„Weißes Stottern“ im Theaterdiscounter an der Berliner Klosterstraße

"Das weisse Stottern", ein Stück der Frl. Wunder AG. © Frl. Wunder AG

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Im Theaterdiscounter, einer Art Nachwuchsbühne über Auswüchse der aktuellen kapitalistischen Gesellschaft, in der Berliner Klosterstraße wird die kommende Saison mit dem Stück „Das weiße Stottern“ eröffnet.

Das Publikum wird bei der Premiere dieser Produktion am Mittwoch, den 30. August 2017, um 20 Uhr, weniger Musik- oder Tanztheater als vielmehr Sprechtheater von Frl. Wunder AG (sic!) erwarten dürfen.

Auf der von Dominik Steinmann gestalteten Bühne sollen Verena Lobert, Melanie Hinz und Marleen Wolter stehen, die wiederum in von Steinmann gestalteten Kostümen stecken. Das und noch mehr wird auf der Netzseite des Theaterdiscounters zum Stück „Das weiße Stottern“ verraten.

In einer Pressemitteilung des Theaterdiscounters vom 8. August 2017 heißt es, dass „die Theatermacherinnen der Frl. Wunder AG dem (eigenen) Weißsein als vieldiskutiertem Normativ stellen“ würden. Verraten wird der „Fall der weißen US-Amerikanerin Rachel Dolezal“, der „dabei als Folie der Frage: Wer darf für wen sprechen?“ diene.

Dolezal soll „sich jahrelang als Schwarze Frau“ (sic!) ausgegeben haben, wobei „ihre ‚Enttarnung‘ … 2015 schließlich weltweit eine hitzige Debatte rund um die Repräsentation subalterner Gruppen“ ausgelöst haben soll. Die meisten Menschen auf dieser Welt werden davon nicht, aber auch wirklich nichts mitbekommen haben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist denen, die davon nichts wissen wollen, das auch vollkommen egal. Ob das gut oder schlecht ist, sei hier und heute dahingestellt, auch wenn ich mir damit den bisweilen zotigen Zorn von selbsternannten Aufklärerinnen und solchen, die das werden wollen, zuziehen werde. Nebenbei bemerkt produzieren die meisten dieser Möchtegern-Mündigen vorm verstopften Ausgang mit ihrem vorgegaukelten Logos nur neue Mythen.

Anders – oder auch nicht – die Frl. Wunder AG, die Wissende und Ahnungslose angeblich „an einen ethnographischen Schauplatz“ führen würde. Wie der aussieht? Weiß ich nicht. Laut Pressemitteilung und Netzseitenhinweisen bekomme das Publikum in der Klosterstraße anscheinend ein „koloniales Forsthaus“ zu sehen, in dem sie, also die Weißen, „ihre weiße Sozialisation auf- und … historisch gewachsene Privilegien“ offenlegen. Nachtigall, ick hör dir trapsen.

Das Publikum darf auch am 1., 2. und 3. September 2017 diese Weißen „als teilnehmende Beobachter*innen“ (sic!) „in einer Mobiltelefon-Konferenz“ immerhin „begleiten“. Das klingt nach Sterbebegleitung.

Das riecht nach ganz schwerer Kost, die für 15 Euro (ermäßigt 9 Euro) pro Sitzplatz probiert und erlebt werden will. Außerdem will ich mehr über die Frl. Wunder AG wissen, über die es auf der Netzseite des Theaterdiscounters heißt: „Frl. Wunder AG produziert seit 2004 als Performancekollektiv in wechselnden Kooperationen mit unterschiedlichen Künstler*innen und Expert*innen Bühnenformate, Performances und Interventionen im öffentlichen Raum. Sie inszeniert visionäre Gesellschaftsmodelle und Alltagsutopien und schafft partizipative Gemeinschafts- und Erfahrungsräume jenseits klassischer Theaterräume.“

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