Henri Lopes ist tot – der Schriftsteller aus dem Kongo wurde 86

Der Schriftsteller Henri Lopes am 26. April 2012 in Genf auf dem Salon du Livre.
Der Schriftsteller Henri Lopes auf der Genfer Buchmesse. Photograph: Yrial, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons, Aufnahmeort: Genf (Genève, Salon du livre), Aufnahmetag: 26. April 2012 (Tschernobyl-Jahrestag)

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Henri Lopes (Henri Lopès) ist tot. Er starb im 87. Lebensjahr am 2. November ’23, einem Donnerstag, in Frankreich, in Suresnes (sprich: Sü-rähnn). Das ist in der Region Île-de-France und nur etwa ein Dutzend Kilometer von der Pariser Innenstadt entfernt (nach Westen). Besonders an der 50.000-Einwohner-Stadt links der Seine sind die 150 Brieftauben, die vom französischen Militär bis heute dort gehalten werden. Die Franzosen sind klug, sie verlassen sich nicht auf Strom und Datennetz für ihre Kommunikation.
Es ist kein Wunder, dass Lopès dort war an seinem Lebensende. Auf dem Höhepunkt seiner Macht war er Premier in einer ehemaligen französischen Kolonie Afrikas.

Aus welchem Kongo stammt Henri Lopès?


Auch Leute, die gut in Erdkunde sind, verwechseln schon mal die beiden Staaten, die es jetzt gibt, einen am Nordufer, einen am Südufer des großen Flusses. Das klingt einfach, ist es aber mitnichten, wenn man nicht ein paar Dinge weiß.

Der namensgebende Fluss wird in seinem Lauf umbenannt. Das riesige Land (die alte BRD hätte 9mal in Zaire hineingepasst, die neue immerhin noch 7mal) hatte drei Kolonialherren, die sich nahmen, was sie kriegen konnten. Sie alle kamen mangels Luftwaffe und Flugzeugen mit Schiffen. Portugal war früh vor Ort und verlor 1974 Cabinda, das nun – als Exklave nördlich des ehemaligen Zaires – eine Provinz Angolas ist. Belgien, obwohl klein, nahm sich das größte Stück: 2,345 Mio. Quadratkilometer. Frankreich erhielt ein „mittelgroßes“ Stück am rechten Ufer des Kongoflusses. Dieses Stück wurde nach der Unabhängigkeit 1973-75 von einer Regierung beherrscht, der Henri Lopes vorstand. Geboren wurde er aber in Léopoldville (heute Kinshasa) am linken Ufer des Unterlaufs der zweitlängsten Flusses Afrikas, des Kongos. Und also in Belgisch-Kongo, dem späteren Kongo-Kinshasa/ Zaire, der heutigen (seit 1997) Demokratischen Republik Kongo.



Der große Fluss



Alles beginnt im Mitumba-Gebirge (bis zu 1735 Meter hoch). Dort entspringen 6 große, wasserreiche Flüsse. Zwei davon sind unter den 4 längsten Afrikas. Obwohl wir uns wenig nördlich der Grenze zu Sambia befinden, also auf der Südhalbkugel dort, wo Afrika schmaler wird, fließt aus dem Gebirge kein Wasser nach Osten oder Westen ab (links oder rechts auf der Karte), obwohl der Weg nicht so weit ist. Die Berge verhindern das.

Wasser nach Süden (aus den Mitumbabergen) – drei Flüsse


Sambia erreicht man vom Kap der Guten Hoffnung, in dem man den 2einhalb-Millionen-Kalahari-Staat Botswana durchquert. Der Name Sambia, englisch ‚Zambia‘ geschrieben, leitet sich vom Sambesi(-fluss) ab, der aus den Mitumbabergen nach Süden fließt, genau wie der Lunga und der Kabompo. Letzterer ist ein Nebenfluss des Sambesi, das Lungawasser landet auch im Sambesi und letztlich im Indischen Ozean. Der Sambesi ist der größte Fluss Afrikas, der dorthin abfließt. Und der viertlängste nach Nil und Niger auf Platz 3. Zu Platz 2 der Top-Vier kommen wir noch.

Drei Hauptgewässer fließen nach Norden

Lualaba-(Kongo), LufiraLuvua. Der Lufira ist ein Nebenfluss des Lualaba und durchquert am seinem Weg den Tschangalele-See. Der Lualaba selbst – der spätere Kongo – fließt durch den Nzilosee und nimmt dann den linken Zufluss Lubudi auf. Ein Stück weiter flussabwärts, hinter weiteren Seen in der „Upemba-Depression“, nimmt der Lualaba den von rechts kommenden Lufira auf.

Weiter unten kommt der Luowa oder Lowa oder Luvua dann auch von rechts. Der Luowa verbindet den Mweru-See mit dem Lualaba. Eigentlich ist der Luapula, der (von weiter oben vom Bangweulusee kommend) in den Mwerusee fließt, derselbe Strom. Und auch der Chambeshi, der noch oberhalb des Bangweulusees entspringt, ist eigentlich derselbe Fluss, weshalb man manchmal vom Chambeshi-Luapula-Luvua spricht. Da er länger ist als der Oberlauf des Lualabas, könnte man ihn als Quellfluss des Kongos/ Lualabas ansehen. Doch er führt weniger Wasser, der Fluss mit den drei Namen und zwei Bindestrichen (Chambeshi-Luapula-Luvua). Deshalb sieht man ihn als Nebenfluss des Lualabas und damit des Kongos. Ähnliche Überlegungen wurden auch mit Spree, Ober- und Unterhavel angestellt.

Wir stellen uns hier nicht so an und nennen einfach den Namen des Hauptstroms (englisch: main stream).

An den Boyoma-Wasserfällen wechselt der Luala den Namen

Der Luala oder Lualaba quillt aus den Mitumbabergen hervor. Er mündet in den Atlantik und heißt dann dort Kongo. Aber zunächst fließt er nach Norden und nimmt unter anderem das Wasser des Lukuga auf, der den Tanganjikasee entwässert(!). Elf Nebenflüsse hat der Luala(ba), sie beginnen auch fast alle mit „L“, darunter alle drei linken Nebenflüsse. 386 Meter über dem Meer, unweit des Äquators, dem er zuströmt, fließen 6400 Kubikmeter Wasser ab – jede Sekunde. Wenn sie dann hier, aber unten an den Boyomafällen (bei Kisangani) ankommen, heißt der Fluss plötzlich Kongo. Wieso einfach, wenn’s auch kong-pliziert geht.

(Genauer gesagt entspringt der Lualaba im südlichen Mitumbagebirge an der Grenze zur Lundaschwelle, eine der fünf großen Kontinentalschwellen Afrikas. Die Quelle liegt etwa 100 km von Lubumbashi, der zweitgrößten Stadt der Demokratischen Republik (DR) Kongo, entfernt. Damit verbinden Luala & Kongo fast die beiden größten Städte der DR. Lubumbashi mit 2,2 Millionen Einwohnern ist das Zentrum der rohstoffreichen Region Haut-Katanga und hat insofern auch mit uns etwas zu tun.)

Henri-Lopes-Buch "Blutiger Ball"
Umschlag des Henri-Lopes-Buches „Blutiger Ball“. copyright 2023 Photo/ BU: Andreas Hagemoser


Woher wir Henri Lopes in Deutschland kennen

Der Verlag Volk und Welt veröffentlichte sein Buch Blutiger Ball. 1984 in der DDR. Ursprünglich erschienen – kein Wunder – 1982 in Paris auf französisch. Originaltitel Le Pleurer-Rire, zu deutsch wörtlich: ‚Das Weinenlachen‘ (oder ‚Lachenweinen‘). Bereits ein Jahr zuvor war im Westen „Die strafversetzte Revolution“ erschienen, das 1977 in der Originalausgabe (OA) „Sans tam-tam“ erschien. Zu deutsch: Ohne Tamtam. Nach der Wiedervereinigung, als es den Verlag Volk und Welt noch gab, erschien 1994 „Der Geruch deiner Haut“. Die OA hieß Sur l’autre rive. Zu deutsch: ‚Am anderen Ufer‘. Wer jetzt nicht gerade an Schwule denkt, kommt auf das Fluss-Thema zurück. In Paris und in den Kongos spielen ein Fluss eine Rolle und besonders seine Ufer. Nach der Seine richtet sich Rive-gauche – das „linke Ufer“. Sur l’autre rive erschien 1992 bei Editions du Seuil. Das linke Kongoufer war belgisch, das rechte französisch. Vorübergehend. Der Titel hätte sich darauf beziehen können, dass Lopès an einem Ufer des großes Kongoflusses geboren wurde und am anderen regierte.

Bereits 1972 erhielt Lopes für Tribaliques den Grand Prix littéraire de l’Afrique noire (GPLAN), wie er seit 1961 hieß (früher Prix coloniaux). 1993 einen weiteren Grand Prix, den Grand Prix de la francophonie der Académie française. Ebenfalls ’93 wurde er Dr. h.c. einer Pariser Uni und erhielt 2002 in Québec noch eine Ehrendoktorwürde. Nach dieser kanadischen Auszeichnung durfte er sich 21 Jahre lang Dr.h.c.Dr.h.c. Henri Lopès nennen.

Der Schriftsteller Henri Lopes war auch Politiker

Er war von 1973 bis 1975 Premierminister der Republik Kongo *. Als er diese Machtposition übernahm, war er 36 Jahre alt. Geboren 1937 am 12. September im Sternzeichen Jungfrau wurde er Diplomat, verfasste Bücher und wurde Regierungschef – der Rep. Kongo. Wie gesagt. Geboren wurde er aber in Léopoldville. Das liegt zwar am Kongo, dem Fluss; heißt aber heute Kinshasa und ist die Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, dem ehemaligen Belgisch-Kongo.

Henri Lopes wurde in Léopoldville geboren, das ändert sich auch nie, egal wie oft ein Ort umbenannt wird. Wenn jemand in Leningrad geboren wurde, bleibt das so in seinem Pass verzeichnet, auch wenn man jetzt wieder Sankt Petersburg sagt. Bei einem Memeler steht zeitlebens Memel als Geburtsort im Pass. Das gleiche gilt für Königsberg i.Pr. (heute Kaliningrad) oder Port Arthur.

Wer es ins Lexikon oder den Duden schafft, der wird auch immer nur denselben Geburtsort haben, der dort angegeben sein wird. Zu Lebzeiten und nach dem Tod.

Manches ändert sich nie. Anderes ist im Fluss. Und wenn es fällt, heißt es prompt anders.

* Republik Kongo

342.000 km² groß (etwas kleiner als die Bundesrepublik Deutschland), rechts des Kongos gelegen, 2022 etwa 5.550.000 Einwohner.

Man spricht französisch(Amtssprache). Daneben Lingala und Kituba als nationale Verkehrssprachen.

Die Hauptstadt Brazzaville (Partnerstadt Dresdens) hat wohl knapp 2 Millionen Einwohner. (Hier regierte einst Henri Lopes.) Sie liegt – sie wissen schon, westlich welchen Flusses. Der Fluss ist hier aufgestaut und bildet einen Stausee, Pool Malebo genannt**. Auf der Ostseite liegt Kinshasa, das ehemalige Léopoldville. Beide Hauptstädte sind mit einer Fähre verbunden.

Kinshasa

gilt als größte Stadt Afrikas mit etwa 16 Millionen Einwohnern. Noch vor Lagos. Das ehemalige Léopoldville ist Hauptstadt der

DR Kongo.

Friede, Gerechtigkeit, Arbeit ist das Motto der DR. Da sie so riesig ist, grenzt sie an 9 Länder und mit einem Flaschenhals an den Atlantik. Mit knapp 100 Millionen Einwohnern sind es trotzdem nur 43 auf den Quadratkilometer. Zum Vergleich: Die BRD heute grenzt auch an neun Nachbarn und an den Atlantik, zum Beispiel in der Deutschen Bucht der Nordsee. Doch obwohl die Bundesrepublik nur etwa soviel Einwohner weniger hat als die DR Kongo, wie es Leute in Kinshasa gibt, sind es aufgrund der heutigen Größe Deutschlands derzeit 236 pro Quadratkilometer.

Man spricht französisch(Amtssprache). Daneben Kituba, Lingala, Swahili und Tschiluba, die Nationalsprachen.

Im Motto steht Paix, der Friede, zuerst.

**Fun facts: Der Kongo ist unterhalb des Beckens nicht mehr schiffbar. Bei Rhein, Weser, Elbe und vielen anderen Flüssen weltweit ist es so, dass sie immer besser schiffbar werden, je näher sie dem Meer sind und je breiter. Beim Kongo stimmt auch das nicht.- Klar ist ja, dass an den (Boyoma-) Wasserfällen, wo der Fluss oben Luala und unten Kongo heißt, der Fluss nicht schiffbar ist und in Quellnähe ebenfalls nicht. Der Luala ist aber zwischendurch von Rongolo bis Kindu auch nicht schiffbar; und der Kongo von Kinshasa bis Matadi nicht. Matadi liegt kurz vor der Mündung in den Atlantik.

Gemessen an der Wasserführung ist der Kongo der größte Strom Afrikas und sogar weltweit der zweitgrößte.

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