Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Mein veganer Lieblingsimbiss ist in Berlin-Friedrichshain, heißt „Veggie Curry-Piraten“ und ist unten am Mittel-Ausgang des Ring-S-Bahnhofs Frankfurter Allee. Etwas dahinter auch auf der rechten Seite, also daneben, aber winklig abgewandt, liegt der ursprüngliche Currypiratenimbiss. Das Design ist gleich, das Essen ganz anders. Während der originale Imbiss – auf dessen Dach im Dunkeln angestrahlt, von weitem sichtbar ein Pirat/ wie aus dem Buche steht, mit Augenklappe und Holzbein er geht – der Fleischeslust frönt und zum Kaffee Milch serviert, ist der näher am S-Bahnhofs-Ausgang gelegene gesund. „Vegetarische und vegane Kombüse“ steht auf den schwarzen Brettern, die den Hintergrund des Ladenschilds bilden und vom Design her der Nachbarbude gleich und „VEGGIE CURRY-Piraten.“ Vegetarisch und vegan?
Im Schaufenster steht: „ALLES VEGAN“, was dem widerspricht. Aber entweder hat man irgendwann den Honig für den Tee und die echte Schlagsahne für die Muffins aus dem Programm genommen. Da die Buchstaben der Imbissbeschriftung einzeln aufmontiert worden sind, hätte eine Entfernung eine bleibende Lücke hinterlassen oder man hätte die gesamte Kombüsenschrift ändern müssen. Vielleicht lohnt sich das aber auch nicht mehr, da am Samstag, den 28. Januar 2023 der letzte Öffnungstag ist. Oder man wollte die Vegetarier, die den harten Schritt zum Veganer nicht gehen möchten, nicht verschrecken oder ausschließen. Die Schließung des Imbisses aus Kostengründen (die Piraten-Pacht ist eine Pracht) ist allerdings ein viel härterer Schritt und ein harter Schnitt.
Denn hier geschieht alles herzlich, wie ein außen angebrachtes zum Herzen geformtes Seil richtig symbolisiert. Die oben mittig angebrachten gekreuzten Schwerter unterstreichen lediglich den Satz „Alles ohne Fleisch“. Statt Gewalt, zum Beispiel gegenüber Tieren, wird hier das Leben gefördert und ein liebevoller Umgang. Frieden beginnt überall.
Ein beliebter Ort: die Nachricht von der bevorstehenden Schließung lässt manchen zurück
16. Januar: Wir stehen das erste Mal bewusst vor dem Imbiss, an dem wir sonst immer vorbeihasteten oder den anderen S-Bahn-Ausgang benutzten. Dabei ergibt sich hier in der Sackgasse der Rigaer Straße und am (Hinter-?) Ausgang des Ringcenters 2 eine schöne, platzähnliche, autofreie Situation mit „Aufenthaltsqualität“. Wir erfahren von der Schließung am 28. und beschließen, die täuschend echt aussehenden Brat-, Curryvürste (mit ‚v‘) und Burger zu probieren. Allein: Nach 19 Uhr bleibt nur noch eine halbe Portion Pommes Frites, alles andere war ausverkauft, obwohl bis 20 Uhr geöffnet ist. Doch ein anderer Gast, der die hiesigen Speisen liebt, hat die Nachricht vom Ende der Veggie Curry-Piraten nicht gut vertragen, wird so kreidebleich und schwach, dass eine hilfsbereite Frau einen Krankenwagen ruft. Als dieser eintrifft, wird der von der End-Nachricht geschockte Gast zwar nicht abtransportiert, verbringt jedoch bis Ladenschluss im Notarztwagen, bis es ihm endlich etwas besser geht.
Der Imbiss ist menschlich so spitze, dass sein Verschwinden ein tiefes Loch reißen wird.
Mein veganer Lieblingsimbiss in Berlin – vegetarische Speisen
Die Pommes sind größer als normal, nicht zu hart oder braun, aber schon reif, also durch (nicht zu Ende frittierte Kartoffeln sind ein Ärgernis). Auch die rote Soße dazu ist lecker. Die Pommes seien keine übliche Tiefkühlware. Wir werden neugierig und beschließen, wiederzukommen. Das muss schnell gehen. Sonst ist es vorbei.
Am nächsten Tag nach Feierabend und Berufsverkehr ist wieder die ganze Ware verbrutzelt worden. Hier läuft das Geschäft, doch mit einem Burger oder einer CURRY-Vurst wird das nix mehr für uns an diesem Tag. Es bleiben Buletten. Die schmecken sehr gut und wir essen alle auf. Die einsame, letzte Bratwurst mit ‚v‘ wird an einen Obdachlosen verschenkt, bevor wir Ansprüche darauf anmelden können. Der blitzsaubere Imbiss bereitet nicht nur leckerstes Essen zu, hier ist auch noch Mutter Teresa tätig.
Was tun? Es gibt noch Muffins, die nicht nur vegan sind, sondern auch noch glutenfrei und selbstgemacht. In der windigen Kälte hätte man besser ein Heißgetränk dazunehmen sollen. Die kühlen, trockenen Muffins sind hervorragend und stillen den Hunger ein wenig. Doch man bekommt Appetit und wird neugierig auf die BratVurst, die Burger und die CURRY-Vurst.
Es hilft nichts, wir müssen wiederkommen. Vielleicht mal etwas früher, denn hier ist anscheinend schon lange vor Ladenschluss um 20 Uhr die meiste Ware ausverkauft. Und wegen kalter Biolimonaden allein fahren wir bei Frost nicht durch halb Berlin.
Aber alles, was wir probieren konnten, war außergewöhnlich und hinterließ ein gutes Gefühl. Drum ist dieser gastliche Ort blitzschnell mein veganer Lieblingsimbiss geworden.
Mein veganer Lieblingsimbiss in Berlin – Lage und Anfahrt
- mit dem Auto: von Norden kommend: am besten aus Richtung Neue Welt am langen Jammer vorbei oder die Hermann-Blankenstein-Straße weiter in südliche Richtung, nach der Eldenaer Straße heißt sie Pettenkoferstraße, dann durch die Dolziger in die Voigtstraße und über die Bänschstraße (Einbahn nach Osten) wieder in die Pettenkoferstraße. Ab Schreinerstr. oder Schleidenplatz Parkplatz suchen (die „Verkehrsberuhigung“, eine Anti-Auto-Kampagne, hat es kompliziert gemacht, sonst hätte man die Pettenkofer einfach weiterfahren können bis zu Rigaer. Also mit dem Fahrrad? [was zugegebenmaßen von Zehlendorf recht weit ist])
- Mit dem Rad von Westen durch die Rigaer: Fahrradstraße bis ganz ans Ende in die Sackgasse, dort der Imbiss ganz hinten links
- Mit der Ring-S-Bahn bis Frankfurter Allee (S4, S41, S42, S8, S85), den mittleren Ausgang nehmen, nicht den am Ende des Bahnsteiges, dann sind die Veggie-Curry-Piraten gleich rechts
- Mit der U-Bahn bis Frankfurter Allee (U5), von Hönow kommend in Fahrtrichtung aussteigen; vom Hbf. und Alexanderplatz kommend ganz hinten aussteigen, dann rechts hoch Richtung S-Bahn und den kurzen, leicht ansteigenden Weg an den Fressbuden vorbei bis zum Piraten.
- Kein Hubschrauberlandeplatz vor der Tür
- Täglich bis 20 Uhr geöffnet.
- Mein veganer Lieblingsimbiss in 10247 Berlin, das ist der östliche Stadtteil Friedrichshain, Teil des west-östlichen Doppelbezirks Kreuzberg-Friedrichshain. Ehemals zu Ost-Berlin gehörig, verbindet und trennt die Spree am Oberbaum, der alten Stadtgrenze im Mittelalter, die beiden (Teil-) Bezirke. Kreuzberg lag im US-amerikanischen Sektor und Friedrichshain im sowjetischen der Viermächtestadt. Friedrichshain ist seit 2001 nur noch Ortsteil. Es ist nach dem gleichnamigen, 49 Hektar großen Volkspark so benannt, der ersten kommunalen Grünanlage Berlins (seit 1846, Idee 1840).