Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Das berühmteste Zitat über Michael Ballhaus stammt von dem inzwischen verstorbenen Regisseur Mike Nichols: „Mit Michael zu arbeiten ist als wäre man in Himmel nur, dass man da für nicht zu sterben braucht.“ Vielleicht ist es dieser Satz, der die Beziehung von Michael Ballhaus zu seinen Regisseuren an besten bezeichnet. Denn Ballhaus hat sich immer in den visuellen Dienst seiner Regisseure gestellt und wollte, was seine Kameraarbeit betraf, nie mit einem bestimmten Stil in Verbindung gebracht werden. Dies ist ihm nicht ganz gelungen, denn mit Ballhaus verbindet wir heute die 360° Kreisfahrt, die er bei Rainer Werner Fassbinders Martha zum ersten Mal einsetzte und deren bekanntester Einsatz wohl in Die fabelhaften Baker Boys zu sehen ist, wenn Michelle Pfeiffer liebreizend auf dem Klavier sitzt und Makin´ Whoopee singt. Ballhaus ist einer der erfolgreichsten Kameramänner Deutschlands und Hollywoods und er hat einige der bekanntesten Hollywood Filme gedreht sowie mit einigen der berühmtesten Regisseure gedreht. Daher eine mehr als überfällige Auszeichnung.
Über seine Arbeit gab Ballhaus jetzt beim Berlinale Talent Campus als auch bei der Pressekonferenz bereitwillig Auskunft. Michael Ballhaus ist inzwischen über 80 Jahre alt und als er die Bühne betrat und auch im Gespräch, merkte man ihm sein Alter an. So fielen ihm der ein oder andere Filmtitel oder Name nicht mehr sofort ein. Doch all dies wirkte sich in keiner Weise negativ aus, denn am Ende erntete er Standing Ovations seitens der Zuschauer. Und wenn man sich mit der Arbeit von Michael Ballhaus beschäftigt hat, dann kannte man die Geschichten und Anekdoten, die er bei den Berlinale Talents und der Presse gegenüber von sich gab, auch schon. Über Ballhaus sind ja schon mehrere Bücher erschienen, zuletzt eine Biographie von Claudius Seidl und am bekanntesten das Interviewbuch mit Tom Tykwer, indem er ausfürlich über seine Kamerarbeit Auskunft gibt. Und doch ist es immer wieder eine Freude und macht Spass ihm beim Erzählen zuzuhören, eben weil er ein sehr bescheidener und zurückhaltender Mensch ist.
Wenn wir auf Ballhaus Arbeit zurückschauen, so gibt es da zwei Leben. Einmal als er in Deutschland tätig war und deren prägenster Regisseur hieß Rainer Werner Fassbinders, von dem er wie er selbst sagt, viel gelernt hat, weil Fassbinder einer der schwierigsten Regisseure war. Hier hat er gelernt, hart im nehmen zu sein, nach dem Motto, wenn er Fassbinder durchsteht, kann ihm in seiner Karriere nichts mehr passieren. Doch auch er stieß an seine Grenzen. Als Fassbinder ihn für die Serie Berlin Alexanderplatz haben wollte, war das Verhältnis zwischen beiden schon so gespalten, dass sich Ballhaus gegen eine weitere Zusammenarbeit entschied, da er die neunmonatigen Dreharbeiten mit dem „Typen“ Fassbinder nicht durchgestanden hätte. Eine Tür schließt sich und eine andere geht auf und die hieß dann USA und letztlich Hollywood. Hier hieß der Regisseur, der ihn am deutlichsten prägte, Martin Scorsese, der Filmbessesene. Mit ihm sollte ihn eine lebenslange Partnerschaft und sieben gemeinsame Filme verbinden. Neben Scorsese gesellten sich noch weitere große Hollywoodregisseure, wie der schon genannte Mike Nichols, Robert Redfort, Francis Ford Coppola, James L. Brooks, Barry Levinson und Wolfgang Petersen (die sich beide noch von ihrer Filmhochschulzeit Ende der sechziger Jahre her kannten und in Hollywood wiedertrafen). Der Schlusspunkt für seine Hollywoodzeit war dann der Film The Departed mit dem Scorsese 26 Jahre nach seiner ersten Nominierung endlich den begehrten Regieoscar erhielt. Seinen letzten Spielfilm als Kameramann realisierte er dann 2013 in Deutschland mit seiner jetzigen Frau der Regisseurin Sherry Hormann.
Fragt man nach Ballhaus‘ Lieblingsfilmen und Einstellungen so hebt er die Scorsesefilme The Age of Innocence und Gangs of New York hervor, beides opulente und bildergewaltige Werke. Ballhaus war dreimal für den Oscar nominiert und doch ist The Age of Innocence eine seiner am besten fotografierten Film, und dafür war er noch nicht mal nominiert. Als seine Lieblingseinstellung nennt er die dreiminutige Kamerafahrt durch die Gänge des Copacabana Clubs in Good Fellas. Auch dies eine kleine technische und kameralogistische Meisterleistung. Ballhaus hatte selbst nie große Ambitionen Regie zu führen, dafür war ihm der Beruf des Kameramannes zu lieb und teuer und der des Regisseur zu anstrengend und doch, wenn man sich The fabulous Baker Boys anssieht, erhält man vielleicht eine kleine Ahnung davon zu was ein Regisseur Ballhaus im Stande gewesen wäre. Bei diesem Film hatte Ballhaus mehr Freiheiten und Möglichkeiten als sonst. Für den Regisseur und Drehbuchautor Steven Kloves war es der Debutfilm und er gab Ballhaus hier freie Hand, so dass dieser eigentlich zum Co-Regisseur des Filmes avancierte. Er gab Michelle Pfeiifer den richtigen Look und setzte sie ins rechte Licht, damit sie den gewissen Kniff bekam, den die Rolle brauchte. Und es hat sich gelohnt. Nie zuvor und nie danach sah Michelle Pfeiffer sexier und verführerischer aus als in diesem Film. Sie wird Ballhaus dafür wahrscheinlich bis an ihr Lebensende dankbar sein.
Wenn wir Ballhaus immer mit dem Begriff „Kameramann“ assoziieren, so ist auch dies falsch. Er selbst zieht die englische Bezeichnung „Director of Photography“ vor, also Regisseur der Photographie, da dieser Bergiff für ihn, seine Tätigkeit am besten wiedergibt und die Gestaltung der Licht- und Bildatmosphäre beinhaltet. Und er hat sich stets als Verbündeter des Regisseurs und seiner Vision gesehen. So musste er, neben den technischen Herausforderungen, sich auch um die asthätische Darstellung kümmern, die jede filmische Umsetzung eines Stoffes speziell mit sich brachte. Das kann die komplizierte Kamerafahrt, aber auch die ganz einfache klassische Einstellung sein.
Ballhaus selbst war und ist der Berlinale immer sehr verbunden gewesen. Es war eine besondere Beziehung von Anfang an. Hatte er doch bei der Berlinale 1981 Ragging Bull und Martin Scorsese auf der Bühne gesehen und gegenüber seiner damaligen Frau Helga den Wunsch geäußert, einmal mit diesem Regisseur zusammenzuarbeiten. Was zu diesem Zeitpunkt unerreichbar schien. Drei Jahre später wurde dieser Wunsch Realität als Scorsese ihn anrief, damit Ballhaus für ihn After Hours fotografieren sollte. Da er einen Director of Photography sucht, der okonomisch und schnell drehen konnte. All das hatte Ballhaus ja bei Fassbinder gelernt.
Als Ballhaus am Donnerstag abend aus den Händen von Dieter Kosslick seinen Ehrenbären empfing und seine Dankesrede hielt, blieb er auch da auf charakteristische Weise sehr zurückhaltend, in dem er sagte: „Ich bin nur ein einfacher Kameramann.“ Die Berlinale ehrt Michael Ballhaus mit einer Hommage, wo einige der bekanntesten Filme laufen, die er fotografiert hat. Die Zuschauer können sich also auf ein Wiedersehen mit Good Fellas, Age of Innocence, Working Girl oder The fabulous Baker Boys freuen. Und egal wie gut die Filme des Wettbewerbs oder im Panorama sein werden, einige der besten Filme der Berlinale 2016 laufen auf der Michael Ballhaus Hommage.