Kultur und Glühwein – Vorweihnachtliche Entschleunigung auf dem Rhein

Winterliche Einsamkeit an der Loreley. © Foto/BU: Antje Rößler, Aufnahme: 30.11.2021

Köln, Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Eine winterliche Fluss-Kreuzfahrt in hiesigen Breiten – der Gedanke ist erst mal gewöhnungsbedürftig. In der Tat war das Wetter während unserer dreitägigen Rhein-Adventsreise auf dem Motorschiff Nicko-Spirit trübe, neblig und verregnet.

Aber in der kalten Jahreszeit hat die traditionsreiche Flusslandschaft, die voller Geschichten und Legenden steckt, ihre ganz eigene Romantik. Die Gegend liegt gleichsam im Winterschlaf; andere Passagierschiffe sind kaum zu sehen. Und die hübschen Traditions-Weihnachtsmärkte auf der Strecke zwischen Köln, Koblenz und Rüdesheim wurden corona-bedingt verkleinert.

Los geht es in Köln, wo etliche Passagiere vor dem mitternächtlichen Ablegen noch mal Glühwein auf den Weihnachtsmärkten am Dom oder auf dem Neumarkt auftanken. Nachts fahren wir flussaufwärts. Beim Aufwachen zieht vor dem Kabinenfenster die burgenreiche Landschaft vorbei, die als „Oberes Mittelrheintal“ Welterbe-Status hat.

Schmale Ortschaften am Uferstreifen wechseln mit Weinbergen, Klöstern und den auf Felsenvorsprüngen thronenden Höhenburgen. Die urromantische Gegend ließ einst die Herzen der Künstler höher schlagen, auch das von Heinrich Heine, der die alte Sage von der Loreley in unsterbliche Verse gefasst hat. Der Legende nach soll die auf einem Schieferfelsen sitzende Zauberin so manchen Schiffer abgelenkt und in den Tod gelockt haben.

Auch wir passieren Deutschlands berühmtesten Felsen. Wo sonst im Sommer Ampeln den Andrang der Dampfer regulieren, ist die Nicko-Spirit nun ganz allein auf dem Fluss. Als unser Schiff sich dem Felsen nähert, schallt die Loreley-Melodie mit Heines Text „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“ aus den Lautsprechern, allerdings in einer kitschigen Schlager-Version.

Später bewundern wir linkerhand das monumentale Niederwalddenkmal mit der bronzenen Germania. Es ist ebenfalls mit einem Lied verbunden: mit der geschwollen-patriotischen Hymne „Die Wacht am Rhein“.

Wegen des niedrigen Wasserstands legen wir leicht verspätet im Wein-Städtchen Rüdesheim an, das vor Corona jährlich drei Millionen Besucher aus aller Welt anlockte. Jetzt bummeln nur eine Handvoll Leute durch die zwei Meter schmale, von Fachwerk gesäumte Drosselgasse.

In Siegfrieds Mechanischem Musikkabinett kommt Weihnachtsstimmung auf. © Foto/BU: Antje Rößler, Aufnahme: 30.11.2021

Kultureller Höhepunkt der Reise ist eine Führung durch „Siegfried‘s Mechanisches Musikkabinett“, das oberhalb der Drosselgasse die gotischen Gewölbe eines Rittersitzes bezogen hat. Der Werbeslogan „Ihre Ohren werden Augen machen“ trifft vollkommen zu. Die einzigartige Sammlung umfasst hunderte von selbstspielenden Instrumenten: Spieldosen, Phonographen, Musikautomaten. Von der barocken Flötenuhr über den Berliner Leierkasten bis zur Kino-Orgel, die einen höllischen Lärm macht. Auch eine Polyphon-Lochplatte mit der Loreley-Melodie wird zum Klingen gebracht.

Danach gibt es noch einen Winzer-Glühwein, bevor es wieder an Bord geht. Ohnehin köchelt die Weihnachtsstimmung in Rüdesheim am Rhein auf Sparflamme. Der traditionelle „Weihnachtsmarkt der Nationen“ wurde wegen Corona abgesagt. Als Ersatz dienen ein paar Buden und eine Kinder-Eisenbahn auf dem Marktplatz.

Übernachtet wird am Rüdesheimer Kai. Wir starten am Morgen und erreichen gegen Mittag Koblenz am „Deutschen Eck“, wo die Mosel in den Rhein fließt. Auf der Landspitze der Mündung steht das immerhin 37 Meter hohe Kaiser-Wilhelm-Reiterstandbild.

Hoch über der Mosel-Mündung thront die Festung Ehrenbreitstein. © Foto/BU: Antje Rößler, Aufnahme: 1.12.2021

Oberhalb der Mündung, auf einem 180 Meter hohen Felssporn, thront die Burg Ehrenbreitstein, einst preußische Festung. In der Adventszeit wird sie abends Rot-Pink-Lila beleuchtet, was ans Rotlichtmilieu denken lässt.

Auf dem Weihnachtsmarkt in der Altstadt ist wenig los, was womöglich an den 2G-Regeln für gastronomische Angebote liegt. Wer Glühwein will, muss Impfpass zeigen. Umso ungestörter kann man die Sehenswürdigkeiten der Altstadt auf sich wirken lassen: die Liebfrauenkirche mit ihren beiden barocken Zwiebeltürmen, das Rathaus im einstigen Jesuitenkolleg, die Alte Münze, die „Vier Türme“ mit ihren reich verzierten Erkern in der Marktstraße. Im Schnelldurchlauf erzählt die Historiensäule des Brunnens auf dem Josef-Görres-Platz die zweitausendjährige Stadtgeschichte, von der Römerzeit bis heute.

Wer den Rhein und seine traditionsreiche Kulturlandschaft liebt, für den ist die Adventsreise auf der Nicko-Spirit genau das Richtige. Ob mit oder ohne Glühwein.

Anmerkung:

Die Recherche wurde von der Nicko Cruises Schiffsreisen GmbH unterstützt.

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