Berlin, Deutschland (Kulturexresso). Wunder über Wunder, aus Zettelkästen, vergessenen Dateien und Verstecken aller Art zaubern sachkundige WühlerInnen und potente Spezialisten unerwartete Perlen des bolanoschen Schaffens an die Oberfläche.
Der Geist der Science-Fiction ist ein solches Kleinod, das man mit viel Wohlwollen Roman nennen kann. Ich würde es eher unter versprengte Schriften einordnen, aber das würde bestimmt die Verkaufschancen schmälern. Trotzdem bin ich dem Fischerverlag als ausgemachter Bolanofan dankbar, dass sie für mich immer wieder neue Facetten des Meisters auffächern.
Der Geist spielt in Mexiko, im universitärem Bereich. Ein Sack sympathischer Tunichtgute aus Chile feudelt sich die Nacht mit Diskussionen über die schönen Dinge des Lebens (Lyrik, Lyrik, Lyrik) um die Ohren. Dazwischen geigt uns ein fast stummer Kartoffelforscher eins. Es geht viel um junge Dichter und ihre Marotten, eher selten tauchen junge Dichterinnen auf. Manchmal fahren die Dichter mit einem Motorrad durch die Nacht, auf der Suche nach neuen Literaturzeitungen. Die Buben lassen sich im Rausch ihrer literarischen Träume treiben, der rote Faden trudelt vor sich hin, indes der eine Chilene Bettelbriefe an die CIA und diverse reiche Gringos versendet.
Im unbekümmerten Stilmix ist trotzdem Bolanos Handschrift zu erkennen, die knorken Dialoge lassen die Herzen der Fans hüpfen, ein leichter Sommercocktail, am Ende des Buchs beglücken uns Fanatiker einige Faksimileseiten, sehr nice!
Bibliographische Angaben
Roberto Bolaño, Der Geist der Science-Fiction, 256 Seiten, Verlag: S. Fischer, Frankfurt 2018, ISBN: 3-103-97359-4, Preis: 22 EUR, als E-Buch 18,99 EUR