„Güldener Herbst“ mit Alter Musik in Meiningen

Schloss Elisabethenburg. © Foto: Antje Rößler, BU: Stefan Pribnow, Aufnahme: Meiningen, 1.10.2021

Meiningen, Deutschland (Kulturexpresso). Der „Güldene Herbst“ verlief bei spätsommerlichem Kaiserwetter, das die weißen Mauern der Elisabethenburg zum Strahlen brachte. Thüringens Alte-Musik-Festival machte in Meiningen Station, wo das Publikum zwischen den Aufführungen in Schloss, Theater und Stadtkirche flanierte. Dabei zeigte sich die reiche Musikgeschichte der hübschen Residenzstadt sich auch in der Programmgestaltung.

Im Eröffnungskonzert stand die hochkarätige Musikalien-Sammlung Anton Ulrichs von Sachsen-Meiningen im Mittelpunkt. Der Fürstensohn hielt sich im frühen 18. Jahrhundert mehrmals in Wien auf, um beim Kaiser die Anerkennung seiner Ehe mit einer Hauptmannstochter zu erwirken. In der Kulturmetropole an der Donau hörte er bei jeder Gelegenheit Musik. Was ihm gefiel, ließ er kopieren.

Das italienische Barock-Ensemble La Venexiana stellte in der Schlosskirche einige Kantaten aus Anton Ulrichs Sammlung vor. Unter Leitung von Gabriele Palomba an der Theorbe, wechselten die sechs Musiker geschmeidig zwischen liedhaften und dramatischen Abschnitten.

Die Altistin Marta Fumagalli bezauberte mit leuchtendem Klang in allen Lagen. Emanuela Galli konnte mit einem etwas spröden Sopran da nicht ganz mithalten. Jedoch bleibt ihre inbrünstige Interpretation einer bittersüßen Sterbeszene des Venezianers Gianfrancesco Brusa im Ohr.

Die Stadtkirche von Meiningen. © Foto: Antje Rößler, BU: Stefan Pribnow, Aufnahme: Meiningen, 1.10.2021

In einem Nachtkonzert an der Reger-Orgel der Stadtkirche stellte Martin Sturm seine Begabung unter Beweis. Der Weimarer Orgel-Professor, der noch keine 30 Jahre zählt, widmete sich Max Regers Bearbeitungen von Bachs Präludien und Fugen; dazwischen bot er einfallsreiche eigene Improvisationen. Dabei schichtete er zarte Klangfarben an den drei Manualen derart transparent übereinander, dass man an leuchtende Aquarelle denkt.

Ein Schwerpunkt des Festivals widmete sich Michael Praetorius. Der berühmte Komponist an der Schwelle zum Barock stammt aus Creuzburg bei Eisenach. In diesem Jahr wird sein 450. Geburtstag und zugleich 400. Todestag gefeiert.

Unter der schwungvollen Leitung des Meininger Stadtkantors Sebastian Fuhrmann erklang eine „Michaelisvesper“ mit Hymnen und Psalmen von Praetorius und Zeitgenossen. Gleich zwei Vokal-Ensembles waren zugange: der Kammerchor der Meininger Kantorei und das studentische Walkenried Consort. Die Amateure sangen engagiert, ausdrucksstark, textverständlich. Unterstützung erhielten sie von der Capella Jenensis, die tänzerisch die Choräle umspielte.

Auch die Berliner lautten compagney ließ in der Stadtkirche das Praetorius-Zeitalter aufleben. Das Ensemble bot Raritäten aus mitteldeutschen Residenzen: von Rudolstadt über Weißenfels bis zum „Meininger“ Johann Ludwig Bach, der die hiesige Hofkapelle zu einer ersten Blüte brachte. Die Streicher und Sänger unter der Leitung von Wolfgang Katschner begeisterten mit ihren gefühlsbetonten und spannungsreichen Interpretationen das Publikum.

Ein Glanzstück war die Kantate des Naumburger Schütz-Schülers Johann Theile „Gott hilf mir, denn das Wasser gehet mir bis an die Seele“ – vertont durch zitterndes Wogen der Streicher und ängstliche Koloraturen.

Das Theater von Meiningen. © Foto: Antje Rößler, BU: Stefan Pribnow, Aufnahme: Meiningen, 1.10.2021

Bei einer Matinee im Meininger Theater stand Johannes Brahms im Vordergrund, gern gesehener Gast in Meiningen, als die Hofkapelle von seinem Freund Hans von Bülow geleitet wurde. Aufgeführt wurden Händels Kammerduette, deren Part der Tasteninstrumente Brahms ergänzte. Mezzosopran Claire Lefilliâtre machte aus ihrem Part regelrechte Mini-Dramen. Walewein Witten wechselte zwischen einem silbrig tönenden Cembalo und einem Flügel aus der Brahms-Zeit mit warmen Klangfarben.

Der „Güldene Herbst“ bot alles, was man sich von einem Musikfestival wünscht: tolle Künstler, prächtige Aufführungsorte, eine kluge Programmgestaltung. Im Wechsel mit Gotha soll Meiningen künftig alle zwei Jahre Thüringens Alte-Musik-Festival beherbergen.

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