Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Das afrikanische Essensfest Berlin heißt original African Food Festival Berlin (AFFB). In Berlin führt der Weg nach Afrika übers Englische. Berlin ist eben keine Insel (mehr). Warum sollte das AFFB eine (tropische) Insel sein? A tropical island? Auch wenn wir alle verglobalisiert werden, oder nun aufgrund des Trumpschen Rückzugs aus G7 ja jetzt irgendwie doch nicht, verstehen die meisten Deutschen deutsch noch am besten. Schon klar, Weltsprache englisch. Die Filmfestivals Berlinale und SEEFF führen englisch als Festivalsprache genau wie manch andere Hauptstadtveranstaltungen (z.B. „Writing in Migration)“.
Natürlich hat die englische Sprache weltweit eine gewisse Dominanz erreicht. Doch feixen die Latinos seit den 80er Jahren, dass von Miami bis San Diego bald alles spanisch spricht. Die meisten Sprecher eines Volkes hat das Chinesische – und die Einwohnerzahl Indiens könnte bald, nachdem China die Ein-Kind-Politik jahrelang verfolgte, die Chinesen von ihrem Spitzenplatz ablösen. Auf die Sprachen gehen wir unten in einem eigenen Abschnitt ein, damit es einem wie Schuppen von den Augen fällt.
Kurz gesagt ist englisch eine Lingua franca für die (Exil-)Afrikaner. Für wenig Sprachbegabte ist englisch – auch unter Landsleuten – die Krücke, mit der man so gut laufen kann, dass deutsch bisweilen vernachlässigt wird. Berlin macht es ihnen leicht, nicht nur der Coffee ist aus Togo.
Anderseits führen die ausschließlich englischsprachigen Handzettel und Flyer dazu, dass deutschsprachige Berliner sich abgeschreckt fühlen oder schlicht nicht verstehen, was dort annonciert wird. Für Zweisprachigkeit mag ja auf einer postkartengroßen Werbung nicht viel Platz sein. Doch einladend und aufgeschlossen geht noch besser.
Eine Postleitzahl ist auf der Karte, die unter anderem im Babylon-Kino in Mitte auslag, auch nicht zu finden. Halten wir einfach mal fest: Es gibt Kommunikationshindernisse.
Das AFFB am 9. und 10. Juni: Ein Tropical island
Das Food Festival hatte je nach Betrachtung schon ein, zwei oder drei Vorgänger unter derselben Leitung, aber in anderem Rahmen. Es hieß eben nicht immer so. War kleiner.
2017 war es schon einmal am Osthafen. Warum tropisch? Warum Insel?
Tropisch waren die Temperaturen am Samstag, den 9. Juni allemal. Die Sonne schien krass und die abendlichen dunklen Wolken verdunkelten zwar die Sonne, aber die nicht mitgebrachten Regenschirme konnte man steckenlassen. Mancherorts in Deutschland maß man 42 Grad im Schatten. Am Sonntag dann nachmittags drei Regengüsse mit großen Tropfen, ohne dass die Wärme – sagte ich Hitze? – verschwand.
Warum Insel? Das Gelände am Hafen – welche bewohnte Insel hätte keinen, nicht wenigstens einen kleinen Anleger? – hat eine natürliche und zwei künstlich-natürliche Grenzen. Es ist überhaupt nur von einer Seite zugänglich – von der Straße – und von dort wegen der straßenseitigen Gebäude nicht einsehbar. Im Süden – hört sich auch schon nach Insel an, „Süden“ – bildet die Spree die Grenze. Im Osten und Westen Brücken. Nur im Norden ist das eindrucksvolle Haus Alt-Stralau 1 Zugang und Bollwerk zugleich.
Das Essen im Vordergrund, die Kultur im gut sichtbaren Hintergrund
Von der Esskultur mal abgesehen wurde dem Geist viel geboten. Writing in Migration, ein von der KBB (Kulturveranstaltungen des Bundes) veranstaltetes Festival afrikanischer Literatur, kooperiert mit dem AFFB. Es gab einen Büchertisch.
Für die Ohren und zum Tanzen „Live Acts“, also Konzerte, und zwar von MARY MAY und Gue Gue. Musik auch von Discjockeys: Selecta Maestro aus London, Djs Jamie, Jon, Nomi, Boris, Mo Lateef, Haizel und Chadna.
Fürs Auge die Kunstmesse „AFFB Art Fair“ mit „Upcoming African artists“, also Künstern, denen eine große Zukunft bevorsteht und den AFFB Designer Market, Kunsthandwerk, Design, Textildesign. Im Fachjargon „African inspired goods“. Waren, deren Herstellung vom Geist des afrikanischen Kontinents angeregt wurde.
Weiterhin wurden „Workshops“ und „Talks“ angeboten. An die Werkstätten hat man sich schon gewöhnt, Gespräche und Podiumsdiskussionen kennt man auch noch unter anderen Namen.
Natürlich gab es eine Kinderecke „Kids corner“ mit „beach“, am Strand.
Die Sache mit der Sprache: Was in Indien und Afrika anders ist
In Indien gibt es etwa 20 Hauptsprachen, Telugu, Kannada, ja, auch Hindi. Doch sollte uns die phonetische Ähnlichkeit der Wörter „Indien“ und Hindi“ nicht darüberhinwegtäuschen, dass weniger als jeder Sechste Inder Hindi spricht. Die Lösung für Wirtschaft und Volk: Englisch ist die Verkehrssprache. Und in Afrika?
Da wir hier kein Afrikanistikstudium ersetzen können, greifen wir nur drei Länder des südlich von uns gelegenen Kontinents heraus.
Angola: die Kolonialsprache weit verbreitet, und trotzdem …
Zuerst Angola. Warum Angola? Erstens wollen wir wegen des Alphabets im Westen anfangen, im Westen des Südteils (also im Südwesten), zweitens aus verschiedenen Himmelsrichtungen Staaten stichprobenartig betrachten.
Außerdem ist Angola wohl das Land, in dem sich die Kolonialsprache am weitesten verbreitet hat. Ein Drittel der Angolaner sind portugiesische Muttersprachler. Und trotzdem sehen wir sogar hier, dass es einfach „zu viele“ Sprachen gibt. Von vielen davon kennt man in Europa noch nicht mal den Namen.
„Unter den afrikanischen Sprachen Angolas am weitesten verbreitet sind das Umbundu, von der ethnischen Gruppe der Ovimbundu gesprochen, das Kimbundu der Ambundu und das Kikongo der Bakongo sowie dessen Kreolvariante Kituba .“ Der Wikipediaartikel fährt in der Version des AFFB-Wochenendes fort:
„Andere Sprachen sind Ngangela, Oshivambo (Kwanyama, Ndonga), Mwila, Nkhumbi, Otjiherero und Chokwe sowie das im 20. Jahrhundert von Rückwanderern aus dem Zaire eingeführte Lingala.“
11 beziehungsweise 12 Sprachen habe ich gezählt, portugiesisch war noch gar nicht dabei. Ein Einzelfall? Nein.
Die Sklaven auf den Farmen im Süden der USA konnten auch nicht miteinander sprechen, darauf wurde zum Beispiel in der Berliner PFF (Protestant Faith Fellowship) zurecht immer wieder hingewiesen.
Vielleicht ist Angola einfach zu groß? Kolonien wurden ja meist den Völkern ziemlich link abgeluchst, um es einmal salopp und umgangssprachlich auszudrücken.
Der Senegal
Also schauen wir einmal nach Senegal. Der Senegal liegt im Westen am Atlantik, nicht allzuweit südlich von den Kanaren. Insgesamt gibt es zurzeit etwa 15 Millionen Senegalesen.
Die sechs senegalesischen Hauptsprachen Wolof, Serer, Diola, Pulaar, Soninke und Mandinka gehören zwar alle zur Niger-Kordofanischen Sprachfamilie, doch die Sprecher können sich nicht verstehen.
Dabei ist der westafrikanische Senegal klein. Die Bonner Republik, die Bundesrepublik Deutschland in den Grenzen von 1988, war bereits ein Viertel größer als das Land, das aussieht wie ein Gesicht, das nach Westen guckt, mit Dakar als Nase. Der Staat umschließt außerdem das längliche Gambia, als sei es die Zunge im Munde Senegals.
120 Sprachen im Tschad
Hangeln wir uns weiter im Alphabet nach Tschad, sind wir wieder in einem großen Land, das etwa dreieinhalbmal soviel Fläche aufweist wie das heutige Deutschland.
Der Tschad ist nur unwesentlich größer als Angola. Ein Binnenland zwischen Niger und Sudan, zwischen Libyen und der Zentralafrikanischen Republik. Hier wohnen weit weniger als 14 Millionen Menschen auf einer Riesenfläche. 10 Einwohner pro Quadratkilometer. Im Norden ist es nicht heiß wie in der Sahara. Da ist Sahara.
Im Tschad gibt es 120 Sprachen. Die Amtssprachen sind französisch und arabisch, wichtig ist auch das Sara. Ja, Sara ist eine Sprache. Nicht nur ein Name. Weitere nennenswerte Sprachen sind Bagimi, Dazaga, Tedaga und Zaghawa. Sara ist mit knapp einem Drittel der tschadischen Sprecher die zweitwichtigste Sprache.
Zum Vergleich: In der Bundesrepublik gibt es nur eine Handvoll deutsche Sprachen, bei sechsmal soviel Einwohnern.
Die Bibel spricht nicht umsonst von Babylon und meint damit weder das Babylon-Kino in der Dresdner Straße noch das in Mitte.
Das viele Englisch sei also vorübergehend verziehen. Auf die Dauer ist die Frage allerdings berechtigt, warum deutsch für das AFFB nicht wichtiger ist. Das Fest in der deutschen Hauptstadt hätte bestimmt mehr deutschsprachige Gäste, wenn diese von dem Festival erfahren würden.
Ein tropical island ist Berlin nicht, trotz der um die Wiedervereinigung und in den 80er Jahren beliebten Postkarten von Claudia Katz-Palme. Sie kolorierte beliebte Motive wie von der Gedächtniskirche und dem Kurfürstendamm und fügte von Hand Palmen und wilde Tiere hinzu.
Ob ein solches tropical island ein Paradies wäre, ist auch noch zu klären. Klärungsbedarf heißt Kommunikation. Und die sollte in der deutschen Hauptstadt ab und zu mal auf deutsch ablaufen. Understand? Vastehste?