Emmanuel Carrère brilliert in seinem Buch „‎V13“ – Gerichtsreportage zu den Prozessen über „die Terroranschläge in Paris“

"V13. Die Terroranschläge in Paris" von Emmanuel Carrère. © Matthes & Seitz Berlin (Eigenschreibweise

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Im September 2021 begann in Paris der Jahrhundertprozess gegen die Attentäter des 13.11. 2015, als islamistische Killerkommandos in der Konzerthalle Bataclan*, auf den Terrassen mehrerer Cafés und vor dem Stade de France 131 Menschen in den Tod erschossen, in die Luft sprengten und fast 700 verletzten.

Frankreich war danach ein anderes Land. Emmanuel Carrère begleitete den Prozess ein Jahr lang für eine französische Tageszeitung. Die dabei entstandenen Kolumnen bilden das Herzstück des Buchs.

Emmanuel Carrère schafft es, dem Grauen, dem Leid und dem unendlichen Schmerzen der Hinterbliebenen, Schwerverletzten, Schwererkrankten ein Gesicht zu geben. Das ist die große Stärke des Buches. Er bleibt eng an seinen Protagonisten und empfindet trotzdem durchaus Mitleid mit einigen Kleingangstern, die eher unwissentlich am großen Mordplan beteiligt gewesen sind. Wohltuend offen beschreibt er die Opfer, deren Familienangehörige, das Gerichtspersonal. Er umkreist die große Frage nach dem Warum der Terrorakte und hinterfragt die Moral der französischen Gesellschaft, die hinter den IS-Tätern nicht die Racheengel eines unterdrückten Volkes sehen, sondern kaltblütige Mörder. Wer ist auf der richtigen Seite? Der arabische Mann, der seine Familie verlor und nun in den Krieg gegen Frankreich zieht? Die französische Frau, die ihre heiß geliebte Tochter verloren hat?

Starkes Buch, unbedingt empfehlenswert.

Bibliographische Angaben:

Emmanuel Carrère, ‎V13: Die Terroranschläge in Paris, Gerichtsreportage, 275 Seiten, Übersetzung aus dem Französischen: Claudia Hamm, Bindung: fester Einband mit Schutzumschlag, Verlag: Matthes & Seitz, Berlin, 1. Auflage 2023, ISBN: 978-3-7518-0942-9, Preis: 25 EUR (Deutschland), auch als E-Buch erhältlich.

  • * Der Konzertsaal Bataclan ist ein Vergnügungsetablissement am Boulevard Voltaire Nr. 50 im 11. Arrondisment von Paris. Der Name des Etablissements, ursprünglich „Ba-ta-Clan“ geschrieben, stammt, manche(r) wird es erkannt haben oder vermuten, von der gleichnamigen Operette Jacques Offenbachs, „Ba-ta-clan – Chinoiserie Musicale en Un acte“ (in einem Akt). Das Haus wurde ab 1864 gebaut und sah um seine erste Jahrhundertwende auch recht chinesisch aus. Es war mindestens von 1932- 1969 Kino und wurde 1983 durch André Engel wieder das, was es ist und was es vorher war. Anmerkung der Redaktion/ Aha.

Anzeige

Vorheriger ArtikelIFA 2023 – heute letzter Tag! Dringende Empfehlung für einen Besuch auf der internationalen Funkausstellung in Berlin. Jeder kann kommen
Nächster ArtikelAnne Hahn erzählt von taffen Krankenschwestern und ihrer unbändigen Liebe zum Fußball