Denis Ménochet mit dem er die Figur Peter von Kant gemeinsam entwickelt hat und Mènochet und seinem Spiel viel Platz und vertrauen einräumt. Was sich in einer Tanzszene offenbart in der Peter von Kant vom Liebeskummer geprägt alleine tanzt, ja sich gehen lässt und hier am verletzlichsten erscheint. Peter von Kant ist kein sympathischer Mensch und doch geht von ihm eine Faszination aus. Weiß er doch über sich und warum er niemals glücklich sein kann Bescheid, was sich in zwei Kernsätzen widerspiegelt, die schon in Fassinders Originalfilm von Bedeutung sind, „Jeder tötet, was er liebt“ und „Man muss lieben, ohne zu fordern.“ Am Ende wird unserem Peter von Kant/ Fassbinder klar, dass er seinen Liebhaber Amir besitzen will und eben weil er Amir nicht besitzen kann daran verzweifelt. Die Manipulation und seine Machtspiele, die er mit Amir betreibt wenden sich schließlich gegen ihn. Und so bleiben am Ende nur seine bitteren Tränen. Die des Peter von Kant oder die des Rainer Werner Fassbinder.

Francois Ozon ist wie immer ein sehenswerter Film gelungen, der sicher und klar inszeniert ist. Ozon kann sich, wie er in der Vergangenheit bewiesen hat stets verschiedener Filmgenres annehmen und wusste dort immer zu überzeugen. So ist sein Peter von Kant eine Hommage an Rainer Werner Fassbinder und dessen Originalfilm. Zugleich hat er ein eigenständiges Werk geschaffen das sich auch kritisch mit Fassbinder auseinandersetzt und zugleich ein Augenzwingern besitzt und sich die ein oder anderen komischen Moment erlaubt und somit die ursprüngliche Schwere des Fassbinder Werkes auflockert. So ist Ozon ein kluger Film gelungen, der zugleich seine künstlerische Integrität aufzeigt. Insofern haben die Festivalchefs Chatrian und Rissenbeek hier dank Ozon und Fassbinder einen gelungenen Eröffnungsfilm präsentiert.

Filmographische Angaben

  • Originaltitel: Peter von Kant
  • Deutscher Titel Peter von Kant
  • Staat: Frankreich
  • Jahr: 2022
  • Originalsprachen: Französisch, Deutsch
  • Regie: Francois Ozon
  • Drehbuch: Francois Ozon
  • Kamera: Manuel Dacosse
  • Musik: Clemens Ducol
  • Schnitt: Laure Gardette
  • Darsteller: Denis Ménochet (Peter von Kant), Isablle Adjani (Sidonie), Khalil Gharbia (Amir), Hanna Schygulla (Rosemarie), Stéfan Crépon (Karl), Aminthe Audiard (Gabrielle)
  • Produktion: Francois Ozon
  • Länge: 90 Minuten

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