Platonische Liebe zwischen alt und jung für jung und alt. Der Spielfilm Victoria und Abdul, jetzt im Kino, konnte nach einem Tagebuchfund entstehen

Der Film "Victoria & Abdul", am Astor annonciert. Die Filmlounge am Kurfürstendamm ist eines der wenigen Kinos, die noch gemalte Kinowerbung verwenden. © Foto/BU: Andreas Hagemoser, 2017

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Eine Liebesgeschichte. Zwischen zwei ungleichen Partnern. Ältere Frau und jüngerer Mann? Eine Inländerin mit einem Ausländer? Eine Weiße mit einem Dunkelhäutigen? Eine Christin mit einem Nichtchristen? Das alles, und noch viel mehr … und die Umgebung findet das alles gar nicht witzig. Doch sie kann es nicht verhindern. Denn die alte weiße Frau, die sich mit dem nichtchristlichen Ausländer einlässt, ist – die Königin von England. Wer einmal in Großbritannien war, kennt vielleicht die Häuser im viktorianischen Stil. Die sind, wie so manches mehr, nach Queen Victoria benannt, der Königin Viktoria, um die es hier im neuen Film „Victoria & A.“ geht, der deutschlandweit am 28. September 2017 in die Kinos kam.

Königin über das größte Weltreich der Geschichte

Victoria, die Siegreiche, die Siegerin, die Erste im größten Weltreich der Weltgeschichte. Das britische Reich, durch die Flotte verwaltet und erreichbar, war einschließlich seiner Kolonien größer als das Weltreich des Mongolenherrschers Dschingis Khan. Britische Könige und Königinnen gab es viele, nicht nach allen sind Möbelstücke, Baustile oder Epochen benannt.

Ein entscheidendes Kriterium, unter anderen Monarchen hervorzustechen und doppelt in die Geschichte einzugehen, ist ein langes Leben respektive eine langen Herrschenszeit.

Die Kangxi-Kaiser von China (sprich Kang-chi mit ‚ch‘ wie ich ‚euch‘), herrschten über ein halbes Jahrhundert. Es geht die Sage, es ist sogar ziemlich genau überliefert, ein chinesischer Kaiser habe nach 60 Jahren abgedankt, weil er nicht länger als sein Vater habe herrschen wollen, dessen Leistung ihm wichtiger schien und dessen Ruhm er deswegen nicht schmälern wollte.
Der Große Kurfürst herrschte 49 Jahre über Brandenburg, der preußische König und Kurfürst von Brandenburg Friedrich II., der alte Fritz, brachte es exakt 100 Jahre später auf 47 Regentschaftsjahre. Bis ins 20. Jahrhundert hinein wurden Heerscharen von deutschen Jungs Friedrich oder Wilhelm getauft oder Friedrich Wilhelm.

Königin Viktoria ist so alt und hat so lange geherrscht, dass ihr im Film Worte in den Mund gelegt werden wie: Ich sterbe einfach nicht.

Doch dann lebt die zähe Dame noch einmal auf.

Ausgerechnet ein Turbanträger hat es ihr angetan. Sie sind sich sehr verbunden, es entwickelt sich eine immer tiefere Beziehung zwischeneinander, doch stößt die Verbindung, die keine ist, auf immer stärkeren Widerstand ihrer Bediensteten, Untergebenen und Kinder.

Palastrevolution

Was ein Palastrevolution ist? In „Rebellen vom Liang Schan Moor“, in Japan als Serie verfilmt und sehr erfolgreich, werden die ehrlichen, in Kampfsport bewanderten Kämpfer für das Gute den bestechlichen Adeligen und Ministern gegenübergestellt.
Auf der einen Seite die Guten, die eine hohe Ethik im Hintergrund haben und das beste für ihr Land wollen, auf der anderen Seite der intrigierende Hofstaat, der kurzsichtig ist, auf den eigenen Vorteil bedacht, verwöhnt, egoistisch und skrupellos.
Als Kind schien es mir ziemlich unwahrscheinlich, dass der Kanzler soviel Einfluss haben könnte und den Kaiser so vom Volke isolieren, dass man ihm alles habe vorspiegeln können.
So als ob Erich Honecker ständig nur die Protokollstrecke fährt.

„Victoria & Abdul“ zeichnet diesen Konflikt, der wirklich innerhalb der Mauern des Palasts ausgetragen wird, sehr nachvollziehbar.
Und alles nur wegen dieses Dieners, der aus einer anderen Ecke des Riesenreiches gekommen ist; mit dem Dampfer. Wenn man die Dunkelhäutigen nicht mag, dann soll man sie nicht erobern. Wenn man ihr Land erobert, soll man sich nicht wundern, wenn ihre Einwohner das Mutterland erreichen. Sei es als Diener. Und es ist dann auch nicht ausgeschlossen, dass mal einer Inder in höchste Kreise aufsteigt.
Heute würde man wohl sagen: Ein Pakistani. Doch das war nach der Teilung und die kam nach der Unabhängigkeit Ende der 1940er Jahre. Weder im 19. Jahrhundert noch zu Beginn des 20. war nicht im entferntesten daran zu denken.
1887, als die Geschichte (Story) beginnt, war Gandhi – in der echten Geschichte (History – his story) – noch nicht einmal in Südafrika angekommen. Gandhi, genannt Mahatma, weilte mit Unterbrechung von 1893-1914 in Südafrika.

Ein bisschen erinnert das an einen Witz aus Indien:
Wer ist der mächtigste Mann in einem Dorf? Der Bürgermeister!
Und wer ist noch mächtiger als er? Seine Frau.

Davor hat das engste Umfeld der Königin vielleicht Angst gehabt. Aber vor allem um eigene Pfründe, Macht etc. Ein Mischung aus Neid, Eifersucht – versteckt hinter englischer Höflichkeit, eine Höf-lichkeit, die wohl höflicher als bei Hofe nicht geht.

Ein entzückender, herzlicher Film. Die Selbstbehauptung der Königin ist spannend zu beobachten – die Behauptung der Königin (!), die seit dem 1. Mai 1876 auch noch Kaiserin (von Indien!) wurde (Victoria Regina & Imperatrix). Danach nahm sie übrigens am öffentlichen Leben wieder teil. Etwa 10 Jahre später, 1887 das 50. Thronjubiläum, bei dem sie Abdul kennenlernt. 1897 das 60. Thronjubiläum – da war sie schon die am längsten regierende Monarchin Englands, Schottlands und Großbritanniens. Sie stirbt auf der Isle of Wight (“natürlich“). Sie war am 24. Mai 1819 im Kensington Palace geboren worden.

Geschichte

Königin Victoria war die am längsten amtierende britische Monarchin mit über 63 Jahren und sieben Monaten.
Erst 2015 wurde sie von Queen Elisabeth II. eingeholt (am 9. September).

Sie war verheiratet mit Albert von Sachsen-Coburg und Gotha.
Als dieser 1861 starb, zog sie sich aus der Öffentlichkeit zurück; herrschte aber noch 40 Jahr – bis ins 20. Jahrhundert hinein.

Seit 1714 im Barock hatte eine Personalunion zwischen Großbritannien und dem Kurfürstentum Lüneburg-Braunschweig, später kurz „Hannover“, bestanden. Hatte der König seinen Sitz in Hannover, herrschte er von dort auch über das britische Weltreich.

Diese Verhältnisse endeten am 20. Juni 1837 mit Viktorias Thronbesteigung. Aufgrund eines Gesetzes, das zwischen Frauen und Männern unterschied. Heute fiele es unter die Gender-Frage.
Das Salische Gesetz schloss Frauen von der Thronfolge aus. Dumm gelaufen. Vielleicht wäre der Erste Weltkrieg ausgefallen oder zumindest nicht so ungünstig für das Deutsche Reich verlaufen, wenn eine direkte Verbindung, nicht bloß eine Verwandtschaft, zwischen „England“ und Hannover als Teil des Deutschen Reiches, bestanden hätte.

Ein ganzes Zeitalter, das „viktorianische Zeitalter“, wurde nach Queen Victoria benannt. Nicht nur dem British Empire, nein auch der Mittelschicht ging es gut bis sehr gut.

Viktoria ist die Ururgroßmutter der jetzigen Königin. Übrigens auch die deren Mannes Philip.

Bei ihrer Geburt hieß die historische Victoria, die zu dem Film „Victoria und Abdul“ gehört, Her Royal Highness Princess Alexandrina Victoria of Kent.

Victoria und Victoria

Nicht zu verwechseln mit Kaiserin Friedrich, der Ehefrau des deutschen Kaisers Friedrich III., der Königin von Preußen. Deutsche Kaiserin und gleichzeitig –
Victoria Adelaide Mary Louisa, Prinzessin von Großbritannien und Irland; sie wurde erst 1840 geboren (da hatte die „Film-Queen“ in realitas bereits den Thron bestiegen). Sie ist die Mutter des letzten deutschen Kaisers, Wilhelm II. und starb im selben Jahr wie „unsere“ Königin Viktoria, am 5. August 1901 (auf Schloss Friedrichshof in Kronberg).

Die Queen Viktoria aus dem Film starb am 22. Januar.

Kurios: Nimmt man die ersten drei Buchstaben des Namen ihres Mannes (Albert), fügt ein ‚Du‘ hinzu und schüttelt die Buchstaben etwas durch, erhält man ‚Abdul‘.

Filmdaten

Bundesweiter Kinostart: 28. September 2017

112 Minuten. FSK ab 6 Jahren.

Besetzung: Judi Dench, Ali Fazal, Adeel Akhtar, Simon Callow, Michael Gambon, Eddie Izzard, Ruth McCabe, Tim Pigott-Smith, Julian Wadham, Olivia Williams, Fenella Woolgar

Regie: Stephen Frears

Drehbuch: Lee Hall

Inhalt:
Bei den prunkvollen Feierlichkeiten anlässlich ihres 50. Thronjubiläums 1887 lernt die manchmal etwas eigensinnige britische Monarchin Queen Victoria (Judi Dench) den jungen indischen Bediensteten Abdul Karim (Ali Fazal) kennen. Zur Überraschung ihrer Familie und Berater nimmt sie Abdul in ihr Gefolge auf – zunächst als Diener am königlichen Hof…

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