Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). 52 kleine und große ESKAPADEN VON SANKT PETER-ORDING BIS SYLT heißt das Buch von Elke Weiler genau. Wie alle Bücher der Reihe mit allen Touren zum Download und unter dem Motto: „Ab nach draußen“. Dass das an der Nordsee auch mal mit Regenjacke, Schal und Mütze geschieht, wissen wohl nicht nur die Norddeutschen. Auf die Reihe aufmerksam geworden waren wir bei der Verleihung der ITB-BuchAwards 2019. Einen der beiden Hamburg-Preise gewann das sehr gute Buch „Eskapaden in und um Hamburg“.
Bereits dort stießen wir auf Sankt Peter-Ording (SPO). Sankt Peter, wie es kurz genannt wird, wurde im letzten Satz der Beschreibung von Tour 47 – „Baden in der Meldorfer Bucht: Es muss nicht immer Sandstrand sein“ – erwähnt. Diesen letzten Satz verfassten Stefanie Sohr und Volko Lienhardt gewohnt frisch. Vorher erfolgte der Hinweis, dass sich Eingeweihte in der Hochsaison nicht mehr in den Stau zum Strand einreihen müssen . Gemeint ist der Strand von St. Peter. „Stattdessen wird gebadet“. „Und nach Sankt Peter-Ording geht‘s erst wieder, wenn die Sommerferien vorbei sind.“
SYLT und Sylt und warum das kein Zufall ist
Wer bei einem großen Möbelhaus – nicht Home24, deren Läden sind Outlets oder Showrooms und Lebensmittel spielen dort keine Rolle – Erdbeer- oder Blaubeermarmelade kaufen will, wundert sich vielleicht über die Aufschrift SYLT. Da sie bei Marmeladensorten auftaucht, liegt es nahe, dass es sich um ein Wort für ebendiesen Brotaufstrich handeln könnte. Ist das so und wenn ja, bedeutet der Name der Insel dann nichts anderes als das, was auf englisch „jam“ genannt wird?
Kulturbeflissene, die es ja unter unseren Lesern zuhauf geben soll, denken jetzt vielleicht an die Jam sessions. Das könnten Marmeladenprobierfeste sein, doch sind (leider?) meist Abende mit verschiedenen Musikern, die zusammen „jammen“, gemeint.
Wie Sylt, das jahrhundertelang auch Silt geschrieben wurde, zu seinem Namen kam oder sie, die Insel, zu ihrem, ist trotz Forschung unklar.
Die Landschwelle, die die Insel ja irgendwie darstellt, wenn man so von Westen als Woge angerauscht kommt, könnte wegen des Wortes für ‚Schwelle‘ so heißen (englisch ‚sill‘, dänisch ‚syll‘, plattdütsch „Süll“). Den breiten Stein vor der Haustür, der von Ahnen und Verwandten in Oldenburg in Oldenburg besonders im Sommer als Sitzstein, Kartoffelschälplatz und Treffpunkt genutzt wurde, verewigte Helga Hagemoser in einem ihrer Werke schriftlich.
Mindestens drei andere Herleitungen gibt es. Sylt hieße wegen der Robben (dänisch sael, deshalb sjaelland) so oder wegen der Salzwiesen und des Brackwassers, altdänisch ‚sylt‘. Drittens gibt es das skandinavische Wort für Hering, zum Beispiel im Dänischen ‚sild‘. Dafür spricht die Nutzung des Speisefischs als Wappentier seit dem 17. Jahrhundert.
Skandinavisch sind die Lehnwörter meist; Robbe heißt auf urgermanisch ‚selha‘.
Da verwundert nicht, dass Sylt ein schwedisches Wort ist. Das sich auf Marmeladengläsern wiederfindet.
Da sich das Leben auf der Insel süß anfühlt und die meisten Kurgäste im Hotel, in der Ferienwohnung oder im Café Extrablatt schon mal Marmelade auf ihr Brötchen schmierten, ist das eine gute Eselsbrücke.
Eskapaden-Gemeinsamkeiten
Allen Eskapadenbüchern gemein ist nicht nur die runde obere Ecke, sondern eine gewisse Grundstruktur. 52 Ausflüge werden vorgeschlagen, so dass Rentner und solche, die von den Zinsen leben, ein Jahr lang jede Woche eine Reiseregion ansteuern könnten.
4stündige Abstecher für mittags, vor- oder nachmittags, 12stündige Ausflüge und 36stündige Miniurlaube, zum Beispiel „Ferien für ein Wochenende“. 36 Stunden sind anderthalb Tage und erfordern eine Übernachtung, wenn man nicht durchmachen will.
Warum man nicht den Reiseführer aus den 70er Jahren benutzen will
Viele Reiseziele verändern sich – mehr oder weniger. Die Bevölkerungszahl ändert sich, mehr Bettenburgen werden gebaut und Restaurants erhalten neue Namen.
Sylt ist anders. Hier steht die ganze Insel unter einem Wasser-Damoklesschwert. Auch wenn es sie ähnlich der heutigen Form schon seit 600 Jahren gibt.
Häfen verschwanden, versandeten (Königshafen im Norden).
Orte verschwanden im Meer, man denke an Eydum oder Eidum westlich Westerlands.
Nord- und Südspitze waren abgetrennt, Listland im Norden und Hörnum im Süden bildeten vorübergehend eigene kleine Inselchen. Dabei braucht man gar nicht immer so weit in die Geschichte zurück. Die Umgebung von List trennte sich zwar im 14. Jahrhundert vom Rest der Insel. Doch Hörnum an der Südspitze mit einem nördlich reichenden Zipfel daran war erst 1962 ein vom Wasser umspültes Gebilde.
Die Sturmflut, die auch Helmut Schmidt als Deichgraf in Hamburg berühmt machte, überspülte die schmale Stelle zwischen Rantum und Hörnum, die bis heute gefährdet ist.
Die mutmaßliche globale Erwärmung soll sogar noch in diesem Jahrhundert erhebliche Landverluste des heute gut 99 Quadratkilometer großen Eilands mit dem 40 km langen Weststrand bewirken. An den Haaren herbeigezogen ist das nicht. Allerdings geht hier seit Jahrhunderten Land verloren, lange vor der industriellen Revolution, lange bevor Menschen hier im großen Umfang etwas bewirkt haben könnten.
Sylt und Westerland vertauscht
Nachdem Eydum verlassen wurde, gingen die Eidumer vor Hunderten von Jahren zwei Kilometer weiter östlich in ein Gebiet, das westlich von Tinnum lag und deshalb Westerland hieß. Der Ort entwickelte sich zur Inselhauptstadt. Postkarten gingen nach „Westerland, Sylt“. Heute heißt es „Sylt, Westerland“, wenn man sich auf die 2009 gebildete Gemeinde mit neuen Ortsteilen bezieht. Westerland ist nicht nur keine Stadt mehr, sondern auch keine selbständige Gemeinde mehr.
Klarheit um 52 kleine und große ESKAPADEN VON SANKT PETER-ORDING BIS SYLT + ein Hauch Dänemark dabei (Rømø)
Viele greifen schnell zu einem Erzeugnis, einem Produkt, weil sie nicht genau hingucken. Nicht lesen. Das kann auch bei Büchern passieren. Das hier besprochene Papierprodukt ist durchaus was Gutes – zu Enttäuschungen kann es führen, wenn man etwas anderes erwartet. Auf dem Einband und dem Buchrücken stehen zwei Destinationen wörtlich: SPO und Sylt. Von Nordfriesland ist nicht die Rede, doch genau darum geht es. Bis auf die zwei, drei Kurzreisen, die die dänische Insel Röm oder Rømø sowie Tønder einschließen.
Der Miniurlaub beginnt sogar in Dänemark, führt über Havneby nach List (Fähre) und wieder zurück.
Kurz gesagt, wie im Norden üblich: Dieses Buch zeigt Zeile für Zeile Ziele in Nordfriesland und etwas weiter nördlich.
Es ist kein Syltreiseführer und noch nicht einmal einer nach Sankt Peter-Ording.
Das sollte der Ordnung halber einmal ganz klar gesagt werden; in nordischer Klarheit.
Nun kann man anfangen, das Buch zu genießen und sich Tour für Tour hindurchzuarbeiten, SORRY, -reisen.
Mich persönlich kann dieses Buch nicht so begeistern wie das Hamburgbuch aus derselben Reihe. Doch kann nicht jedes Buch einen Preis gewinnen. Die Begeisterung für die Küste, Strand und Sylt kann vieles wieder wettmachen.
Nicht jeder kann allein diesen Zauber verbreiten, den Stefanie Sohr und Volko Lienhardt in ihrem Hamburgbuch versprühen. 1 + 1 ist mehr als zwei, das beweisen auch die beiden. Elke Weiler „macht einen guten Job“. Man kann Äpfel und Birnen nicht vergleichen, Mangos noch weniger.
Wer einmal ein hervorragendes Buch der Reihe kennenlernen will, lese das Buch für Hamburg und Umgebung.
Bibliographische Angaben zu Eskapaden von Sankt Peter-Ording bis Sylt
Verlag: DuMont-Reiseverlag
Verfasser: Elke Weiler
Titel: 52 kleine und große Eskapaden (von) Sankt Peter-Ording bis Sylt
Seitenzahl: 232
Reihenkonzept: Monique Sorban
Preis in Euro für Österreich: 16,50 [A], für die Bundesrepublik: 14,99
1. Auflage 2018. Preise können sich ändern und sind ohne Gewähr. Bei Abebooks kostet die Neuware 16,95, Gebrauchtes ist billiger.
ISBN 10: 3770180763 ISBN 13: 9783770180769