Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Es gibt in Berlin nicht nur Dutzende Kinos mit zig Sälen, sondern auch einige Filmfestivals. Natürlich denken Ausländer zuerst an die Berlinale; ähnlich weltumspannend ist „Around The World In 14 Films“. Berliner kennen auch die Französische und Russische Filmwoche sowie die italienische, die sich als „Italian Film Festival“ bewirbt, um nur die Filmfestspiele der jüngsten Zeit zu nennen. Alle diese Länderreihen wie Mexiko Scope und Hellas-Filmbox sind sehr gut und nötig, auch die länderübergreifenderen wie das Kurdische Filmfest und das JFFB. Sie ermöglichen den Einblick in das Filmschaffen einer spezifischen „Industrie“, um einmal das hässliche, unlängst aus dem Amerikanischen eingedeutschte Wort zu benutzen.
Der Vorteil der Länderreihen
Sie lassen innerhalb eines Landes wie der Französischen Republik oder der Russischen Föderation Quervergleiche zu. Sie ermöglichen Dolmetschern kurze Wege. Es ist leichter Festivalgäste, die vielleicht in mehreren Streifen mitgespielt haben, einzuladen. Patriotismus und die nationale Fluglinie, wenn sie denn die Liberalisierung des Luftlinienmarktes überlebt hat, helfen bei der Finanzierung der Anreise und früher auch bei dem Transport der 35-mm-Kopien.
Gerade Frankreich und Russland bieten der Welt eine Filmkunst an, die seinesgleichen sucht und eine eigene Handschrift hat. Diese zu erkennen – einschließlich der bei russischen Filmen zur Vermeidung von Missverständnissen oft notwendigen Erklärungen – ist besser möglich bei einem Länderfilmfest.
Fast wie eine Familie trifft man sich bei so einer, meist nur jährlich wiederkehrenden Gelegenheit; ist umschwirrt von französischen, russischen oder spanischen Klängen der Originalversionen, Klänge, die zu einem Gesamterlebnis führen, wenn Mitpublikum, Organisatoren, Filmcrews dieselbe Sprache sprechen. Meist handelt es sich um untertitelte Spiel- und Dokumentarfilme. Eine Untersuchung hat herausgefunden, dass die Zuschauer von untertitelten Filmen besser und schneller denken können als das Publikum von Synchronisationen; das kann mit sich dann auch noch zugutehalten.
Ganz besonders ist es, wenn ein Festival untertitelte Filme gebiert. Das griechische Filmfest Hellas-Filmbox, das aufgrund geringen Budgets gerade in der Anfangszeit viele Mitarbeiter mehrerer Nationen zusammengeschweißt hat, hat dieses Jahr eine Herkulesaufgabe gestemmt: Alle Filme waren untertitelt. Meist auf deutsch.
Die Mehrheit der Filmwerke lag aber nur in der Originalversion vor. Es wurde also nicht nur das (kulturelle) Miteinander gefördert, sondern neue OmU-Versionen erschaffen; vieles davon ehrenamtlich bzw. ohne Honorar, aber von guter Qualität. Zweisprachigkeit ist der Schlüssel zum Verständnis der Völker. Man denke nur an den Rosetta Stone, den Stein von Rosetta, der ein ganzes Alphabet entzifferbar machte.
Auch können Kunst- und Photoausstellungen ein solches Filmfest wunderbar abrunden und ergänzen, man denke an die Hellas-Filmbox 2017 oder das Italian Filmfestival „Tuscia-Filmfest“, das flankiert wurde von einer kleinen, feinen Ausstellung von Drehorten der norditalienischen Region.
Zuletzt können auch griechischer Wein, italienische und polnische Spezialitäten, die ohnehin in den Spielfilmen abgelichtet werden, zu einem guten Gesamterlebnis beitragen. Doch wenn man nicht nur sehen will, was bei Filmpolska auf den Teller kommt, hilft ein Blick über den Rand.
Der Blick über den Tellerrand Land
Die Berlinale und die Filmfeste Hamburg und München versehen die deutschen Millionenstädte mit internationalem Flair. Besonders in der bayrischen Hauptstadt, aber auch bei anderen wichtigen Filmfestspielen versorgt sich der Organisator der „Around The World In 14 Films“ mit Material.
Was in der deutschen Hauptstadt ankommt, ist erlesen, ausgesucht, oft Weltklasse.
‚Rund um die Welt in 14 Filmen‘ darf man zwar nicht zu wörtlich nehmen, denn immer wieder lassen sich die Macher von neuen Werken wichtiger Filmemacher begeistern.
So ähnlich wie das in „Generation“ umbenannte Kinderfilmfest der Berlinale seit einigen Jahren in „Kplus“ und „14plus“ unterscheidet, sollte man korrekter Weise von 14+Filmen sprechen.
Doch der Kern bleibt: Eine Weltreise aus einem guten Dutzend guter Filme.
Dazu eine Besonderheit: Statt sektionsweise zugeordneten, von der KBB bezahlten Moderatoren wie bei der Berlinale gibt es Paten, die den Film vorstellen und das Gespräch führen. Das können Filmschaffende oder andere Personen sein. Sie sprechen mit den Machern des aktuellen Films, so diese denn vor Ort sind.
Ein Hoch auf das Kino in der Kulturbrauerei
Mit der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg hat das Festival auch eine frische, neue Heimat gefunden. Ein Kino, das man durchaus einfach mal für seine Flexibilität loben muss.
Eine Flexibilität, die noch nie selbstverständlich war, aber durch die Digitalisierung immer geringer geworden ist. In manchen großen Kinos werden einmal in der Woche alle Filme auf den Server gespielt – danach lässt sich nichts mehr ändern. Selbst das Filmkunst 66 hat vor kurzer Zeit den letzten 35-Millimeter-Projektor abbauen lassen. Zuwenig benutzt war er und Platz schaffte die Entfernung auch.
Dass ein Kino wie das Cinestar in der Kulturbrauerei im doppelten Sinne die Größe hat, auch während eines Festivals kurzfristig einen zusätzlichen Saal zur Verfügung zu stellen, ist außergewöhnlich.
Beim Tuscia-Filmfest (Italian Film Festival) war einmal abends der große Saal 3 mit über einem halben tausend Plätze frühzeitig ausverkauft. Der Film, zu dem die Filmemacher angereist waren, wurde gleichzeitig im ebenfalls ausverkauften (!) Saal 5 gezeigt und dann im großen Saal auf die Zuschauer gewartet, die am Q&A teilnehmen wollten.
Bei „14 films“ reichten die Plätze für das Werk von Yorgos Lanthimos, „The Killing of a Sacred Deer“, nicht aus. Die benachbarten Säle 5 und 6 wurden daraufhin am 29.11. simultan bespielt – und waren beide ausverkauft!
Gieß‘ Wasser zur Suppe, dann werden alle satt.
Kino in der KulturBrauerei (Cinestar), Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin