Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Auf der Grünen Woche kann man Spezialitäten aus der ganzen Welt probieren, auf der Internationalen Tourismus-Börse ITB, der Leitmesse ihrer Zunft, fast jede nur mögliche Reise finden oder sich zusammenstellen. Trotz dieser Arbeitsteilung wird man auf der Reisemesse an manchen Ständen gebeten, etwas Leckeres zu probieren. Eine nett gemeinte Werbung für ein Reiseziel, die nicht satt macht. Der Direktor des neuen Filmfests im IL-Kino Nansenstraße hat nun, wie wir finden, eine Supermischung erfunden: Das Travelling Film Festival. Zum Preis eines kleinen Essens in einem Restaurant unterer Kategorie oder zum Preis einer Vorspeise im Adlon oder bei Lutter und Wegner (?) kann man sich nicht nur sattessen, sondern was erleben.
An jedem Tag geht die Reise woanders hin: Nach Kroatien, Serbien, Sardinien, in die sieben Vereinigten Arabischen Emirate oder nach Moldau. Kroatien hat bestimmt keinen Alleinanspruch auf Kartoffelbrei oder italienische Nudeln, doch braucht man ja auch eine Sättigungsbeilage. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Alle an einem Abend angebotenen Speisen am Buffet sind landestypisch.
Das erste Land auf dem Travelling Film Festival: Kroatien
Beispiel Eröffnungstag: Das erste Travelling Film Festival begann am Mittwoch, den 28.11.2018 mit dem „Croatian Day“ (sprich: kro-ej-schen Dej). An diesem kroatischen Tag wurde man sehr zuvorkommend von gutaussehenden, jungen Damen begrüßt. Als erstes gab es eine Art Aperitiv, zum Beispiel ein Glas roten, kroatischen Weines. Wir lehnten dankend ab, der Arbeitstag ist noch lang.
Dann wurde man höflich und freundlich ins benachbarte Kino gebeten. Kurze Wege erfreuen. Ein paar Stufen geht es hinauf und man befindet sich im länglichen Saal mit sichtbaren, roten Mauersteinen. Hinten an der Stirnseite die Leinwand. Die Veranstaltung ist restlos ausverkauft.
Es begrüßt einen der Festivaldirektor, dann sprach seine Exzellenz, der Botschafter von Kroatien ein paar freundliche Worte und eine Vertreterin des kroatischen Fremdenverkehrsbüros.
Auf der Leinwand ein gut gemachter Werbefilm für das Land, das Ruinen aus allen Epochen seit der Römerzeit vorweisen kann. Irgendwo hier wurden die osmanischen Eroberungen gestoppt. Die Türken vor Wien, das war nur eine kurze Episode (1529 bzw. 1683). Doch auf dem Balkan verlief der Reißverschluss, der Europa trennte. Das Amselfeld ist im nahen Kosovo.
Kroatien: All the best
Nachdem in dem Imagefilm über das besuchenswerte Land, das gar nicht so weit von der Bundesrepublik Deutschland entfernt ist, oft nicht nur in Sportkreisen berühmte Basketballer und Fußballer an malerischen Orten aufgenommen wurden, gab es All the best. „All the Best“ ist ein wunderbarer Advents- und Weihnachtsfilm voller Liebesgeschichten aus dem Jahr 2016. Der teilweise Kenntnis von Fremdsprachen führt zu Komik, denen die Lachmuskeln nichts entgegenzusetzen haben. „All the Best“ lief auch auf dem SEEFF, dem South East European Film Festival, bei dem unter anderem Kroatien wie Serbien und Moldau mit je einem Streifen vertreten sind, aber das macht nichts. Es ist eine super Komödie, die anzuschauen auf jeden Fall lohnt. Menschenkenntnis und die Macht des Zufalls sowie die Kraft des Gesangs führen am Ende des Films, das am 24.12. spielt, zu einem mehrfachen Happy-End. Mehrere Szenen spielen bei Proben und Aufführungen in der Oper.
Nicht nur Sardinen auf Sardinien
Vier weitere Länder bedenkt das neue Travelling Film Festival. Darunter Sardinien, was heute kein Staat mehr ist. Doch wir finden es schön, dass auch Regionen dazugehören. Eine eigene Küche gibt es ja. Und dazu gehören nicht nur Sardinen (und Sardellen). Aus der Dose sind beim TFF nur die Filme.
Übrigens: Nizza, Nice, liegt an der Côte d‘Azur unweit von Cannes. Cannes, Venedig, Berlin, das sind die großen A-Filmfestivals.
Nizza gehörte wie Teile Savoyens und des Piemonts zum Königreich Sardinien.
In Zukunft Bayern?
Vielleicht gibt es ja in Zukunft mal einen bayerischen Tag. Durch und durch bayerische Filme – teils mit deutschen Untertiteln – gibt es ja. Vielleicht sind einige davon auch englisch untertitelt worden; das zu überprüfen wäre eine Aufgabe für den Veranstalter. Als Gast zur Begrüßung käme Horst Seehofer infrage. Falls er einverstanden wäre. Seehofer könnte Urbayerisches von sich geben und befindet sich als Innenminister der Bundesrepublik Deutschland ja öfter mal ganz in der Nähe. Eine kohlendioxidarme Anreise wäre also durchaus möglich.
Da er ein Heimatministerium geschaffen hat, beziehungsweise die Deutschen es ihm verdanken, wäre eine Einführung in die Eigenheiten des bayerischen Freistaats durch Horst Seehofer durchaus naheliegend und umso mehr angesagt.
Sardischer Tag auf dem Travelling Film Festival
Am Sonntag, den 2.12.2018 (auch 1. Advent) schließt nicht nur das Travelling Film Festival gegen Mitternacht seine Pforten, es gibt auch nochmal einen echten Höhepunkt. Es soll voll werden.
Gezeigt wird der Film „Cabras, where Fables are born“ (‚Cabras, wo Fabeln geboren werden‘) aus dem Jahr 2015 (Originalversion/OV mit englischen Untertiteln (UT)). Gegen 9 Uhr abends dann das sardische Buffet dazu.
Das Travelling Film Festival mit klarer Struktur
Schön ist an diesem Festival das klare Programm mit immer gleichem Ablauf. Jeder Tag ein anderes Land. Kein Ruhetag dazwischen, den man sich merken müsste; keine anderen Uhrzeiten. Immer um 19 Uhr fängt es an; man braucht sich also nur die Länder auszusuchen oder geht einfach jeden Tag hin, um Festivalatmosphäre zu schnuppern. Durch das Café im Eingangs-Raum mit der Kasse ist es hier auch nie langweilig.
Ideal für alle, die sich ein paar Termine durchaus merken können und nicht jeden in einen Online- oder Handy-Kalender eintragen müssen, wo er für Google und Hacker tag und nacht sichtbar ist.
Ideal für alle, die nach jeder Kulturveranstaltung einen knurrenden Magen haben und sich andernfalls erst etwas suchen müssten. Angemessen preiswert ist es obendrein. Gerade an Wochenenden reichen 15 Euro in Cineplexkinos kaum für die Eintrittskarte und das ewig gleiche Kino-Kommissbrot aus gepufftem Mais mit zuviel Zucker.
Die Veranstalter des Reisefilmfests konzentrieren sich jeden Tag auf ein Land. Film und Abendessen sind in den Worten der Filmfest-Leute dazu gedacht, ein „besondere Reiseerfahrung aus Bildern, Klängen und Aromen“ zu ermöglichen.
Das finden wir toll.
Wo?
Travelling Film Festival Berlin, IL-Kino, Nansenstraße 22, 10247 Berlin-Neukölln („Kreuzkölln“),
Anfahrt mit der BVG: Bus M29 Pflügerstraße (Tag und Nacht möglich), U-Bahnhof Hermannplatz U7 (auch Freitag- und Samstagnacht) fußläufig erreichbar, etwa 7-15 Minuten, verschiedene Wege möglich. Wir empfehlen die Seitenstraßen zur Vermeidung von Verkehrslärm und Abgasen. In der Nähe ist ein Platz mit einer Kirche, wo einem auch schon mal ein Fuchs begegnen kann.
Travelling Film Festival Berlin, 28.11. – 2.12.2018 jeweils ab 19 Uhr.
Ablauf: 19 Uhr Begrüßung und Präsentation, 19.15 Uhr Filmvorführung (Originalversion mit englischen Untertiteln; nicht auf deutsch), 21 Uhr Dinner
Programm der mittleren Tage des Travelling Film Festivals Berlin
29.11.2018 (Donnerstag) „Emirates Day“, Emirate-Tag
„On borrowed Time“ (‚Über geborgte Zeit‘) aus dem Jahr 2018 (Vereinigte arabische Emirate VAE (englisch UAE)) + VAE-Buffet
30.11.2018 (Freitag): „Moldovan Day“, Moldau-Tag
„Wedding in Bessarabia“(‚Hochzeit in Bessarabien‘), ein moldauischer Film aus dem Jahr 2009, anschließend Buffet mit moldauischen Spezialitäten
1.12.2018 (Samstag/ Sonnabend) Serbischer Tag („Serbian Day“)
„Out of the Woods“ (‚Aus den Wäldern‘, 2017), ein recht aktueller serbischer Film gefolgt von einem serbischen Buffet
Und am Horizont: Die Berlinale – Kulinarisches Kino
Die Berlinale bietet seit Dieter Kosslick auch das „Kulinarische Kino“ an. Allerdings sind die Filmvorführung und das Essen danach räumlich etwas getrennt; weit mehr Zuschauer gucken den Film, gehen dann aber nicht zum essen. Das ist eine Geldfrage, aber auch eine Platzfrage. Die Plätze für die Kombinierte Karte Film plus Dinner sind heiß begehrt.
Auch hier wird das Menü extra zusammengestellt. Wie es zum Film passt, können wir aus eigener Erfahrung nicht beurteilen. Es ist uns noch nie gelungen, eine Karte zu ergattern. Die Speisefolge ist allerdings auf einen Film zugeschnitten, nicht ein Land.
Die teils sehr guten Dokumentarfilme behandeln zum Beispiel das Überleben des Planeten, Sushi oder ein bestimmtes Restaurant.
Jeden Abend einem Land zu widmen, ist etwas anderes. Eine tolle Idee, der wir Wiederholung wünschen.
Für die hauptsächlich des Deutschen mächtigen Zuschauer müsste man wohl noch ein neues Festival erschaffen. Das besagte wurde unter anderem von der „Berlin Italian communication“ organisiert und von den vier Ländern und Sardinien unterstützt.