Berlin, Deutschland(Kulturexpresso). Samstag nachmittag, viele Erledigungen hat man schon gemacht in der emsigen Einkaufsmeile Berlins, der Wilmersdorfer. 18 Uhr, die ersten Geschäfte schließen und einiges kann man auf die nächste Woche verschieben. Denn jetzt beginnt das Konzert von Eleonora Kotlibulatova und Evgeny Beleninov. An der Glastür der Musikschule Wilmersdorfer Straße 122-123 erinnert ein Zettel an das Ereignis. Nachdem man die schwere Tür aufstoßen hat und die etwas enge Stiege emporgeklommen ist, wird man ermahnt: Kein Betreten der Schule ohne Anmeldung. Es ist bereits weit nach sechs. Die Ermahnung wird in den Wind geschlagen und man eilt weiter. Im 2. Stock das Konzert.
Der Zuspätkommende wird darauf hingewiesen, aus Rücksicht auf den Musikgenuss bitte nur während des Applauses einzutreten. Was tönt leise durch die geschlossenen Türen, ist’s Villa-Lobos, Chopin? Reuig kehrt der gemäß Michael Gorbatschow vom Leben Bestrafte in den 1. Stock zurück, um sich ehrlich zu machen. Doch eine Anmeldung scheint nicht möglich.
Immerhin vermutet eine freundliche Koreanerin, dass das Konzert 90 Minuten dauere. (Wegen der langen Pause und Zugabe wurden es dann viel mehr.)
Wieder bergan, den Applaus abwarten. Die Tür ist offen – sind noch andere Nachzügler eingetreten? Nein. Oh weh – es ist schon Pause.
Was man alles verpasst hat
Das Programm verrät, was man verpasst hat. Zu Beginn Anton Diabellis Sonate op. 102 für Gitarre und Klavier. Diabelli lebte von 1781-1858, er ist der Erstgeborene unter den drei angekündigten Komponisten. Sodann entging dem Shopper Heitor Villa-Lobos (1887-1959), aus 12 Etüden für Gitarre solo die Nummern 1. Prélude. Animé, 4. Un peu modéré, 5. Andantino, 7. Très animé, 11.Lent und 12. (encore) Un peu modéré sowie Chopins Études für Klavier op. 10 und 25.
Die Aufzählung des Überhörten, des Verpassten gleicht einer Selbstkasteiung.
In Zukunft: Keine Reue
Immerhin gibt es im 2. Teil noch einmal Villa-Lobos: Das Konzert für Gitarre und Orchester (Klavier) mit 3 Sätzen.
Nach dem überschwenglichen Applaus spielen die beiden Musiker noch eine Zugabe, ihr Lieblingsstück.
Am Ende verabschiedet einen der musikalische Leiter Sami Väänänen und erklärt eingängig, dass die 15 Euro für die Musik gut angelegt waren. 15 Euro ist übrigens auch der Preis der CD. Der Finne Väänänen hat selbst schon wiederholt auf der Bühne gestanden (oder gesessen). So am 3. Dezember 2016 in der Passionskirche am Marheinekeplatz zusammen mit Esa Ruuttunen. Als Benefizkonzert „Mückenhäuschen“ zugunsten der Gitschiner15.
Immer am dritten Samstag
Damit man nicht voll Reue wieder ein solches Highlight in der Wilmersdorfer verpasst, hat er sich etwas ausgedacht. Einmal im Monat findet ein solches Konzert statt.
Falls man sich das Datum nicht gemerkt haben wird: Es ist der immer der dritte Samstag des Monats.
Den Auftakt der Konzertreihe Gehörig bildete ein Klavierkonzert mit Ulugbek Palvanov, der Werke von Bach, Beethoven, Liszt und Chopin spielte. Es war der 29. April um die gleiche Uhrzeit, 18 Uhr. Dieses Eröffnungskonzert fand nicht an einem dritten Samstag im Monat statt (es war der fünfte).
Doch ab diesem Konzert von Kotlibulatova und Beleninov ist immer der dritte Samstag im Monat am frühen Abend für ein wunderschönes Konzert reserviert, bei Kerzenlicht, einem Glas Wasser, in angenehmer Gesellschaft.
Vom Vorteil regelmäßiger Termine
Da machen sie was richtig in Charlottenburg. Das Kino Klick in der Windscheidstraße zeigt seine Filme immer um 18 und 20 Uhr, am Wochenende auch um 16 Uhr. Das ist eine planbare Verlässlichkeit.
Nachdem man aus dem Eröffnungsabend der Konzertreihe einen Tag vor Ultimo das Monatsende hätte vermuten können, ist nun klar, es ist in der Regel das dritte Wochenende.
Termine bis zur Sommerpause 2018
Die Termine stehen bis weit ins nächste Jahr fest. Ähnlich wie in der Philharmonie gibt es Orchesterferien. Dadurch ergeben sich durch die Vorgabe des 3. Samstags folgende Daten:
17.6.2017
16.9.2017
21.10.2017
18.11.2017
16.12.2017
20.1.2018
17.2.2018
17.3.2018
21.4.2018
19.5.2018
16.6.2018.
Das nächste Konzert am 17.Juni
Am 17. Juni, dem ehemaligen Tag der deutschen Einheit, der an den von Panzern zermalmten Ostberliner Volksaufstand vom 17. Juni 1953 erinnert, wird das nächste Konzert sein. Wir freuen uns auf Ludwig van Beethoven und David Yonan mit seiner Geige.
Nicht für immer
Doch noch mehr als auf die Violine freuen wir uns auf Ulugbek Palvanov am Klavier, denn: Michail Gorbatschow hat recht damit, dass derjenige vom Leben bestraft wird, der zu spät kommt. Doch währt diese Strafe nicht ewig.
Den Weg in die Wilmersdorfer Straße kann man jeden Tag antreten und die Musikschule ist für Schüler rund um die Uhr geöffnet.
Die zweite Chance
Doch die zweite Chance, von der so oft die Rede ist, vor allem, wenn sie falsch und dreist eingefordert wird, gibt es manchmal tatsächlich:
Die 2. Chance, Ulugbek Palvanov in der Wilmersdorfer Straße 122/123 in einem Konzert der Reihe Gehoerig am Klavier zu erleben, besteht am 17.Juni.
Der 17.Juni im 20. Jahrhundert
Viele haben am 17.Juni die Gelegenheit am Schopf ergriffen.
1940 haben sowjetische Truppen an diesem Tag Estland, Lettland und Litauen besetzt.
1972 werden fünf Männer beim Einbruch in das Hauptbüro der Demokratischen Partei festgenommen, Watergate begann.
Beim Volksaufstand in der DDR am 17.6.1953 starben zwischen 55 und 75 Menschen, als die „Deutsche Volkspolizei“ und sowjetische Truppen ihn niederschlugen, mehr als eineinhalb Tausend wurden verhaftet.
17.Juni 17
Viel muss man an diesem 17.Juni ’17 nicht riskieren und wird trotzdem reich belohnt werden.