Die Schatten sieht man. Jürgen Bürgin exponiert eine Schattenwelt in „Exposure – Zirkusschatten“

Ohne Licht wäre hier noch nicht einmal Schatten, sondern nur Dunkelheit: Die Manege des Zirkus Voyage auf dem Berliner Festplatz am 13. Mai. © Foto: Andreas Hagemoser, 2017

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Der Photograph Jürgen Bürgin, der sich gern im Leben und auf der Leinwand bewegte Bilder anguckt, friert Teile von Sekunden in seine Farbphotographien ein, auf denen es so manches zu entdecken gibt. Er bereicherte die deutsche Hauptstadt um „Die letzten Tage des Hotel Bogota“, eine Photoausstellung, die das dringende Bedürfnis deckte, die Erinnerung an jenen fast legendären Ort noch einmal aufflammen zu lassen. Heute gibt es sonst kaum noch Überbleibsel des Ku’damm-Hotels, vielleicht das Schild im privaten Kletterwald neben dem Friedhof Grunewald. Umso wichtiger 2016 die Ausstellung des 1971 geborenen Photographen im Plan B+Vitamin B.

Mal Zirkus? Nicht zum 1. Mal!

Diesmal also Zirkus. Bürgin zeigte vergangenes Jahr bereits „Lichter der Manege. Die Circusfotografien von Jürgen Bürgin“ in der Universitätsbibliothek, Marburg.
Nun gibt es Manegenkunst in Bild (Jürgen Bürgin) und Text (Anna-Sophie Jürgens).
Das hört sich dann so an:

Authentisch und trickreich

Der Zirkus als paradigmatischer Ort authentischer Extremleistung und trickreicher Scheinerzeugung lebt von der Spannung des Widerspruchs und ist ein Spielfeld vielfältiger Inszenierungen. (wohl nicht Jürgens Text, sondern Jürgens‘).

Verblüffend

Vertrautes, aus Gewohnheit Bekanntes und Profan-Alltägliches wird hier ins Verblüffende und Extreme gedehnt: Betätigungen und Fähigkeiten sportlicher Natur, Kompetenzen im Umgang mit Familie und Haustieren, Reiseaktivitäten oder einfach Routinen des ganz ordinären tous les jours – der Zirkus streckt sie alle ins Überraschende, Superlativische und auch Unwahrscheinliche; ob faktisch, simuliert oder dissimuliert.

Purzelbaum als Salto mortale

Hier (und nur hier) gibt es den Purzelbaum als Salto mortale, den Mops als Raubtier, Reisen als Beruf, Schuhgröße 90 und Werkzeuge zum Zersägen von Ehepartnern – und das alles auf einmal. Im Zirkus wird aus der Tretmühle ein Todesrad, aus dem Trott ein Galopp.

Gemeinsam laden der Berliner Fotograf Jürgen Bürgin und die Literaturwissenschaftlerin Anna-Sophie Jürgens den Betrachter ein, den Kopf in die Wunder dieser so anderen Atmosphäre zu drehen, in der herzerfrischende Manegenerscheinungen und ihre Schattenwelten keine äußere Erfahrung verkörpern, sondern vielmehr eine Art innere Geisteswelt – eine Traumtüte voller Physicusfiktion.

Schauen oder lesen oder beides – wie gut, dass man in einer pluralistischen Gesellschaft die Wahl hat.

Bürgins Bilder bringen’s. Wer nicht kann, schaue sich sein Buch „Urban Fever“(2016) an.
Englisch ist Teil seiner Kommunikation, vielleicht liegt das daran, dass der Bilderschaffende nicht nur in Neustadt an der Weinstraße und Köln, Ahrenshoop und Hamburg ausgestellt hat, sondern auch in New York.

Ort:
Luisa-Catucci-Galerie (englisch: Luisa Catucci Gallery),
Allerstraße 38
12049 Berlin (Neukölln)

Zeit: Ausstellungsdauer: Donnerstag, 8. Juni – Samstag, 1. Juli 2017
Öffnungszeiten: Mo-Fr 11 – 18 Uhr, und nach Vereinbarung

Gleichzeitig beginnt die Ausstellung „Fließende Körper“ von Enrico Pietracci.

„Exposure – Zirkusschatten“ ist offizieller Festivalbeitrag von „48 Stunden Neukölln“ (23. – 25. Juni 2017).

www.juergenbuergin.com

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