Deine Heimat, meine Heimat – Fünfte Lange Nacht der Kultur in Kleinmachnow bei bestem Wetter

Sogar im Kleinmachnower Kino (unweit der Berliner Stadtgrenze) gibt's nicht nur Filme, sondern Gesang, Theater und - die Lange Nacht der Kulturen. © 2017, Foto/BU: Andreas Hagemoser

Kleinmachnow, Deutschland (Kulturexpresso). Das Wetter hätte kaum besser sein können, auch wenn nur höchstens sieben Veranstaltungsorte zu besuchen waren. Von A wie Adolf-Grimme-Ring 1/ Caratclub bis Z. Für Ortsunkundige von Vorteil zu wissen, dass Z für den Zehlendorfer Damm steht. Vom S-Bahnhof Zehlendorf am Teltower Damm erreicht man heutzutage mauerlos Landarbeiterhaus und die Hausnr. 212, wo man die Nummer gleich zum Namen Z212 machte.

Zwischen Berlin-Zehlendorf und Teltow liegt die Edel-Stadt Kleinmachnow. Schon lange kein billiges Pflaster, hat sie sich in den vergangenen drei bis fünf Jahren nochmal erheblich gemausert.
Um den Charme der abgelegenen DDR-Grenzstadt hinter sich zu lassen, hatte man entschieden, in der Nähe des Seebergs ein ganz neues Zentrum zu bauen, den Rathausmarkt. Mit Geschäften, Fußgängerbereich in der Mitte (man will nicht Zone sagen, denn die Zeit, dass man von Zonis sprach, ist vorbei), vielen Parkplätzen und – damit keine abends verlassene, öde Innenstadt entstünde – modernen Wohnungen obendrüber. Vor etwa drei Jahren folgte ein großes Seniorenheim als Antipode zum Rathaus und Bürgeramt gleich auf der anderen Straßenseite. Sogar einen Taxistand gibt es dort, die Busanbindung ist sehr gut. Drumherum Kitas, Sportplätze und viel Grün. Typisch für Kleinmachnow sind Fußwege im ursprünglichen Kiefernwald, aus dem der Ort herausgehauen wurde.
An einem heißen Tag wie dem 10. Juni hat man immer das Gefühl, dass man auf einen Kiefernzapfen träte oder ihn überrollt.
Sicherlich gibt es im Ort mehr Stolperzapfen als -steine.

Seit dem Autobahnanschluss 1996 an die A115, die in die Berliner AVUS mündet, ist der Dornröschenschlaf wohl endgültig vorüber. Einen so großen Ort nur von Süden über die drei Teltowkanalbrücken oder über die Hohe Kiefer/ Lloyd.-G.-Wells-Straße zu erreichen, war auch einfach nicht angemessen und hatte etwas mit der deutschen Teilung zu tun. Die DDR-Führung, die vor der Hinterlandmauer noch eine 5-Kilometer-Zone pflegte, die nicht von jedem Bürger der Deutschen Demokratischen Republik betreten werden durfte, war an guter Erreichbarkeit von Grenzgemeinden nicht interessiert.
Heute ist die Nähe zum gutbürgerlichen Bezirk Zehlendorf von großem Vorteil.

Im Immobilienbereich heißt es „Lage, Lage, Lage“. Der Ortsteil Berlin-Lichtenrade an der B96 in Tempelhof liegt viel weiter südlich und in gewissem Sinne isoliert. Die Mauer grenzte an drei Seiten heran, bis heute sind weite Wege nach Berlin hinein zurückzulegen und Busverbindungen nach Brandenburg sind rar.

Ganz anders in Kleinmachnow mit seinen gut 20.000 Einwohnern, dass, falls es ein Teil Berlins wäre, gar nicht auffallen würde. Die Stadtgrenze wäre noch nicht einmal ausgebeult und die Außengrenze Kleinmachnows im Süden und Westen wäre nicht der südlichste oder westlichste Punkt der Hauptstadt.
Eigentlich nur logisch, hier seit 2013 Kultur anzubieten – von „Kleinmachnower Kulturschaffenden für Kleinmachnower Kulturinteressierte“, wie es auf der Website der Neuen Kammerspiele hieß.
Diese folgten den Kammerspielen, die als Provinzkino wie viele andere kleine Kinosäle in finanzielle Probleme kam. Digitalisierung und technische Aufrüstung bei geringen Besucherzahlen und einem nicht-kinoaffinen deutschen Publikum, das das Geld für große Flachbildschirme zuhause ausgibt, machten schon manchem Traditionsbetrieb den Garaus. Das Kino in Werder/Havel auf der anderen Seite Potsdams, das ein hervorragendes Programm zu spielen pflegte, kämpft auch.

Das Titelbild zeigt die Kinoanzeigetafel der Neuen Kammerspiele am Festtag. Genauer: In der Festnacht. Ein lauer Abend, der nicht nur vor dem Lichtspieltheater zu Gesprächen bei einem Gläschen auf dem Bürgersteig einlud.
Die Spanier machen in der Hitze Siesta und hängen dafür abends ein paar Stunden ran. Mancher Deutsche wird sich diese Verfahrensweise an diesen heißen Junitagen gewünscht haben. Auch wenn abends fast regelmäßig wie in den Tropen Wolken auftauchen und Erfrischung tröpfeln. Am Samstag blieb es trocken und astrologisch ist die Zwillingszeit für die Kultur gut gewählt.

Man wünscht den Kleinmachnowern nächstes Jahr das halbe Dutzend und in 5 Jahren einen runden Geburtstag. Den Hauptstädtern kann man nur raten, nicht alle Kultur mit der U-Bahn erreichen zu wollen. Denn: Vom Endbahnhof Krumme Lanke und vom S-Bahnhof Mexikoplatz fährt ein Bus direkt zu Kino, Rathaus und weiter.
Es erwartet einen Dies & Das, Ausstellungen, Konzerte, Lesungen, Theater und Kabarett und in den Kammerspielen gab es um halb zehn einen Preview-Wunschfilm.

2017 alles ab 17 Uhr für 17 Euro, im Vorverkauf an den Veranstaltungsorten (Z200, Z212, Caratklub, Meiereifeld 33) und in der Buchhandlung am Rathausmarkt 2 Euro weniger. Zuspätkommer wurden belohnt: ab 23 Uhr nur 5,-. Mal nicht Gorbatschow. Verpassen tut schon genug weh.
Kinder unter 18 (!) erhielten gleich kostenlosen Eintritt.

Meine Heimat, Deine Heimat

Das diesjährige Thema ist durch den Flüchtlingsschock initiiert und spiegelte sich in einem syrischen Buffet, mit dem der Veranstaltungsreigen in den Kammerspielen eröffnet wurde.

Doch auch der junge Brite Adam Fletcher, der bereits drei Bücher über Deutschland gut plazieren konnte, äußerte sich motto-gemäß bei „Wie man in 50 Schritten Deutscher wird“ multimedial und mit einem Quiz: „How German are you?“ – „Wie deutsch sind Sie?“

Kultur in Kleinmachnow in Kürze:

Konzerte

Das Harfenduo. Mit zwei Harfen durch die russische Musik
Laura Oetzel & Daniel Mattelé
Klassikraum-Matinee am Sonntag
Komponisten: Mussorgski, Skrjabin, Glinka, Pjotr Tschaikowski (Nussknacker)
Eigene Bearbeitungen für zwei Konzertharfen,
So., 18.6.2017, 11 Uhr
Ort: Landarbeiterhaus, Zehlendorfer Damm 200, 14532 Kleinmachnow
15 Euro, Vorverkauf 12,-

– 1. Sommerkonzert „Flötentöne“ mit Musikvirtuosen der Komischen Oper und der Staatskapelle Berlin.
Komponisten: Corelli, Quantz, Friedrich II., Vivaldi, Weber
Gerrit Fröhlich, Flöte
Prof. Alexander Vitlin, Klavier
H. – J. Scheitzbach, Violoncello / Moderation
So., 18.6.2017, 15.30 Uhr.
Ermäßigt 7,-, Vorverkauf 8 Euro, Abendkasse 9,-
Ort: Rathaus Kleinmachnow – open air im Innenhof oder bei Regen im Bürgersaal.
Karten im Rathaus, 1. Stock links. Di 13-18 Uhr, Do 13-16 Uhr.
Kartenreservierung: kultur@kleinmachnow.de
Tel. 033203 – 877 1305 (Anrufbeantworter)

– Das Duo „Buenos Aires RitmicoEva Frick (Flöte) und Ruben Fischer (Gitarre)
Astor Piazzolla
Di., 20.6.2017, 17 Uhr, 7 Euro für Gäste
Ort: im Augustinum Kleinmachnow, Erlenweg 72, 14532 Kleinmachnow
Tel. (033203) 56-0

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