Blut fließt! – „Don Carlo“ – Oper von Giuseppe Verdi in der Staatsoper Unter den Linden

Stefan Pop (Don Carlo, Infant von Spanien), George Petean (Rodrigo, Marquis von Posa), Eve-Maud Hubeaux (Prinzessin Eboli), Rafał Siwek (Der Großinquisitor), Staatsopernchor. © Staatsoper Unter den Linden, Foto: Bernd Uhlig

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Der Sommerhitze zum Trotz – internationales Publikum füllt die Staatsoper an diesem letzten Aufführungsabend in der Saison.

Eine äußerst spannende Aufführung der Oper in italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln mit sensationellen Sängern, Staatsopernchor und Staatskapelle Berlin, ständig von viel Zwischenapplaus und Begeisterungsrufen gekrönt.

Die Handlung spielt im spanisch-französischen Krieg, Herrscher Philipp II (René Pape), König von Spanien. Um der hungernden, unter katastrophalen Bedingungen vegetierenden Bevölkerung raschen Frieden zu bringen, soll Prinzessin Elisabeth von Valois (Aleksandra Kurzak) Don Carlos heiraten, den Infanten Spaniens. Sie verlieben sich intensivst ineinander während einer zufälligen Begegnung im Wald von Fontainebleau.

Leider werden die beiden düpiert: der König Philipp II selbst hat sich entschlossen, Elisabeth von Valois zu heiraten. Was nun an Handlung folgt ist ein Erfolgsrezept für einen guten Krimi: Lügen, Intrigen, Verrat, Leidenschaft, Hass und Liebe – einschließlich Toten. Es werden auch viel Pistolen gezeigt und als Stilmitteln genutzt. Blut fließt! Last but not least die Inquisition der katholischen Kirche, die mehr Macht hat als alle Könige der Welt – eine ständige Bedrohung aller. Es gibt kein Happy End für niemanden.

Gesungen wird Philipp II von Spanien von René Pape, der mit Soli immer wieder viel Zwischenapplaus erhält, auch Aleksandra Kurzak als Elisabeth von Valois wird mit Zwischenbeifall überschüttet für ihre eindringlichen, zu Herzen gehenden Arien! Der Großinquisitor (Rafal Siwek) wird ebenfalls umjubelt und gefeiert, auch die Prinzessin Eboli (Eve-Maud Hubeaux) singt sich in die Herzen sowie George Petean als Rodrigo, so auch Tebaldo (Regina Koncz).

Verdi’s Musik erklingt herzergreifend und dramatisch aus dem Orchstergraben, phantastisch präsentiert durch die Staatskapelle Berlin mit dem Dirigenten Daniele Rustioni.

Der Staatsopernchor wurde mit in das Schauspiel und die Inszenierung eingebunden. Einfach sensationell!

Das einzige, was mir persönlich überhaupt nicht gefallen hat, war die Darstellung von brutaler Gewalt. Bei Filmen wird man i.A. gewarnt, dass der Film nichts für empfindliche Personen sei, da Formen von physischer und psychischer Gewalt angewendet werden – wäre hier eventuell auch indiziert gewesen. Und es waren auch Kinder unter den Zuschauern!

Um die Brutalität und Bestialiät der damaligen Schreckensherrschaft zu verdeutlichen wurde zu Stilmitteln gegriffen, die nicht nötig gewesen wären: Komparsen, nackt und gefesselt auf der Bühne sitzend vor Festmahltisch des König und seinem Gefolge wurde der Mund zusätzlich noch mit Klebeband verklebt und eine Flüssigkeit aus Benzinkanistern über sie gegossen. Im weiteren Verlauf wurden die Komparsen an den Füßen aufgehängt und hochgezogen und unter sie wurden Feuerzeuge gehalten – kurz bevor der Vorhang fiel.

Solche Art Zurschaustellung von brutalster Gewalt ist eine Beleidigung für die Intelligenz der Zuschauer – jedem ist hinlänglich bekannt, was Terrorregime und Krieg bedeutet – da muss man nur die Nachrichten im TV einschalten, die einen täglich erschüttern!

In der Oper ein geschmackloses Zurschaustellen – hatte Philipp Himmelmann bei seiner Inszenierung nichts Dezenteres in seinem Bühnenrepertoire, keine Inspiration, keine Phantasie? Auch dieses ständige Zurschaustellen von silberglänzenden Pistolen und Bedrohungen von aller Art zu jeder Zeit gegen Jeden auf der Bühne – was für ein martialisches Stilmittel – da ginge doch sicher noch was Besseres. In jedem Fall in keinster Weise mein Geschmack.

Die ZuschauerInnen in meiner Umgebung sah ich alle verängstigt zusammen zucken, darunter auch Kinder – muss das sein? Ich empfand es als eine Zumutung und dégoutant.

Aber der Begeisterung für diese Opernaufführung tat dieses keinen Abbruch – minutenlanger, frenetischer Applaus und Begeisterungsrufen mit zig Vorhängen goutierte die Meisterleistung des Gesamtkunstwerks.

Der Intendant unterbrach noch kurz den Applaus, um den langjährigen Chorleiter Martin Wright zu verabschieden, der sich anderen Aufgaben zuwenden wird. Auch hier minutenlanger Applaus, der dann weiter in minutenlangen Applaus und Begeisterungsrufen für das gesamte Ensemble mündete – mit standing ovations und vielen Vorhängen, versteht sich.

Diese Don Carlos Aufführung war ein Hochgenuss! Es war die 55. Aufführung seit der Premiere am 13.6.2004. Weitere Aufführungen nach der Theaterpause in der nächsten Spielzeit. Die weitere Termine, die geplant wurde, sind: 10.9.2023, 16.9.2023, 30.9.20923 und 8.10.2023

Don Carlo wurde auch – wie im Sommer üblich – schon als Staatsoper für alle live auf den Bebelplatz in Berlin gestreamt.

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