Tochter-Vater-Komplikation mit terroristischer Blümchendecke – Zum Buch „Im Untergrund“ von Patrizia Schlosser

"Im Untergrund" von Patrizia Schlosser. © Hoffmann und Campe

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Seit etlichen Jahren überfallen nach Ansicht der deutschen Sicherheitsbehörden drei RAF-Rentner Geldtransporter, um sich damit ihren Lebensabend zu verschönen. Werder Polizei, noch diversen Geheimdiensten ist es bisher gelungen, der Killeroma und ihren zwei Knechten auf die Spur zu kommen. Ist das nicht komisch? Drei Namen schwirren durch die Lande. Mindestens drei Menschen, die Deutschland die lange Nase zeigen und dem deutschen Michel den Glauben an den Weihnachtsmann nehmen. Denn wer, wenn nicht der Weihnachtsmann kümmert sich um seine brave Menschenherde, dass sie ein Dach über dem Kopf hat, wenn die bösen Mächte wirken, und eine Bemme mit Wurst zum Frühstück, schließlich leben wir ja in Mitteeuropa.

Die mindestens drei Rentner beschäftigen aber nicht nur die Schupo, sondern auch Hirne diverser braver und weniger braver Mitbürger abseits des Apparats. Nehmen wir zum Beispiel die Patrizia und ihren Papi.

Ein nicht sonderlich heller Expolizist, dessen Glaube in die Urgewalt des Staates und seiner Gesetze unerschütterlich ist, trifft auf eine naiv-nachdenkliche Tochter, die sich über ihren Vater und dessen passiver Teilnahme am Münchner Terrordebakel 1972 der deutschen Geschichte annähert.

Papi hatte beim Flughafenmassaker den Popo von FJS im Gesicht und schleppt seither nach guter alter Tradition sein Päckchen allein durch die Welt. Never ever wollte er jemals reden über das Grauen, das er 1972 aktiv erleben musste.

Patrizia hat eine dunkle Ahnung und ist ansonsten der Ansicht, dass aus journalistischen Gründen usw. die deutsche Öffentlichkeit unbedingt die Geschichte erfahren solle.

Welche nochmal. Na… die der RAF-Rentner… oder die der RAF… oder die ihres Vaters… also ihre…unsere… global.

Global gesehen ist bestimmt alles irgendwie verflochten. Patrizia hat zu Hause ein großes Poster von Hannah Arendt hängen, das muss als Erklärung reichen.

Munter macht sich Patrizia, mal mit, mal ohne Vati auf dem Weg, um den RAF-Rentnern irgendwie auf die Schliche zu kommen. Sie trifft Expolizisten, Exzeugen, Exunterstützer, diverse Exe und Exinnen, die ihr nichts neues, bzw. gar nichts erzählen. Leider, leider kommt sie den RAF-Rentnern nicht auf die Schliche, somit bleibt alles im Nebel der Geschichte verborgen. Zu allem Übel warnt auf indymedia ein pfiffiger Greis, der über die 80er Jahre wacht, vor der Patrizia und ihrem schlimmen Lockangeboten. Slapstick pur, unbedingt lesen: http://political-prisoners.net/items/item/5298-informationen-zu-der-journalistin-patricia-schlosser.html

So weit so gut. Aber Vati ist noch da, dessen Trauma, journalistisch betrachtet, wertvoll sein könnte. Für die Öffentlichkeit usw.

Den Rest könnt ihr euch denken. Wenn nein: unweit von Israel kommt es zum familiären Showdown. Vati bricht endlich sein Schweigen und erzählt von der Nacht auf dem Flughafen. Roter Stern aufs Cover, RAF in den Titel, wird schon, Amen.

Bibliographische Angaben

Patrizia Schlosser, Im Untergrund, Der Arsch von Franz Josef Strauß, die RAF, mein Vater und ich, 256 Seiten, Verlag: Hoffmann und Campe, 1. Auflage, Hamburg, 4.9.2019, ISBN: 3-455-00649-0, Preis: 18 EUR (Deutschland), 18,50 EUR (Österreich), 24,50 SFr

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