Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Es war nicht alles schlecht im Sozialismus. Beispielsweise waren alle Bücher von Andrej Platonow gut. Im Suhrkamp-Verlag erscheinen aktuell nach und nach seine Werke neu ediert und frisch geputzt als feine Leinenbände.
In „Die glückliche Moskwa“ erzählt uns der Meister einen auserlesen aberwitzigen Spaß aus der Zeit der sowjetischen Variante der Umwertung aller Werte. Also ungefähr in den 20er Jahren, als die Bolschewiki den Deckel weitestgehend draufhatten und der Weißgardist in den Sümpfen von Irkutsk verschimmelte.
Moskwa, die Fallschirmspringerin ist eine herrlich anzusehende junge Frau, die bei allen Männern sofort Symptome größter Liebe weckt. Jeder der sie sah, ist stehn geblieben, jeder der sie sah, meinte er müsste sie lieben. Ah, oh, großes Gegreine selbst der fortschrittlichsten jungen wie alten Männer!
Aber aber, wir leben doch im ersten Jahrzehnt der Gerechten! Sex ixt Notwendigkeit, Glück ohne Ende die Zukunft. Arbeiter, Bauern und Soldaten sind an der Macht, denen Poesie bürgerliches Teufelszeug ist! Also weg mit der Liebe und her mit den kleinen Kindern, die in künftigen Fabriken fürs Wohl aller edel wirken.
Moskwa, ganz d’accord, interessiert sich anfangs nur für den Aufbau des Kommunismus. Der Fallschirm ist ihr Markenzeichen, die brennende Ungeduld beim Warten auf den Kommunismus ihre einzige Freude.
Dann fällt sie in den Schacht einer Metrobaustelle und verliert ein Bein.
Und mit dem Bein verabschiedet sich die sanfte Unschuld, die Moskwas Geist umhüllte. Geht mit dem Bein auch ihr Glückskorrelat verloren? Diese und weitere Fragen zur Liebe im Kommunismus beantwortet Platonow ohne Flachs und Krümel.
Bibliographische Angaben
Andrej Platonow, Die glückliche Moskwa, 221 Seiten, Aus dem Russischen von Lola Debüser und Renate Reschke, Mit einem Nachwort von Lola Debüser, Leinen, Verlag: Suhrkamp, Berlin, 11.11.2019, ISBN: 3-518-42896-2, Preise: 24 EUR (D), 24,70 EUR (A), 34,50 SFr