Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Der Berlinale-Eröffnungsfilm „She came to me“ erweist sich als moderater Film, der dank der Schauspieler Peter Dinklage und Marisa Tomei nicht gänzlich im Bedeutungslosen versinkt.
Nach gut drei Jahren Corona soll die „73. Berlinale“ (Eigenangabe) wieder zu alter Form bzw. in den vorgegebenen Rahmen zurückfinden. Da die Berlinale ein politisches Festival ist, wird aus gegebenem Anlass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensky per Videobotschaft zugeschaltet. An weiterer Stelle steht dann hier natürlich die Eröffnungsgala ohne Corona-Beschränkungen und gern mit Hollywood-Prominenz. Dies ist ebenso gegeben. Einmal durch Jury-Präsidentin Kirsten Stewart und schließlich durch die Darsteller des Eröffnungsfilms „She came to me“, Peter Dinklage, Anne Hathaway und Marisa Tomei.
Und „She came to me“ ist genau der richtige Film zum Start der Berlinale. Er vereint den Anspruch, daß Menschen ihre Beziehungen untereinander und zu sich selbst ausloten, und untermalt diesen zugleich auf humoristische Weise, auch wenn das letztendlich leider nicht vollends gelingt. „She came to me“ ist im Prinzip kein schlechter Film. Die Filmemacher wissen jedoch aus den Figuren, dem komplexen Figurengebilde und der Geschichte nicht das Optimale herauszuholen und bleiben damit im Bereich der Mittelmäßigkeit.
In „She came to me“ dreht sich in erster Linie alles um den Opernkomponisten Steven (Peter Dinklage), der mit der Psychologin Patricia (Anne Hathaway) verheiratet ist und sich in einer Schaffenskrise befindet. Patricia rät ihm, sich auf die Suche nach Inspiration zu begeben, die dann auch schnell und schicksalhaft erfolgt. In einem Pub trifft er die Schlepperkapitänin Katrina (Marisa Tomei), mit der er schläft. Sie trägt als Muse zur Vollendung seiner nächsten Oper bei, die selbstverständlich genau das Verhältnis von Steven und Katrina zum Inhalt hat. Doch damit nicht genug. Sein Stiefsohn Julian (Evan Ellison) führt doch gleichzeitig eine Beziehung mit der jüngeren Nachbarstochter Tereza (Harlow Jane), die das Pech hat, mit ihren 16 Jahren noch minderjährig zu sein. Gegen diese Beziehung ist Terezas erzkonservativer Vater Trey (Brian d’Arcy James), der historische Reenactments liebt und sich als Gerichtsstenograf zum selbsternannten Staatsanwalt aufspielt und Julian droht, ihn als Kinderschänder anzuprangern. Drama! Doch da wird Abhilfe geschaffen, indem beide mit Hilfe von Katrina per Schlepper in einen benachbarten Bundesstaat geschippert werden, wo sie heiraten und so per Gesetz des jeweiligen Bundesstaates die Beziehung legitimieren. Ende gut, alles gut?
Das große Ganze klingt hier nicht zufällig nach kleiner Komödie. Doch die Filmemacher scheinen mehr zu wollen. „She came to me“ ist auch ein Film über Menschen in Krisen und deren Beziehung zueinander, kurzum: Beziehungskrisen. Im Spielfilm werden zugleich zwei Liebesgeschichten, die von Steven und Katrina sowie die von Julian und Tereza, verwoben.
Regisseurin Rebecca Miller ist hier allerdings überambitioniert unterwegs. Sie will einen Film mit komplexen Figuren und zwei Liebesgeschichten sowohl auf ernste als auch auf humoristische Weise erzählen. Der Film bewegt sich daher gewollt zwischen leichter Komödie und Problem-Romanze. Die Erzählung überzeugt aber am Ende nicht rundherum. Sie ist stellenweise zu klischeehaft. Die Figuren bleiben bisweilen blass, einerseits, und andererseits zu stereotypisch. Die Geschichte schippert wie der Schlepper von Katrina vor sich hin, ohne wirkliche Wendepunkte und ohne dass wir das Gefühl haben, die Figuren/ Charaktere würden tiefgreifende Veränderungen erfahren.
„She came to me“ ist ohne Zweifel ein technisch gut umgesetzter Film, deren Verantwortlichen man zugutehalten muss, dass sie mit der Besetzung des kleinwüchsigen Peter Dinklage als Opernkomponist die gängige Norm dieses Besetzungstypus durchbrachen und somit eine erfrischend andere Sichtweise aufzeigten. So sind es denn Peter Dinklage und Marisa Tomei, die hier schauspielerisch am stärksten überzeugen können. Sie geben wahrlich ein ungewöhnliches Film-Paar ab, dem Zuschauer einiges abgewinnen können. Gerade die Szenen der beiden, an denen der Film an Leben gewinnt, sind solche. Insbesondere Marisa Tomeis Rolle der Katrina ist die abgefahrenste des ganzen Films und man merkt ihr an, dass sie Freude beim Spielen hatte. Anne Hathaway bleibt in ihrer Rolle der unter religiösen Zwangsvorstellungen leidenden Therapeutenehefrau hingegen hinter den Erwartungen zurück. Das liegt sicherlich nicht an ihr, sondern an der Figur und Vorgabe, die hier eben klischeehaft und eindimensional gezeichnet ist. Das Drehbuch ist doch das A und O eines Filmes, oder?!
„She came to me“ ist ein Film, bei dem einen das Gefühl beschleicht, er hätte mehr sein können, aber die Macherin das Potential ihres Themas und ihrer Figuren nicht gekonnt auszunutzen wußte. Dieser Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale ist Komödie, aber nicht wirklich, sondern Beziehungs-Drama und Problem-Romanze. Das ist er jedoch nicht formvollendet. Alles bewegt sich zwischen beidem und nichts wird (wohl bewusst) festgelegt. Zwar schafft es Regisseurin Rebecca Miller, Land und Leute gut zu inszenieren, nicht aber, ihre Geschichte am Ende in die richtigen Bahnen zu lenken.
Grundsätzlich sind genreübergreifende Spielfilme immer die interessantesten, aber genauso die am schwierigsten zu gestaltenden. Das kann auch in die Hose gehen. Dieses Kunststück, diesen Spagat schaffte Rebecca Miller nur zur Hälfte. Plumps!
„She came to me“ ist ein solider Streifen, der nicht begeistert.
Filmographische Angaben
- Originaltitel: She came to me
- Staat: USA
- Jahr: 2023
- Regie: Rebecca Miller
- Buch: Rebecca Miller
- Kamera: Sam Levy
- Montage: Sabine Hoffman
- Musik: Bryce Dessner
- Darsteller: Peter Dinklage (Steven Lauddem), Marisa Tomei (Katrina), Joanna Kulig (Magdalena), Brian d’Arcy James (Trey), Anne Hathaway (Patricia), Harlow Jane (Tereza), Evan Ellison (Julian)
- Produzenten: Damon Cardasis, Pamela Koffler, Christine Vachon, Rebecca Miller, Len Blavatnik, Anne Hathaway, Cindy Tolan, Ged Dickersin
- Spieldauer: 102 Minuten