Ein „Fachmann für vergleichenden Fanatismus“ ist tot – Amos Oz starb heute in Jerusalem

"Liebe Fanatiker" von Amos Oz. © Suhrkamp

Jerusalem, Israel (Kulturexpresso). Heute starb Amos Oz im Alter von 79 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung in Jerusalem. Das teilte seine Tochter Fania Oz-Salzberger auf Twitter mit.

Oz gehörte zu den herausragenden Schriftstellern Israels, der wie David Grossman und A.B. Jehoshua die Überzeugung vertrat, dass die Unabhängigkeit des palästinensischen Volkes in ihrem eigenen Staat neben dem Staat Israel die Basis für Frieden ist und deshalb für Israel genauso wichtig ist wie für die Palästinenser.

Oz, der sich als quasi Poetik-Prof in Tübingen als „Spezialisten für vergleichenden Fanatismus“ vorstellte, befasste sich genau damit in seinen drei Plädoyes und Essays, die Interessierte in seinem Buch „Liebe Fanatiker“ finden.

Er schreibt darin, dass „von Fanatikern … gegenwärtig die größte Gefahr“ ausgehe und zwar „auf dem gesamten Globus – als Terroristen führen sie Krieg gegen bestimmte Gruppen wegen deren Glaubens oder Hautfarbe, als Selbstmordattentäter ermorden sie wahllos Einzelne um ihren Glauben zu bezeugen und/oder wegen medialer Aufmerksamkeit.“

Oz, geboren am 4. Mai 1939 in Jerusalem als Amos Klausner und dort aufgewachsen, zum Schriftsteller in einem Kibbuz geworden, in der Friedensbewegung „Schalom achschaw“ (deutsch „Frieden jetzt“) aktiv gewesen, war aufgrund seiner Erfahrung für wahr ein „Fachmann für vergleichenden Fanatismus“ geworden, wie auch der Suhrkamp-Verlag meint: „in seinen Büchern lotet er dessen Abgründe aus, als Kommentator bekämpft er sie politisch, als Betroffener stellt er sich und anderen die Frage, wie man zum Fanatiker werden kann“.

Amos Oz, der zuletzt in Arad im Negev wohnte, war also Dichter und Denker, wußte jedoch Politik und Literatur zu trennen, konnte folglich politische und literarische Texte schreiben. Er konnte mit dem Panzer kämpfen wie im Sechstage-Krieg auf dem Sinai oder im Jom-Kippur-Krieg auf den Golan-Höhen, aber auch mit der Schreibmaschine.

Er, der für die friedliche Zwei-Staaten-Lösung stritt, schrieb beispielsweise: „Mein zionistischer Ansatz ist schon seit Jahren ganz einfach: Wir sind nicht allein in diesem Land. Wir sind nicht allein in Jerusalem. Das sage ich auch zu meinen palästinensischen Freunden. Ihr seid nicht allein in diesem Land. Es gibt keinen anderen Weg, als dieses kleine Haus in zwei noch kleinere Wohnungen aufzuteilen.“

Wohl geschrieben. Ohne die Russen ist das gemeinsame europäische Haus ein Widerspruch in sich, wie Israel ohne Palästina. Mal sehen, wer mit dem politischen Hausbau früher fertig wird.

So lange dürfen Leute, die lesen, zu den Büchern von Oz greifen, beispielsweise zu „Black Box“, „Allein das Meer“ und „Geschichte von Liebe und Finsternis“, aber auch zu „Liebe Fanatiker“, „Deutschland und Israel“ und „Wo die Schakale heulen“.

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