Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Christina Battle spricht aus, was viele von uns schon einmal gedacht haben. Und sie hat den Mut, die Kurzlebigkeit der heutigen Zeit zu zeigen und auch auf sich zu beziehen: Ihre Sätze lösen sich bald in Rauch auf. In einer Video-Installation auf vier Bildschirmen, die leider nur bis zum Ende der Berlinale, also bis Sonntag Abend in der kanadischen Botschaft am Leipziger Platz in Berlin zu sehen sein wird, zeigt Christina Battle einfach, kurze Sätze auf visitenkartenähnlichem Papier. Die Kamera verfolgt dann das Anzünden und den Verfall. Geschaffen wurde ein Kunstwerk, das banal und genial zugleich ist. Die Faszination des Feuers kombiniert mit fast genau aus unserem Mund stammenden Gedanken, die scheinbar zerstört werden, aber doch bleiben.
Vergänglichkeit
Kürzer als die japanische Kirschblüte währt ihre Lebensdauer auf dem Bildschirm, doch so mancher Spruch, mal lustig, mal tiefgründig, doch immer mit Berechtigung und Bezug zur digitalen Welt, also unserer Welt, wehrt sich erstaunlich lange gegen das Verschwinden. Manchmal muss die Hand, die einem unbekannten Performancekünstler gehört, fast ein Dutzend mal das Feuerzeug ansetzen, bis die Flammen endlich mit Sauerstoff und Hitze ihr zerstörerisches Werk beenden können.
Christina Battle ist ein Digital Native, aufgewachsen mit Computern. Trotzdem sieht sie die digitale und gesellschaftliche Entwicklung mit Besorgnis. Wenn man sich hineinsteigert, kann man sogar Angst bekommen. German Angst? Datenschutz ist nicht nur ein deutsches Bedürfnis, sondern eine weltweite Notwendigkeit zum Aufrechterhalten der Demokratie und Menschenrechte. Diktatur sammelt Daten bis zum Erbrechen und schlägt anschließend willkürlich ausgewählte Missliebige, bis sie sich erbrechen oder sterben. Ein Rechtsstaat braucht Datenschutz. Jeder von uns braucht Datenschutz.
Die Missbrauchsmöglichkeiten von Macht heute sind „Mega“. Das Wort ‚mega‘ bedeutet Million. Die Stasi, die „Staatssicherheit“ der DDR, brauchte viel Personal und Wochen, Monate, gar Jahre, um zweifelhaft ungenaue Informationen über einzelne zu sammeln (vergleiche „Heimat ist ein Raum aus Zeit“, „Heimat Is A Space in Time“, ein Film im Forum). 2 Menschen, einer davon ein EDV-Spezialist, können heute in 5 Minuten mehr über jeden von uns erfahren, als die Stasi in 100.000 Jahren hätte je erfahren können. Die DDR ist Geschichte, die Gegenwart ist jetzt.
Abwechslung
Christina Battles Videos haben eine Leichtigkeit, sind nicht von der Schwere ernster Gedanken geprägt. Sie ist jung und humorvoll, ohne leichtsinnig zu sein. Ihr Witz und ihre Ernsthaftigkeit schlagen sich in den Videos nieder.
Selbst das Verbrennen von Papier, das keine Chance gegen das Feuerzeug hat oder gegen die Inszenierung, ist von Zufall begleitet und spannend.
Wir wünschen viel Freude beim Betrachten dieser Kleinode, die kaum in Vergessenheit geraten werden. Ein Englisch-Wörterbuch braucht man nicht unbedingt mitzunehmen in die Ausstellung oder Videoinstallation. Die Sätze sind kurz und unsere deutsche Sprache, besonders die, die sich mit Computern befasst, ist derart durchsetzt von englischen Ausdrücken, dass man fast alles sofort versteht und Kanadier sind nett und hilfsbereit. Falls man einmal ein Wort nicht versteht, kann man immer noch nachfragen.
Letztlich haben wir auch alle ein Handy dabei. Wer keine Angst davor hatte, dass Google erfährt, welches englische Wort wir noch nicht kennen oder womit wir uns beschäftigen, kann sein Auskunftsgerät (Datenüberwachungsgerät) munter befragen.
Online
Christina Battle ist auch online. Ihre Website lautet cbattle.com, http://cbattle.com/ Schwere Zeiten (HEAVY TIMES) liest man auf ihrer Homepage. Doch diese – oder nur der Satz – gehen ja bald in Flammen auf. Die Gedanken sind frei und nicht mit einem Feuerzeug zu besiegen. Schauen wir uns diese unterhaltsame Schau an, bevor die Welt in Flammen aufgeht. Datenschutz trägt zum Erhalt der noch guten Verhältnisse bei.