Ein unvollendetes Künstlerleben – Annotation zu Herrndorf-Biographie von Tobias Rüther

"Herrndorf. Eine Biographie" von Tobias Rüther. © Rowohlt

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Tobias Rüther gebührt die Ehre, die erste Herrndorf-Biografie auf den Werk gewuchtet zu haben. Auf 384 Seiten bietet er solide Informationen zum Werdegang des großen Jugendbuchautor Wolfgang Herrndorf. Er lässt uns teilhaben am großen Nürnberger Kunstgeflatter, als Wolfgang stur bockig im Malstil alter Meister macht, um damit auf dem Kunstmarkt UND AUCH UNIVERSITÄR scheiteet. Schön aber sind die einsamen Abende als Sortierer bei der Post und ein paar Freunde und Freundinnen findet er auch, trotz leicht soziopathischer Anflüge, geschuldet einer großen Schüchternheit und der aufgesetzten Überheblichkeit, die Angst und Herrndorfkraft umsetzt und seinen Motor mit Energie speist. War er als Maler in begnadeter Kopist, entschied er sich rechtzeitig, ins Illustratorenfach zu wechseln und fand damit bei der Titanic und ähnlichen Scherzmagazinen Lohn und Brot.

Endlich in Berlin, erfand Herrndorf sich nach und nach als Autor neu, nicht zuletzt dank der Internet = (und später real Live) Freundschaft zu ähnlichen Vögelein wie er eines war. Zentrale Intelligenz Agentur hieß der hedonistische Spaßhaufen, aus dem er herausragt wie Phönix aus der Asche.

Mit dem Jugendbuch Tschick wurde er berühmt und schenkte vielen jugendlichen Außenseiter Lebenskrücken. Kurz nach der Veröffentlichung wurde bei ihm ein Hirntumor festgestellt. Die Krankheit trieb ihn zu zwei weiteren Büchern und letztlich in den Selbstmord via Pistole, ein echtes Herrndorfende. Mit 48 zu früh gestorben, aber wenigstens mit einem fetten Knall.

Er war ein Schelm, ein Erschnüffler von brachliegenden Stoffen, ein Resteverwerter und geniales literarisches Trüffelschwein, mit Tschick schrieb er Geschichte, alles andere ist Sand, der in Händen zerfließt und von Füßen zerteilt wird, oder von SUV-Reifen.

Bibliographische Angaben

Tobias Rüther, Herrndorf, Eine Biographie, 384 Seiten, Verlag: Rowohlt Verlag GmbH, Berlin, 1. Auflage 15.8.2023, ISBN: 978-3-7371-0082-3, ‎Preis: 25 EUR (Deutschland), auch als E-Buch, ISBN: 978-3-644-00493-1, zum Preis von 19,99 EUR erhältlich,

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