2015 endet mit Licht im Film – Carlos Reygadas‘ „Stilles Licht“ aus Mexiko eröffnet und beschließt Filmreihe im Berliner Arsenal

© Foto: Andreas Hagemoser, 2015

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Im Rahmen der „Magical History Tour“ des Arsenals ging und geht es im Dezember um ein Basic des Films: Am Anfang ist das Licht – allemal im Kino. Der Schein einer wattstarken Projektorlampe mutet wie ein strahlkräftiges Echo des Grundthemas des Films an: dem des Lichts. Keine Dreharbeiten ohne Tages- bzw. künstliches Licht, ohne Führungs- oder Fülllicht, ohne Scheinwerfer und vor allem nicht ohne das lichtsetzende und -gestaltende Kamera- und Beleuchterteam. Die Lichtgebung und -führung ist ein unverzichtbares inszenatorisches, künstlerisches, strukturierendes, dramaturgisches Mittel, das Geschichten erzählt, Stimmungen kreiert, Emotionen auslöst. Einen Eindruck der höchst unterschiedlichen Arbeit mit und Wirkung von Licht (und Schatten) im Film vermittelt die Magical History Tour zum Jahresende: „Licht im Film“ ist programmiert vom 1. bis 30. Dezember 2015 im Kino Arsenal.

Die Termine „zwischen den Jahren“ im einzelnen:

Montag, 28.12.2015, 19 Uhr, „Fontane Effi Briest“ von Rainer Werner Fassbinder, BRD 1974, OmE 140 Minuten

Keine der zahlreichen Effi-Briest-Verfilmungen hält sich strenger an die literarische Vorlage, stellt die Adaption für ein anderes Medium deutlicher heraus als Fassbinders filmische Bearbeitung des Gesellschaftsromans. Trotz aller Originaltreue in Text- und Ausstattungsbelangen ist es dennoch „ein Film über eine vergangene Zeit aus unserer Sicht“, Fassbinders persönliche Lesart des Romans und gleichzeitig ein Film über „Fontane, über die Haltung eines Dichters zu seiner Gesellschaft. Es ist die Haltung von einem, der die Fehler und Schwächen seiner Gesellschaft durchschaut und sie auch kritisiert, aber dennoch diese Gesellschaft als die für ihn gültige anerkennt.“ (RWF) Gerahmt und unterteilt von gleißenden Weißblenden, die gleichsam Erstarrung und Auflösung anzudeuten scheinen, folgt der Film dem Schicksal der jungen Effi Briest (Hanna Schygulla), die den 20 Jahre älteren Baron von Instetten (Wolfgang Schenk) heiratet, in ihrer Ehe keine Liebe findet und sich in eine Affäre flüchtet.

Dienstag, 29.12.2015, 20h, „Der Himmel über Berlin“ von Wim Wenders, BRD/F 1987, 127 Minuten

Bruno Ganz und Otto Sander als Engel in Berlin, überirdisch, von Kamera- & Licht-Meister Henri Alekan in ein oft als „metaphysisch“ bezeichnetes Licht getaucht: „Ihm (Alekan) gelingt es, über das Licht immaterielle Gestalten zu schaffen. Als habe er selbst im Geheimnis des Lichts Zugang zu diesem feenhaften Universum.“ (Wim Wenders) Zugang haben auf jeden Fall die Engel Damiel (Bruno Ganz) und Cassiel (Otto Sander), Zugang aber auch zur geteilten Stadt, die sie durchstreifen, ihren Bewohnern unbemerkt zuhören, sie unerkannt trösten und unsichtbar Anteil nehmen. Bis sich Damiel in eine Trapezkünstlerin (Solveig Dommartin) verliebt und die Sphäre der Engel und des Lichts verlassen möchte.

Mittwoch, 30.12.2015, 19.30 Uhr, „Stellet Licht“ von Carlos Reygadas, Mexiko/F/NL/D 2007, OmU 136 Minuten

Das titelgebende, leitmotivische „stille Licht“ steht gleich am Anfang dieser gleichnishaften Dreiecksgeschichte. Die erste Szene zeigt den langsamen Anbruch des Tages, das einsetzende Sonnenlicht, welches eine Farbsymphonie von schwarzgrau bis goldgelb-weiß auslöst. Doch in das „stille Licht“ drängt sich eine urwüchsige Tonwelle von Natur- und Tiergeräuschen – atmosphärische Grundstimmung der unglücklichen Liebesgeschichte zwischen Marianne, dem verheirateten Johan und seiner Ehefrau Esther, allesamt Mitglieder einer tiefreligiösen, mennonitischen Gemeinde in Mexiko. Mit Laiendarstellern der deutschstämmigen Glaubensgemeinschaft und auf Plautdietsch gedreht, dem Plattdütsch der Mennoniten, entwirft der Mexikaner Reygadas eine der Zeit enthobene Tragödie um Schuld, Sühne und Erlösung.

Kino Arsenal im Filmhaus, 2. Untergeschoss, Sony-Center, Potsdamer Straße 2, 10785 Berlin

Anzeige

Vorheriger ArtikelMenschen und Sensationen im Roncalli Weihnachtszirkus
Nächster ArtikelEntzaubert – Katie Mitchells Blick in „Ophelias Zimmer“ in der Berliner Schaubühne