In polnischen Sphären (1). Bei Filmpolska wurden die ersten Preise vergeben, eine Sphäre geht an Knut Elstermann

Filmpolska: Moderatorin Jenni Zylka, Kurator Kornel Miglus vom Polnischen Institut Berlin und der Preisträger Knut Elstermann bei der Verleihung der Sphäre. © Foto: Andreas Hagemoser, 2017

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Knut Elstermann ist ein Phänomen, eine Klasse für sich. Seine DDR-Herkunft nicht verleugnend, gewinnt er sogar der fehlenden Reisefreiheit Positives ab. So geschehen bei der Preisverleihung der Preise des polnischen Filmfestivals, die keinen Namen tragen. Ich taufe sie jetzt „polnische Sphären“. Denn die Kugeln – 2016 von mir noch als „rohes Ei“ bezeichnet, da die Stabilität der recht großen Glaskugeln, in die locker ein Berlinale-Bärchen hineinpasst, beschützenswert ist – werden nur an Freunde Polens und des polnischen Films vergeben. Sie sind zerbrechlicher als die goldenen und silbernen Berlinale-Bären.

Sphären statt Bären

Filmkritiker erhalten keine Bären. Moderatoren überreichen wenigstens Preise, darunter Filmpreise. Elstermann ist Filmjournalist, hat – ein Beispiel unter vielen – 2016 bei der 67. Internationalen Berliner Filmfestspielen als Moderator die Panorama-Publikumspreise für den gewählten Dokumentar- und Spielfilm überreicht und auch die Filmteams des 2. und 3. Platzes gewürdigt.

Überraschung

Knut Elstermann war zugleich überrascht und erfreut darüber, einmal selbst einen Preis zu bekommen und dann auch noch diesen. Mit der Eloquenz eines Radiomoderators, der selten zuviel sagt und und die Sekunden der verstreichenden Sendezeit im Hinterkopf hat, erläuterte er seine Freude.

Die CSSR und Polen: Vor der Haustür

Sozialistische Länder zu bereisen, war den DDR-Bürgern im Prinzip erlaubt. Für manche brauchte man noch nicht einmal ein Visum oder erhielt es problemlos an der Grenze. Der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (engl. Comecon), der aus kommunistischen Ländern zusammengesetzt war, reichte durch Gründungsmitglied Sowjetunion bis an den Pazifik, mit der Mongolei, Kuba und Vietnam bis in die Karibik und an das südchinesische Meer. Für viele blieben diese Gestade trotz RGW-Mitgliedschaft unerreichbar, nicht nur wegen des bei weiteren Zielen nötigen längeren Urlaubs.
Prag, Posen (Poznan) und Breslau (Wroclaw) waren dagegen sogar mit dem Trabi erreichbar.

Polen: Liebenswerte Menschen und gute Filme

Elstermann sagte, dass er irgendwie auch dankbar sei, dafür, dass er nur nach Osten und Südosten reisen durfte, denn dadurch hat er bei vielen Besuchen die Volksrepublik Polen eingehend kennen- und ihre Einwohner liebengelernt. Viele polnische Filme waren etwas besonderes und ragten aus dem Propagandamischmasch heraus.
Polen stand in den 80ern mit der Solidarnosc auch für Fortschritt, Unabhängigkeit und Aufbegehren.
Neben Knut Elstermann wurde auch das Ehepaar Gregor vom Berlinale-Forum mit einer Glaskugel bedacht.

Stimme der Berlinale

Februar. Berlinale. Wenn alles gesehen ist und man den Spätfilm ausfallen lässt, weil man seit früh im Kino saß, pilgern viele, darunter auch zahlreiche deutsche und internationale Journalisten, zum Cinemaxx am Potsdamer Platz. Die Lounge im 1. Stock, die auf die Ecke Alte Potsdamer Straße schaut, ist zum Rundfunkstudio umgebaut. Da kommt gelegen, dass nur die Ecke des Gebäudes auf die (alte) Potsdamer Straße zeigt und die lange Fensterfront zur Varian-Fry-Straße, inzwischen eine Fußgängerzone. Lärm und Nebengeräusche sind von vornherein reduziert.
Moderator Knut Elstermann hält Hof. Zwischen 22 Uhr und Mitternacht, wenn der Nachfolger des Sender Freies Berlin (SFB), der RBB, in den Äther strahlt, versammelt sich an Filmleuten vor dem Mikrophon, was anwesend ist und Rang und Namen hat. Regisseure und Kameraleute, Drehbuchautoren und Produzenten stehen Schlange. Sogar Schauspieler, obwohl sie im Radio nicht zu sehen sind. Die Stars und Crewmitglieder, Filmmusikkomponisten und Location Scouts kommen aus fast aller Herren Länder. Polen und Polinnen waren selbstverständlich auch dabei.
Nun wissen wir, warum der immer galante und herzliche Gastgeber bei den Nachbarn und Nachbarinnen vielleicht noch eine Spur freundlicher war als bei Interviewgästen aus Chile, Samoa oder Südafrika.

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