Glückwunsch, Gedächtniskirche! Der Neubau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche feierte Geburtstag

Der achteckige Neubau der Gedächtniskirche von Egon Eiermann am Vortag des Jahrestages des Anschlages auf den Weihnachtsmarkt auf dem Brietscheidplatz.
Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am 18.12.2017. Der Neubau von Architekt Egon Eiermann feierte am Vortag den 57 Geburtstag. © 2017, Foto/BU: Andreas Hagemoser

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). 1961 ist viel passiert. Im Januar wurde Kennedy US-Präsident. Das berühmteste Bauwerk Berlins, die Berliner Mauer, wurde am 13. August hochgezogen. Natürlich nicht an einem Tag, genausowenig wie Rom. Glückwunsch, Gedächtniskirche! Der Neubau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche feierte Geburtstag und „Mauer“ ist so wenig zutreffend wie „Seidenstraße“, es gab mehrere. Die äußere und die Hinterlandmauer, an manchen Stellen weitere Ergänzungen. Zwischen den Mauern des „antifaschistischen Schutzwalls“ der Todesstreifen; geharkt, gepflegt, nachts beleuchtet. Eine Mauer allein, an die man eine lange Leiter hätte anstellen können, hätte nicht soviele Fluchtwillige abgehalten. Doch sind eingebürgerte Bezeichnungen nicht immer exakt. Die ‚chinesische Mauer‘ verzweigt sich auch.

Im Dezember wurde der Ersatzbau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche fertig. Eingeweiht wurde sie am 17. Dezember 1961 mit Bischof Otto Dibelius. Der Landesbischof starb 1967, Architekt Egon Eiermann 1970 in Baden-Baden, die Gebäude sind noch da. Sie standen 2010 schon länger als der Vorgängerbau.

Das 1895 fertiggewordene ursprüngliche Bau von Albert Schwechten, von dem 71 Meter des Hauptturmes noch stehen, war ein imposanter Bau mit fünf Türmen im Stil der Neuromanik. Vier kleinere Türme gab es und einen 113 Meter hohen Hauptturm. Damit war es der höchste Kirchturm der Stadt Charlottenburg, zeitweilig der reichsten Stadt Preußens.

Um Gedächtnis ging es von Anfang an. Kaiser Wilhelm II. initiierte den Bau, bezahlte ihn aber nicht. Der Grundstein wurde am Geburtstag Kaiser Wilhelm I. gelegt, da begann schon die Erinnerung.

Allerdings erfolgte die Eröffnung am 1. September, am Vorabend des Sedantages. Ein kriegerischer Tag? 1939 ja; 1951 begann die Friedenskonferenz zwischen Japan und den Allierten an diesem Tag.

Schwechten wurde vom Schicksal zu einem Architekten berühmter Ruinen. Anders als die Schloßruine auf der Pfaueninsel, die von Anfang an so gebaut wurde, waren Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und Anhalter Bahnhof einige Jahrzehnte lang durchaus prächtig.

Von der Gedächtniskirche blieben 1945, bevor sie fünfzig wurde, nur Ruinen. Der Anhalter Bahnhof, wenig beschädigt, aber durch die deutsche Teilung fast funktionslos, wurde gesprengt. Zufällig blieb das Hauptportal am Askanischen Platz erhalten.

1956 wurde der Wettbewerb um die „KWG“ entschieden. Eiermann gewann. 1957 legte er seine umgearbeiteten Entwürfe vor. Die Ruine des Hauptturms sollte als Mahnmal gegen den Krieg stehenbleiben und wurde bautechnisch gesichert.

In Nacht vom 22. zum 23. November 1943 brannte das Kirchengebäude durch einen britischen Luftangriff. Das Dach über dem Kirchenschiff stürzte ein, die Spitze des Hauptturms knickte ab. Heute ist der Kirchturm 42 Meter kürzer. Die Berliner Traufhöhe sind 22 Meter. Schaut man einmal, wo an der Rankestraße die Regenrinnen verlaufen und verdoppelt diese Höhe, hat man etwa die Höhe des fehlenden Turmstücks vor Augen!

Die Gedächtniskirche erinnert an Krieg und Frieden.

Seit dem 19. Dezember 2016 auch an das LKW-Attentat auf dem Breitscheidplatz, bei dem 12 Menschen starben; einen brutalen Tod fanden durch Hass.

Der Weihnachtsmarkt ist am 19. Dezember 2017 geschlossen, ein Denkmal wird eingeweiht und der ganze Tag gilt dem Gedenken.

Am Abend wird gemeinsam gesungen mit Jocelyn B. Smith, sie singt „Amazing Grace“.

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