Berlin/ München/ Wiesbaden, Deutschland (Kulturexpresso). Es war eine tolle Geschichte. Schon bevor sie ins Kino kam. „Searching for Sugar Man“ heißt nicht umsonst nicht einfach „Sugar Man“, oder „Der Zuckermann – Leben und Werk“. Der Film zeigt, wie fragmentarisiert unsere Welt zum Glück trotz der Digitalisierung und des Internets und Cyberspace ist oder noch bis vor kurzem war. Heute jährt sich der Todestag des Regisseurs Malik Bendjelloul zum vierten Mal. Grund genug, den Dokumentarfilm anzuschauen. Wer das schon einmal getan hat, wird in der Regel zustimmen, dass man sich ihn gut ein zweites Mal anschauen kann.
Danke, Malik Bendjelloul, für „Searching for Sugar Man“
Malik Bendjelloul (1977-2014), der junge Schwede, ist Regisseur des überraschenden Musikfilms „Searching for Sugar Man“. Die Geschichte ist spannend wie ein Krimi, aber echt. Irgendwie stieß jemand auf ein paar Audio-Kassetten und brachte sie nach Südafrika. Dort entwickelten sich Kult und Hype um den Musiker Sixto Rodriguez („Sugar Man“) und seine Musik. Unglaublich, aber wahr. Doch die Geschichte wird durch noch mehr Zufälle und Anekdoten, die das Leben schrieb, weiter gewürzt.
Zuhören ist etwas, dass man bei dieser Doku gerne tut. Vielleicht ist es Absicht, dass das Wort ‚Searching‘ ein ‚ear‘ (Ohr) enthält …
Wie wurde Malik Bendjelloul aus Ystad zum Oscar-Preisträger?
Bendjelloul wurde am 14. September 1977 in Ystad geboren. Er erhielt seinen schwedischen Pass also nicht etwa als eingereister Araber, wie manche vielleicht vorschnell aufgrund des maghrebinischen Familiennamens und jüngster Entwicklungen seit Sommer 2015 vermuten mögen. Den Namen erhielt er von seinem Vater. Der 1939 geborene schwedische Arzt Hacène Bendjelloul hat algerische Wurzeln.
Malik wurden Mehrsprachigkeit und Kultur in die Wiege gelegt, und damit eine gewisse Offenheit, der weite Blick über Grenzen mit einem Gespür für Begrenzungen, die andere weder sehen noch fühlen, die aber vorhanden sind.
Du spürst Deine Fesseln nur, wenn du dich bewegst – oder frei sein möchtest, heißt ein bekanntes Wort.
Veronica Schildt Bendjelloul, geborene Pia Veronica Schildt, hat Malik Bendjelloul geboren. Maliks Mutter ist Übersetzerin. Am 20. Mai 2018 wird sie ihren 74. Geburtstag feiern. Sie übersetzte u.a. die Comicserien „LUCKY LUKE“ und „ISABELLE“ aus dem Französischen und Agatha Christie aus dem Englischen ins Schwedische. Auch wenn es den einen oder anderen erstaunen mag: „LUCKY LUKE“ gibt es zwar auf englisch, musste allerdings erst übersetzt werden.
Viele Mitglieder der Familie Schildt sind am Theater oder in Film und Fernsehen tätig: Henrik, Jürgen, Johan und Peter. Auch das erleichterte Maliks Zugang zum Metier der laufenden Bilder.
Veronicas Großvater Holger, Maliks Urgroßvater, hatte in Finnland einen schwedischsprachigen Buchverlag gegründet. Mehrsprachigkeit, die in der Familie lag, macht geistig beweglich und fördert Kulturleistungen.
Bescheidener Musiker Rodriguez überlässt Bendjelloul und seinem Produzenten das Rampenlicht im Dolby Theatre: Oscar für „Searching for Sugar Man“
Der frühere Kinderdarsteller Malik Bendjelloul wurde als Dokumentarfilmer Oscar-Preisträger.
Vor der Verleihung galt das märchenhafte Dokudrama des schwedischen Regisseurs als großer Favorit für die begehrte Trophäe, den Academy Award, denn: „Searching for Sugar Man“ war 2012 zum Überraschungserfolg in Großbritannien und den Vereinigten Staaten geworden und hatte bereits mehr als 30 internationale Auszeichnungen erhalten, darunter den British Academy Film Award (BAFTA).
Ab Dezember 2012 war der Film auch in deutschen Kinos zu sehen.
Der Oscar wurde Malik Bendjelloul und Simon Chinn bei der Verleihung der 85th Academy Awards am 24. Februar 2013 in Los Angeles vom bekennenden „Searching for Sugar Man“-Fan Ben Affleck überreicht.
Der gefeierte Protagonist dieser unglaublichen filmischen Spurensuche, Musiker Sixto Rodriguez, war selbst nicht anwesend. Laut Produzent Simon Chinn wollte er den Verantwortlichen des Films den Erfolg lassen und zeigte damit einmal mehr seine große Bescheidenheit. Dies und vieles andere macht seine Geschichte so besonders.
Malik Bendjelloul starb am 13. Mai 2014 in Stockholm mit 36 Jahren. Er soll den Freitod gewählt haben.
Vorführungen/ Projektionen von „Searching for Sugar Man“
– im Mai 2018:
13.5., Sonntag, in Berlin: im Ladenkino,
dito , Sonntag, in München: Werkstattkino,
dto., Sonntag, in Berlin im Sputnik-Kino (Kinobar),
Sonntag, in Berlin im Kino in der Kulturbrauerei,
in Berlin im BABYLON-Mitte (an der Volksbühne Rosa-Luxemburg-Platz),
17.5., Donnerstag, in Berlin im „Saal 2“, einem „neuen“ Lichtspieltheater (ehemals Downstairs-Kino),
und im Juni 2018:
23.6. in Wiesbaden im Murnau-Filmtheater (Hessen)
Verpasst? Arbeit am Sonntag? Lieber Sonne genießen? Das Buch zum Film
Es gibt auch ein Buch zum Thema des Films. Zwei Jahre nach Bendjellouls Tod erschien „Sugar man: The Life, death and Resurrection of Sixto Rodriguez“ von Craig Bartholomew Strydom und Stephen „Sugar“ Segerman bei Penguin South Africa als Taschenbuch (ISBN 1770228144).
Strydom und S. „Sugar“ (!) Segerman waren wie viele andere Südafrikaner in den 70er und 80er Jahren von Rodriguez‘ Musik begeistert, fasziniert und hingerissen. Man kannte vom Musiker nur den Namen und wusste, dass er sich auf der Bühne umgebracht habe. Eine Story, die heute im Zeitalter des Internets nicht mehr geschrieben werden könnte, vor allem – wohl nicht mehr passieren könnte.
Moderne Wagenburgen, Kino und ESC
Obwohl sich auch heute viele Länder mehr oder weniger abschotten. Die Volksrepublik China wollte den irischen Beitrag in China nicht spielen, daraufhin entzogen die europäischen Verantwortlichen gleich die gesamten Senderechte für den European Song Contest ESC.
In Saudi-Arabien dürfen Frauen seit 2017 Autofahren. Wow! Sogar ein Kino gibt es jetzt. Auspeitschungen von Frauen, eine Polizei, die das Kopttuchtragen streng kontrolliert und die Tatsache, das Frauen einen Vormund brauchen, machen aus dem Wüstenstaat auf dem Ölsee der arabischen Halbinsel allerdings noch kein fortschrittliches Land. Zensur und eine Reglementierung des Internets sind naheliegend. Die VR China versucht Ähnliches.
Eine freie Presse kann man nicht nur in der Türkei nicht erwarten, sondern auch in vielen anderen Ländern nicht. Wieder andere Länder wie Bhutan garantieren ihren Bewohnern ein Recht auf Glück. Doch eine geistige Freizügigkeit wie hierzulande ist auch dort nicht zu erwarten. Die Globalisierung ist eine Fata Morgana. Beschränkungen verbreiten sich zurzeit schneller. Bloß weil es fast überall Burger einer bekannten Marke gibt, heißt das noch lange nicht, dass die Welt verwestlicht. Und wenn: Was wird zuerst übernommen? Zunehmendes Selbstbewusstsein von Ländern wie der Volksrepublik China und das Verblassen der wirtschaftlichen Vormachtstellung der Vereinigten Staaten von Amerika werden in Zukunft sogar eher dazu führen, dass jeder seins macht.
Südafrikas goldene Zeit (? Splendid isolation?)
In Südafrika geschah das nicht freiwillig. Denn ein Großteil der Welt akzeptierte die Politik der Apartheid nicht. Das konnte den Südafrikanern jedoch relativ egal sein. Sie hatten alles im Lande, konnten zuhause Skifahren oder Orchideen züchten und waren nicht arm (als Land). Das südafrikanische Gold (Krügerrand) ließ sogar das Vereinigte Königreich Rücksicht nehmen. Der Rand war eine recht stabile Währung, stabiler als die Finnmark allemal. Die Republik Südafrika baute sogar eine Atombombe. Das Land wurde später zum einzigen, das sie besaß und dann verzichtete, Gott sei Dank. Beim Export von Obst und Gemüse wurde als Herkunftsangabe verschämt „RSA“ angegeben.
1994 wurde die Macht übergeben, nachdem auch der Bevölkerungsmehrheit das Wahlrecht gewährt wurde. Damit endete auch die Isolierung. Andere Musik flutete ins Land und eine Geschichte wie „Searching for Sugar Man“ wiederholte sich nie. Im heutigen Kommunikationszeitalter wäre zumindest das Mysterium um den Künstler Rodriguez nicht so lange eines geblieben. Obwohl der Absturz zweier malaysischer Verkehrsflugzeuge nach 2012 zeigt, dass auch heute Rätsel über Rätsel bleiben.
Und auch aus der großen Zeit der südafrikanischen Rodriguez-Euphorie in den 80ern sind Unklarheiten, Widersprüche und Rätsel verblieben, trotz jahrzehntelanger Frist zur möglichen Aufklärung. Wie der koreanische Passagierflug KAL 007 von 1983 und entsprechende Buchtitel beweisen: Seymour Hersh: „The Target is Destroyed: What Really Happened to Flight 007 and What America Knew About It“, Faber and Faber, 1986. Oliver Clubb: „KAL Flight 007: The Hidden Story“, Permanent Press NY 1986 und vor allem Michel Brun: „Incident at Sakhalin: The True Mission of KAL Flight 007“, Four Walls Eight Windows Publishers.
Ein kanadischer Regisseur aus Südafrika und süafrikanische Filmmusik:
Gute Erinnerung – Vor einem Jahr kam Neill Blomkamps „Chappie“ (USA, Mexiko) ins Kino
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Der Dokumentarfilmer, seine Mutter, seine Familie voller Filmleute: